Nach dem erfolgreichen Abschluss des Zweiten Staatsexamens stehen den jungen Volljurist:innen zahlreiche Karrierewege offen. Obwohl viele Absolvent:innen weiterhin traditionell als Rechtsanwält:innen, Syndikusanwält:innen, Staatsanwält:innen oder Richter:innen tätig werden, zeigt sich dennoch ein wachsendes Interesse an alternativen beruflichen Perspektiven. Immer mehr junge Jurist:innen suchen deshalb nach Möglichkeiten, ihre juristische Expertise auf unkonventionelle Weise einzusetzen und dabei neue berufliche Horizonte zu erschließen.

Eine besonders interessante und oft unterschätzte Option ist die Karriere als Wirtschaftsjurist:in. Dieser Weg bietet nicht nur spannende Herausforderungen, sondern auch ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten, die weit über das Bild des klassischen Juristen hinausgehen. So können Wirtschaftsjurist:innen etwa bei Fusionen und Übernahmen beratend tätig sein, in der internationalen Vertragsgestaltung arbeiten oder die Einhaltung von Compliance-Vorgaben in Unternehmen sicherstellen. Mögliche Arbeitgeber sind deshalb nicht nur große Unternehmen aus der Industrie, sondern auch Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Banken oder internationale Organisationen.

In diesem Beitrag erfährst du mehr über das vielfältige Tätigkeitsfeld und die zahlreichen Karrieremöglichkeiten von Wirtschaftsjurist:innen. Zudem beleuchten wir, welche speziellen Qualifikationen für diesen Berufsweg erforderlich sind und wie du dich gezielt darauf vorbereiten kannst.

Welche Aufgaben hat ein:e Wirtschaftsjurist:in?

Ein:e Wirtschaftsjurist:in vereint fundierte rechtliche Kenntnisse mit einem tiefen Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Wirtschaftsjurist:innen agieren an der Schnittstelle zwischen Recht und Wirtschaft und verstehen es, rechtliche Rahmenbedingungen im wirtschaftlichen Kontext zu interpretieren und anzuwenden. Sie sind jedoch nicht nur in Unternehmen tätig, sondern auch in Kanzleien, Verbänden, internationalen Organisationen und in der öffentlichen Verwaltung gefragt. Ihre Rolle ist die eines bzw. einer beratenden und strategischen Partners bzw. Partnerin, der bzw. die die Unternehmen präventiv in wirtschaftsrechtlichen Fragen unterstützt.

Anders als Syndikusanwälte und -anwältinnen, die das Zweite Staatsexamen absolviert haben und damit befugt sind, vor Gericht zu vertreten, liegt der Fokus der Wirtschaftsjurist:innen allein auf der außergerichtlichen Beratung und der rechtlichen Begleitung unternehmerischer Prozesse. Sie arbeiten eng mit der Geschäftsführung sowie den verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens zusammen, um rechtliche Fragen frühzeitig zu identifizieren und zu lösen.

Dennoch ist das Tätigkeitsfeld von Wirtschaftsjurist:innen ist äußerst vielseitig: Es reicht von der Beratung bei Unternehmensübernahmen und Fusionen über das Vertragsmanagement bis hin zur Sicherstellung der Compliance. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit ist somit das Entwerfen von Verträgen sowie das Erstellen rechtlicher Gutachten. Sie tragen dabei Verantwortung etwa für handelsrechtliche, steuerrechtliche oder vertragsrechtliche Fragestellungen und übernehmen darüber hinaus administrative und organisatorische Aufgaben. Zudem unterstützen sie das Unternehmen im Rahmen ihrer Compliance-Tätigkeiten bei der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.

Wirschaftsjurist:innen können – je nach Arbeitgeber – auch in der Wirtschaftsprüfung tätig sein. Sie sind dann Bereiche wie Bilanzen, Jahresabschlüsse oder Versicherungen zuständig, wobei sie stets ihr juristisches Wissen mit betriebswirtschaftlichen Aspekten kombinieren.

Schließlich ist es als Wirtschaftsjurist:in auch möglich, in der Unternehmensberatung tätig zu sein.

Welche Karrieremöglichkeiten haben Wirtschaftsjurist:innen?

Ein Blick auf die vielseitigen Tätigkeitsfelder von Wirtschaftsjurist:innen zeigt, dass auch die Karrieremöglichkeiten breit gefächert sind. Wirtschaftsjurist:innen haben zahlreiche Perspektiven sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor:

  • Rechtsabteilung in einem Unternehmen
    Die Rechtsabteilung ist das klassische Betätigungsfeld für Wirtschaftsjurist:innen. In dieser Rolle agieren sie als interne Berater:innen, die sich um alle rechtlichen Belange des Unternehmens kümmern. Dazu gehören etwa die Vertragsgestaltung, das Compliance-Management, die Verhandlung von Geschäftsvorfällen und die Lösung interner Konflikte. Sie arbeiten eng mit der Geschäftsführung und anderen Abteilungen zusammen, um sicherzustellen, dass alle Entscheidungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. In größeren Unternehmen können sich Wirtschaftsjurist:innen zudem auf spezialisierte Rechtsgebiete fokussieren, wie etwa Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht inklusive Mergers & Acquisitions (M&A) oder Steuerrecht.
  • Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
    Wirtschaftsjurist:innen, die in Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften arbeiten, agieren an der Schnittstelle zwischen rechtlicher Beratung und unternehmerischer Strategie. Sie unterstützen Mandant:innen bei komplexen wirtschaftlichen Transaktionen, Fusionen oder der Einhaltung internationaler Handelsregelungen. Oft sind sie bei der Restrukturierung von Unternehmen beteiligt oder beraten in Fragen der internationalen Handelspolitik. Während in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorwiegend betriebswirtschaftliche Kenntnisse gefragt sind, erfordern Beratungsgesellschaften (zusätzlich) vertiefte juristische Expertise, insbesondere im Gesellschaftsrecht (inklusive M&A) und im Steuerrecht.
  • Finanzbranche (Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften)
    In der Finanzbranche analysieren Wirtschaftsjurist:innen rechtliche Risiken, gestalten Finanzprodukte und stellen die Einhaltung von regulatorischen Vorgaben sicher. Sie sind oft an der Entwicklung von Verträgen und der Prüfung von Finanztransaktionen beteiligt, um das Unternehmen rechtlich abzusichern. Dies erfordert vertiefte juristische Kenntnisse vor allem im Bank- und Kapitalanlagerecht.
  • Öffentlicher Sektor
    Wirtschaftsjurist:innen können auch im öffentlichen Sektor tätig werden, beispielsweise bei Regulierungsbehörden oder internationalen Organisationen. Dort unterstützen sie die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen, die fairen Wettbewerb und nachhaltiges Wachstum fördern. In internationalen Organisationen tragen sie zudem dazu bei, rechtliche Standards global durchzusetzen. Hierfür ist neben allgemeinen verwaltungsrechtlichen Kenntnissen auch eine gewisse Expertise, insbesondere im Vergaberecht, erforderlich.
  • Gewerkschaften
    In Gewerkschaften setzen Wirtschaftsjurist:innen ihre Expertise insbesondere dafür ein, um arbeitsrechtliche Fragen zu klären, tarifliche Vereinbarungen zu verhandeln und die Rechte von Arbeitnehmer:innen zu stärken. Sie arbeiten an Lösungen, die sowohl rechtlich als auch sozialverträglich sind und unterstützen die Entwicklung von Strategien für kollektive Verhandlungen. Der juristische Schwerpunkt für Wirtschaftsjurist:innen liegt hierbei eindeutig im Arbeitsrecht.
  • Verbraucherverbände und Sozialverbände
    Wirtschaftsjurist:innen können in Verbraucherzentralen sowie in Sozialverbänden, wie Wohlfahrtsorganisationen oder Organisationen, die sich für die Rechte sozial benachteiligter Gruppen einsetzen, tätig sein – darunter etwa Träger der Jugendhilfe und anerkannte Verbände zur Förderung der Belange von Menschen mit Behinderungen. Sie entwickeln rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz von Verbrauchern und sozialen Gruppen und vertreten deren Interessen, soweit kein Anwaltszwang besteht, vor Gericht oder gegenüber der Politik.
  • Universitäten
    Eine Karriere in der Wissenschaft ist ebenfalls möglich. Wirtschaftsjurist:innen können als Dozent:innen oder Forscher:innen an Universitäten arbeiten, wo sie ihre rechtliche und wirtschaftliche Expertise in Forschung und Lehre einbringen. Sie beschäftigen sich mit wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen und bilden die nächste Generation von Jurist:innen aus.
  • Selbstständigkeit
    Schließlich steht auch Wirtschaftsjurist:innen der Weg in die Selbstständigkeit offen. Sie können ihre eigene Beratungsfirma gründen und Unternehmen oder Privatpersonen in wirtschaftsrechtlichen Fragen unterstützen. Dies erfordert unternehmerisches Geschick, bietet jedoch die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten und sich auf bestimmte Nischen zu spezialisieren.

Welche Qualifikationen werden benötigt?

Ein:e erfolgreiche:r Wirtschaftsjuris:int benötigt ein breites Spektrum an Qualifikationen, die sowohl juristische als auch wirtschaftliche Kompetenzen umfassen. Die Grundlage bildet fundiertes juristisches Wissen, das entweder durch ein Studium der Rechtswissenschaften oder durch einen Masterstudiengang im Wirtschaftsrecht erworben werden kann.

Neben den juristischen Kenntnissen sind tiefgehende wirtschaftliche Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung. Ein:e Wirtschaftsjurist:in sollte ein umfassendes Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und unternehmerische Entscheidungen mitbringen. Dazu gehören Kenntnisse in Bereichen wie Rechnungswesen, Finanzmanagement und Unternehmensstrategien. Diese wirtschaftlichen Kompetenzen lassen sich entweder durch zusätzliche Vorlesungen in Betriebs- und Volkswirtschaftslehre (BWL/VWL) neben dem Jurastudium oder durch den Erwerb eines wirtschaftsrechtlichen Masterabschlusses (LL.M) vertiefen. Alternativ kann ein Aufbaustudium, wie zum Beispiel ein MBA, wirtschaftliche Zusatzqualifikationen vermitteln.

Freilich sind wirtschaftliche Kenntnisse bereits Teil des Masterstudiengangs „Wirtschaftsrecht“, der jedoch – im Gegensatz zu einem juristischen Abschluss – nicht zur Ausübung eines Berufs als Volljurist:in qualifiziert. Darüber hinaus bieten einige deutsche Hochschulen Studiengänge wie den Diplom-Wirtschaftsjurist (Dipl.-Wi. Iur.) oder Wirtschaftsjurist (FH) an, deren Abschlüsse ähnlich bezeichnet werden.

Neben dem Fachwissen sind auch Soft Skills von zentraler Bedeutung. Wirtschaftsjurist:innen arbeiten oft in interdisziplinären Teams und müssen in der Lage sein, komplexe juristische Sachverhalte verständlich und präzise zu vermitteln. Eine starke Kommunikationsfähigkeit, sowohl mündlich als auch schriftlich, ist daher unerlässlich. Zudem sollten sie über ausgeprägtes Verhandlungsgeschick und diplomatisches Feingefühl verfügen, um auch in schwierigen Verhandlungen oder Konfliktsituationen souverän zu agieren.

Auch analytisches und abstraktes Denken ist essenziell, insbesondere wenn Bilanzen geprüft oder wirtschaftliche Analysen durchgeführt werden müssen. Die strategische Planung, das frühzeitige Erkennen juristischer Risiken und das vorausschauende Beeinflussen wirtschaftlicher Entscheidungen unterscheiden Wirtschaftsjurist:innen von klassischen Jurist:innen. Ein sicherer Umgang mit digitalen Tools und Datenanalysen sowie interkulturelle Kompetenz – besonders in global agierenden Unternehmen – runden das Profil von erfolgreichen Wirtschaftsjurist:innen ab.

Wie können sich angehende Jurist:innen gezielt auf den alternativen Karriereweg als Wirtschaftsjurist:in in der juristischen Ausbildung vorbereiten?

Angehende Jurist:innen, die eine Karriere als Wirtschaftsjurist:in anstreben, können bereits während ihrer juristischen Ausbildung gezielte Maßnahmen ergreifen, um sich optimal auf diesen alternativen Berufsweg vorzubereiten. Besonders wichtig ist dafür bereits die Wahl eines geeigneten Studienschwerpunkts. Empfehlenswert sind Schwerpunkte im Handels- und Gesellschaftsrecht, welches grundsätzlich auch M&A umfasst, sowie Bank- und Kapitalmarktrecht, Steuerrecht oder Arbeitsrecht, in dem in aller Regel zumindest grundlegende Aspekte der arbeitsrechtlichen Compliance behandelt werden. Viele Universitäten bieten darüber hinaus spezialisierte Programme oder Zusatzqualifikationen im Wirtschaftsrecht an, wie etwa die Schlüsselqualifikation Wirtschaftszertifikat, welches eine wertvolle Vertiefung der wirtschaftsrechtlichen Kompetenzen ermöglicht.

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Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ersten Juristischen Prüfung kann anstelle des juristischen Vorbereitungsdienstes ein wirtschaftsrechtliches Aufbaustudium oder ein berufsbegleitendes MBA-Programm in Betracht gezogen werden, um das erforderliche betriebswirtschaftliche Know-how zu erwerben.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, praktische Erfahrungen im wirtschaftlichen Kontext zu sammeln – sei es durch Praktika in den Rechtsabteilungen großer Unternehmen, in Wirtschaftskanzleien, bei Beratungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder als studentische Hilfskraft bzw. im Rahmen einer wissenschaftlichen Mitarbeit in einem dieser Bereiche. Solche Praxiserfahrungen bieten nicht nur wertvolle Einblicke in die Arbeitsweise, sondern fördern auch ein tiefgehendes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Gleichzeitig eröffnet sich die Möglichkeit, frühzeitig berufliche Netzwerke zu knüpfen und erste Schritte in Richtung einer Karriere als Wirtschaftsjurist:in zu unternehmen.

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