Für junge Jurist:innen, die das Zweite Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen haben, eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Traditionell werden die meisten den Weg als Rechtsanwält:in, Syndikusanwält:in, Staatsanwält:in oder Richter:in einschlagen. Doch in einer Zeit, in der Vielfalt und Innovation gefragt sind, suchen immer mehr Absolvent:innen nach alternativen Karrierewegen, um ihre juristische Expertise auf eher unkonventionelle Weise einsetzen zu können.
Eine oft übersehene, jedoch äußerst attraktive Option ist eine Karriere bei der Polizei. Dieser alternative Karriereweg bietet nicht nur spannende Herausforderungen, sondern auch vielfältige Möglichkeiten, die weit über das Bild des klassischen Polizeibeamten hinausgehen. Von Verwaltungsaufgaben über Personalmanagement bis hin zu Tätigkeiten bei spezialisierten Einheiten, wie bei dem Landeskriminalamt (LKA), dem Bundeskriminalamt (BKA) oder dem Bundesamt für Verfassungsschutz, gibt es eine Fülle von Tätigkeitsfeldern, die es zu erkunden gilt.
Erfahre in diesem Beitrag mehr über das Tätigkeitsfeld und den vielfältigen Karrieremöglichkeiten als Jurist:in bei der Polizei. Erfahre zudem welche besonderen Qualifikationen für diesen Karriereweg erforderlich sind.
Als Jurist:in bei der Polizei: Welche juristische Tätigkeitsbereiche gibt es?
Während eine Karriere bei der Polizei im mittleren Dienst nach einer Ausbildung an einer Polizeischule möglich ist, setzt der höhere Dienst mindestens den Abschluss eines Hochschulstudiums voraus. Polizeibeamt:innen im höheren Dienst übernehmen in der Regel Führungsaufgaben, leitende Funktionen und spezialisierte Aufgaben innerhalb der Polizeibehörden. Sie sind oft in den Bereichen Kriminalitätsbekämpfung, Ermittlungen, Verwaltung, Planung und Strategieentwicklung tätig.
Jurist:innen bringen in der Regel ausgeprägte Problemlösungsfähigkeiten und Führungspotenzial mit, wodurch sie sich für den höheren Dienst besonders qualifizieren.
Bei der Polizei eröffnen sich für Jurist:innen jedoch auch eine Vielzahl von Möglichkeiten, die weit über die traditionellen Vorstellungen des Polizeidienstes hinausgehen und wesentlich juristischer geprägt sind. Dabei sind insbesondere die folgenden Bereiche zu nennen:
Rechts- und Verwaltungsdienst
Es handelt sich hierbei um die Schnittstelle zwischen Recht und Verwaltung. Jurist:innen bearbeiten hier verschiedene (verwaltungs)rechtliche Angelegenheiten, prüfen Verwaltungsakte, erstellen dazu Gutachten und/oder Stellungnahmen. Abhängig von der Polizeibehörde unterstützen sie zudem bei der Entwicklung von Gesetzen und Verordnungen im polizeirechtlichen Kontext.
Jurist:innen, die im Rechts- und Verwaltungsdienst der Polizei arbeiten, müssen daher ein breites Spektrum an öffentlich-rechtlichen Rechtsgebieten beherrschen, insbesondere allgemeines Verwaltungsrecht und Polizeirecht sowie Strafrecht.
Ermittlungs- und Kriminaldienst
In diesem Bereich sind Jurist:innen etwa in der Ermittlungsunterstützung tätig und befassen sich im Rahmen dessen beispielsweise mit der Erstellung von Strafanzeigen, der rechtlichen Bewertung von Sachverhalten, der rechtlichen Bewertung von Ermittlungsergebnissen und der Auswertung von Beweismaterial sowie der Vorbereitung von Gerichtsverfahren. Sie müssen deshalb in der Lage sein, komplexe rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Ermittlungen zu analysieren und zu lösen.
Im Ermittlungs- und Kriminaldienst kommt es daher vor allem auf fundierte Kenntnisse im Strafrecht (inklusive Strafprozessrecht) an.
Personal- und Ausbildungswesen
In dieser Abteilung sind Jurist:innen für Personalangelegenheiten zuständig, einschließlich der Verwaltung von Personalakten und der Durchführung von Personalgesprächen. Sie erstellen zudem Dienstvereinbarungen und Tarifverträge und bearbeiten Disziplinarverfahren. Sie können aber auch, abgängig von der Polizeibehörde, an der Konzeption und Durchführung von Ausbildungsprogrammen für Polizeibeamt:innen beteiligt sein und im Rahmen dessen Ausbildungspläne und -programme gestalten, die sowohl rechtliche als auch praktische Aspekte der Polizeiarbeit abdecken.
Im Bereich des Personal- und Ausbildungswesens sind daher vor allem das Arbeitsrecht und das Beamtenrecht von Bedeutung.
Internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe
Mit zunehmender Globalisierung gewinnt auch die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung an Bedeutung. Jurist:innen bei der Polizei, die an der internationalen Zusammenarbeit beteiligt sind, unterstützen bei der Koordination von internationalen Ermittlungen und bei der Ausarbeitung von Rechtshilfeersuchen. Sie prüfen zudem völkerrechtliche Verträge und wirken bei der Umsetzung von internationalen Abkommen und der EU-Richtlinien bzw. -Verordnungen mit.
Jurist:innen im Bereich internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe müssen deshalb in der Lage sein, komplexe grenzüberschreitende Rechtsfragen zu klären und die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden zu koordinieren. Deshalb sind für diesen besonderen Karriereweg Kenntnisse im Europarecht, im Völkerrecht und im internationalen Strafrecht unerlässlich.
Spezialeinheiten und Sonderkommissionen
Für Jurist:innen, die eine besondere Herausforderung suchen, bieten Spezialeinheiten und Sonderkommissionen innerhalb der Polizei spannende Einsatzmöglichkeiten. Hier können sie beispielsweise in Anti-Terror-Einheiten, Cyberkriminalitätseinheiten oder speziellen Ermittlungsteams tätig sein.
Hier können Jurist:innen mit einer Vielzahl von Rechtsgebieten konfrontiert werden, je nach den spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten der Einheit. Dies kann das Strafrecht, das Verwaltungsrecht, das Datenschutzrecht, das IT-Recht und sogar das Völkerrecht umfassen.
Welche Polizeibehörden ermöglichen diese Karrieremöglichkeiten?
Die vorgenannten Tätigkeitsbereiche, sei es etwa im Justiziariat, als Ermittlungsreferent:in oder bei der Personalbetreuung, können bei verschiedenen Polizeibehörden auf unterschiedlichen Ebenen wahrgenommen werden:
Landespolizeibehörden
Zu den Landespolizeibehörden gehören nicht nur diejenigen Polizeidienststellen, die vielfältige Aufgaben im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und der Gefahrenabwehr wahrnehmen. Vielmehr gehören beispielsweise auch das Landeskriminalamt (LKA) und das Landesamt für Verfassungsschutz hierzu. Dadurch sind nicht nur die Karrieremöglichkeiten mannigfaltig, sondern zudem ist die Nachfrage an qualifizierten Jurist:innen recht groß.
Bundespolizei
Die Bundespolizei ist eine bundesweit tätige Polizeibehörde, die gemäß dem BPolG vor allem für den Schutz der Grenzen, die Sicherheit im Bahnverkehr und die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zuständig ist. Wie die Landespolizeibehörden ist auch die Bundespolizei eine eigenständige Behörde, die deshalb ebenso über eine entsprechende Verwaltung, Rechtsabteilung und Personalbetreuung verfügt. Des Weiteren besteht freilich auch hier die Möglichkeit als Ermittlungsreferent:in tätig zu werden.
Bundeskriminalamt (BKA)
Während die Bundespolizei ihren Schwerpunkt in der Sicherung des öffentlichen Verkehrsnetzes, der Grenzkontrolle und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in den Verkehrsknotenpunkten des Landes hat, konzentriert sich das BKA insbesondere auf die Bekämpfung von schwerer und organisierter Kriminalität, Terrorismus, Cyberkriminalität, politisch motivierter Gewalt und anderen schweren Straftaten. Dabei kann es erforderlich sein, die Polizeiarbeit auf nationaler und internationaler Ebene zu koordinieren. Neben den bereits vorgenannten Tätigkeitsgebieten, vor allem in der Verwaltung, als Ermittlungsreferent:in oder bei der Personalbetreuung, können qualifizierte Jurist:innen auch bei der Zentralstelle für IT und Kommunikation, der Abteilung für polizeilichen Datenschutz und vielen anderen Bereichen tätig werden.
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)
Bei dem BfV handelt es sich um den Inlandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Jurist:innen haben dort unter anderem die Aufgabe, Informationen über extremistische und terroristische Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten und sind auch für die Spionageabwehr zuständig. So bietet das BfV in unterschiedlichen Bereichen spannende Einsatzmöglichkeiten.
Europol
Europol ist die europäische Polizeibehörde und als solche für die Koordinierung und Unterstützung der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuständig. Jurist:innen bei Europol arbeiten an der rechtlichen Analyse von grenzüberschreitenden Kriminalitätsphänomenen, der Unterstützung von länderübergreifenden Ermittlungen und der Entwicklung von Rechtsinstrumenten auf europäischer Ebene.
Internationale Organisationen und Institutionen
Schließlich bieten auch diverse internationale Organisationen und Institutionen, wie etwa Interpol, die Vereinten Nationen (UN) oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), im Bereich der Strafverfolgung und Sicherheit entsprechende Karrieremöglichkeiten an, vor allem für Jurist:innen mit einem Interesse an internationaler Polizeiarbeit und grenzüberschreitender Zusammenarbeit.
Kurzum: Im öffentlichen Dienst finden qualifizierte und interessierte Jurist:innen vielseitige Aufgaben, weshalb dieser Karriereweg durchaus eine attraktive Option für (angehende) Jurist:innen darstellt.
Welche Qualifikationen werden benötigt?
Die notwendigen Qualifikationen für eine Karriere als Jurist:in bei der Polizei variieren je nach der spezifischen Position und den Anforderungen der jeweiligen Polizeibehörde.
Eine grundlegende Voraussetzung ist jedenfalls aber ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften. Für die meisten weiteren Positionen im höheren Dienst wird zudem ein erfolgreich abgelegtes Zweites Staatsexamen benötigt, beim BKA wird beispielsweise derzeit [Stand: März 2024] sogar eine Summe von mindestens 13 Punkten aus beiden Staatsexamina verlangt.
Interessierte Jurist:innen müssen fundierte Kenntnisse des deutschen Rechtssystems, dabei insbesondere des Strafrechts, des Verwaltungsrechts, des Polizeirechts und des öffentlichen Rechts, vorweisen können. Sie müssen dabei in der Lage sein, komplexe rechtliche Sachverhalte zu analysieren, juristische Argumente zu entwickeln und rechtliche Risiken zu bewerten.
Neben dieser bestenfalls analytischen Fähigkeiten sind – bestenfalls nachweisbare – gute Kommunikationsfähigkeiten unerlässlich.
Schließlich kommt es auch auf Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Flexibilität und Belastbarkeit an. Diese Qualifikationen lassen sich beispielsweise mit ersten beruflichen Erfahrungen nachweisen. In aller Regel werden Bewerber:innen mit ersten beruflichen Erfahrungen auch bevorzugt behandelt. Dies gilt vor allem dann, wenn bestimmte Auswahlverfahren und Eignungstests durchgeführt werden.
Je nach der spezifischen Position und dem Tätigkeitsbereich können zusätzliche Qualifikationen erforderlich sein, wie etwa Kenntnisse in spezialisierten Rechtsgebieten (z.B. IT- und Datenschutzrecht) oder Erfahrungen in der forensischen Analyse.
Wie können sich angehende Jurist:innen gezielt auf eine Karriere bei der Polizei vorbereiten?
Angehende Jurist:innen können sich bereits im Studium gezielt auf den Karriereweg bei der Polizei vorbereiten, vor allem in dem ein entsprechender Schwerpunktstudiengang gewählt wird.
Zudem werden an den Universitäten regelmäßig Vorlesungen, Seminare und Workshops zu den sog. Schlüsselqualifikationen angeboten. Hierbei können insbesondere die kommunikativen Fähigkeiten geschult werden, sei es durch Rhetorik-, Präsentations- oder Argumentationskurse. Mit Seminaren zum ‚Recht in der Rechtsmedizin‘ und oder zur Vernehmungslehre lassen sich indes zusätzliche Qualifikationen für spezifische Positionen und deren Tätigkeitsbereich erwerben. Schließlich bieten die Universitäten regelmäßig Kurse zum IT- und Datenschutzrecht an, soweit hierfür nicht bereits ein Schwerpunktstudiengang eingerichtet wurde.
Schau doch einmal bei uns auf JurCase.com vorbei. Unter #Gewusst findest du einen Abschnitt zur Weiterbildung mit verschiedenen Erfahrungsberichten zu universitären Weiterbildungsmöglichkeiten – sogenannten Schlüsselqualifikationen. Hier findest du beispielsweise auch Beiträge zu Rhetorik und Präsentation, zur Vernehmungslehre sowie zu Digitalisierung und Legal Tech.
Ein weiterer wichtiger erster Schritt besteht darin, bereits während des Studiums im Rahmen von Praktika fundierte Einblicke in die Tätigkeit von Jurist:innen bei der Polizei zu gewinnen. Im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes sollte zumindest die Verwaltungsstation zudem in einer einschlägigen Behörde absolviert werden.
Zudem können Studierende bzw. Referendar: innen als studentische Hilfskraft bzw. als wissenschaftliche Mitarbeiter:in wichtige einschlägige Einblicke in solchen Kanzleien erhalten, die sich auf Verwaltungsrecht und öffentliches Recht, Beamtenrecht und/oder Strafrecht spezialisiert haben.
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