In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Steuer- und Abgabenrecht.
Allgemeines zum Steuer- und Abgabenrecht
Das Steuerrecht ist Teil des Abgabenrechts und gehört damit zur Finanzverwaltung, mithin zum besonderen Verwaltungsrecht und dementsprechend zum öffentlichen Recht. Das Abgabenrecht regelt diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen Bürger:in und Staat, die die Festsetzung und Erhebung von Abgaben betreffen. Zu den Abgaben zählen Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben. Steuern sind dabei solche Abgaben an den Staat, bei denen ein Anspruch auf individuelle Gegenleistung nicht besteht. Nach der Abgabenordnung [AO] sind hierfür maßgeblich die Finanzbehörden zuständig, etwa das Bundesministerium beziehungsweise die Landesministerien der Finanzen, das Hauptzollamt einschließlich ihrer Dienststellen (Zollämter, Zollkommissariate) sowie die Zollfahndungsämter, die Finanzämter und die besonderen Landesfinanzbehörden als örtliche Behörden, oder die Familienkassen.
Zunächst wird zwischen bundeseinheitlichen, länderspezifischen und kommunalen Abgaben – und auch Steuern – unterschieden. Als Rahmengesetz gilt zunächst die Abgabenordnung [AO], und im Einzelnen verschiedene Bundes- und Landesgesetze sowie Kommunalsatzungen, in denen auch Grund und Gegenstand der Erhebung von Abgaben beziehungsweise Steurern normiert sind. Die Gesamtheit derartiger Gesetze gehört zum besonderen Steuerrecht. Insoweit gilt auch die Autonomie des Steuerrechts, das heißt steuerliche Tatbestände und Rechtsbegriffe eigenständig zu definieren sind, weshalb zumindest ein Rückgriff auf entsprechende zivilrechtliche Begriffe nicht möglich ist.
Für das Abgabenrecht besteht – mit Ausnahme von den Kommunalabgaben – eine von der Verwaltungsgerichtsbarkeit unabhängige und damit eigenständige Finanzgerichtsbarkeit, weshalb das gerichtliche Verfahren auch nicht in der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], sondern in der Finanzgerichtsordnung [FGO] geregelt ist. Die Finanzgerichte befassen sich demnach mit allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten rund um Lohnsteuer, Einkommenssteuer, Umsatzsteuer, Energiesteuer etc.
Im Finanzrecht tätige Jurist:innen prüfen entweder auf der staatlichen Seite, ob und inwieweit finanzrechtliche Ansprüche für oder gegen eine:n Bürger:in bestehen beziehungsweise nicht mehr bestehen; oder auf Seite der Bürgerin bzw. des Bürgers, ob und inwieweit sich diese:r gegen einen den Anspruch ablehnenden beziehungsweise aufhebenden Bescheid erwehren kann.
Welche Karrieremöglichkeiten im Steuer- und Abgabenrecht habe ich?
Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Steuer- beziehungsweise Abgabenrecht sind mannigfaltig, sei es als Richter:in am Finanzgericht oder mit Schwerpunkt ‚Kommunalabgaben‘ am Verwaltungsgericht, als Rechtsanwältin bzw. -anwalt oder innerhalb einer Finanzbehörde.
Mit Blick auf eine anwaltliche Karriere können sich im Steuerrecht versierte Jurist:innen als (Einzel-)Anwält:innen selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique, mittelständischen Kanzlei oder Großkanzlei finden – und zwar bundesweit; eine Hochburg besteht für das Steuerrecht nicht. Allerdings gibt es eine Vielzahl von rein auf (Wirtschafts- und) Steuerrecht spezialisierte Kanzleien, denn das Tätigkeitsfeld einer Anwältin bzw. eines Anwalts im Steuerrecht ist enorm: Hierzu gehören nicht nur die Prüfung, ob und inwieweit welche Steuer zu entrichten ist, sondern die Beratungen können etwa auch eine Unternehmensgründung mit all ihren steuerrechtlichen Aspekten betreffen. Daneben können aber auch Privatpersonen steuerrechtliche Fragen haben, etwa zur Grunderwerbssteuer, Erbschaftssteuer oder Schenkungssteuer. Im Übrigen fällt regelmäßig auch das Steuerstrafrecht in dieses Tätigkeitsfeld.
Wer demgegenüber ein gesteigertes Interesse an zentralen Gemeinschaftsaufgaben und wirtschaftspolitischen Fragen hat, und neben einem Verständnis für politische Zusammenhänge auch einen politischen Gestaltungswillen mitbringt, kann auch eine Karriere in einem Wirtschaftsverband oder -Organisation anstreben, sei es in der Rechtsabteilung oder sogar in der Geschäftsführung. Denn solche Verbände und Organisationen suchen bevorzugt Jurist:innen mit guten Kenntnissen im (Wirtschafts- und) Steuerecht. Hierzu genügt in aller Regel zwar die erfolgreich abgelegte Erste Juristische Prüfung, allerdings wird oftmals auch die erfolgreiche Zweite Juristische Prüfung gewünscht.
Mit Blick auf die Zweite Juristische Prüfung ist die Karrieremöglichkeit der Steuerberaterin bzw. des Steuerberaters weniger streng. Allerdings bedarf es hierfür eine mindestens dreijährige Tätigkeit im Steuerwesen sowie einen Lehrgang mitsamt Prüfung zur bzw. zum Steuerberater:in. Steuerberater:innen fertigen aber nicht nur Steuererklärungen, Betriebsprüfungsberichte oder Steuer- und Handelsbilanzen an, sondern dürfen ihre Mandant:innen auch in außergerichtlichen und finanzgerichtlichen Verfahren vertreten. Nicht zuletzt deshalb werden einige Rechtsanwält:innen mit steuer- und/oder abgabenrechtlichen Schwerpunkt zugleich als Steuerberater:in tätig, oder weiten ihre Kanzlei mit einer bzw. einem eigenständigen Steuerberater:in aus.
Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?
Das Steuer- und Abgabenrecht spielt in der universitären Ausbildung in aller Regel gar keine Rolle, da es sich grundsätzlich nicht um Pflichtstoff handelt. Allenfalls dem Kommunalabgabenrecht – für welches immerhin die Verwaltungsgerichte zuständig sind – erfährt eine größere Aufmerksamkeit. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse im Steuer- beziehungsweise Abgabenrecht selbst anzueignen, etwa durch einen entsprechenden Schwerpunkt an der Universität oder entsprechenden (freiwilligen) Lehrgängen während des juristischen Vorbereitungsdienstes.
Darüber hinaus sind vertiefte Kenntnisse des allgemeinen Verwaltungsrechts notwendig, da das Abgabenrecht im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen agiert. Ferner sind vertieftere Kenntnisse in den einschlägigen Normen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts notwendig, schließlich ist das Steuerstrafrecht ein wesentlicher Bestandteil dieses Rechtsgebiets.
Von Vorteil sind aber auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse [BWL], insbesondere von Buchführung und Bilanzwesen.
Wer mit Auslandsbezug tätig werden möchte, also gerade bei Wirtschaftsverbänden und -Organisationen, sollte darüber hinaus zumindest in der englischen Sprache verhandlungssicher sein.
Promotion und / oder ein an der Universität Speyer zu erwerbender Magister der Verwaltungswissenschaften (Mag.rer.publ.) sind in auch im Steuer- beziehungsweise Abgabenrecht sehr gerne gesehen.
Kann ich im Rechtsgebiet Steuer- und Abgabenrecht Fachanwalt werden?
§ 9 Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Steuerrecht“. Danach sind zunächst besondere betriebswirtschaftliche Kenntnisse in den Bereichen Buchführung und Bilanzwesen nachzuweisen. Daneben sind Kenntnisse im allgemeine Abgabenrecht einschließlich des Bewertungs- und Verfahrensrechts sowie im besonderen Steuer- und Abgabenrecht auf den Gebieten der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer, der Umsatzsteuer -und Grunderwerbsteuer, sowie der Erbschaft- und Schenkungssteuer erforderlich. Darüber hinaus bedarf es aber auch Kenntnisse im Steuerstrafrecht sowie Grundzüge des Verbrauchsteuer- und internationalen Steuerrechts einschließlich des Zollrechts.