– Unverhofft kommt oft –
Unverhofft kommt oft. Für Viele mag dieses Sprichwort nur eine mehr oder wenige aussagekräftige Floskel sein. Und doch trifft es, so wie kein anderes, auf den Unterschied zwischen der Planung und dem tatsächlichen Ablauf meiner Wahlstation zu. Nachdem ich also nun 2 € in das vielzitierte Phrasenschwein geworfen habe, lasst mich erläutern was es damit auf sich hat.
„Willkommen zurück, du kennst dich hier ja schon aus.“ So oder so ähnlich wurde ich Anfang April 2020 zu Beginn meiner Wahlstation im Düsseldorfer Büro der Herbert Smith Freehills LLP (HSF) begrüßt. Im Zuge meines Referendariats hatte ich bereits meine Anwaltsstation in selbigem Büro – genauer gesagt in der Praxisgruppe Dispute Resolution – verbracht. Ich habe die erste Zeit in sehr guter Erinnerung, viele Dinge gelernt, war sehr eng in die laufende Mandatsarbeit eingebunden und fand die Menschen sehr nett. Dennoch hatte ich ursprünglich nicht vor, im Rahmen meiner Wahlstation, in selbiges Büro zurückzukehren.
Während meiner Anwaltsstation stellte sich heraus, dass für mich die Möglichkeit bestünde, meine Wahlstation im Londoner Büro von HSF zu verbringen. Da es schon immer mein Traum war, eines Tages eine Zeit lang in England zu leben, entschied ich mich dazu, dieses Angebot anzunehmen. So vergingen einige Monate. In dieser Zeit stand ich sowohl zu dem Düsseldorfer als auch dem Londoner Büro in ständigem Kontakt und wir trieben zusammen die Planung für das „Secondment“ in London voran. Nachdem alles geplant war, konzentrierte ich mich auf die letzten Wochen meiner Vorbereitung für die Prüfungen des 2. Staatsexamens.
Und dann kam schließlich alles anders als geplant. Noch während ich inmitten meiner Prüfungen war, erreichte die Covid-19 Pandemie in Deutschland und vielen anderen Ländern ihre bis dato kritischste Phase. Es wurde eine Reisewarnung ausgesprochen und die Referendarstammdienststellen wiederriefen jegliche erteilten Zuweisungen für Stationen im Ausland. Damit war die gesamte Planung mit einem Schlag umsonst. Eine Wahlstation in London war nicht möglich. Unverhofft kommt oft.
So schade es auch war, nicht nach London zu können, war ich dennoch entschlossen das Beste aus der Situation zu machen. Und so entschloss ich mich dazu, meine Wahlstation im Düsseldorfer „Büro“ zu verbringen.
Diese gestaltete sich allerdings grundlegend anders, als ich es aus der Anwaltsstation gewohnt war. Denn wie der Großteil der Kanzleien in Deutschland, hatte auch HSF den Betrieb auf „Working From Home“ (WFH) umgestellt. Anstatt also am ersten Arbeitstag in das Büro zu gehen, schaltete ich schlicht und einfach meinen Laptop an. Anstatt bei den Kollegen im Büro vorbeizugehen und sie zu begrüßen, unterhielten wir uns via Skype. Statt in Chino und Hemd herumzulaufen saß ich in der Regel, seien wir mal ehrlich, in T-Shirt und Jogginghose zu Hause am Schreibtisch.
Diese Zeit war zugegebenermaßen eine Herausforderung. Nicht wegen der Arbeit, nein. Die Arbeit in einer Kanzlei lässt sich auch hervorragend von zu Hause aus erledigen. Überrascht hat mich insbesondere, wie reibungslos der technische Teil lief. Die IT war durchweg stabil. Von Seiten der Kanzlei wurde außerdem dafür Sorge getragen, dass der Kontakt zwischen den Kollegen gepflegt wird.
Wenn mir die Decke auf den Kopf zu fallen drohte, war ich froh an die frische Luft zu kommen. So habe ich mich regelmäßig in der Mittagspause auf meine Terrasse gesetzt oder habe mir abends nach der Arbeit die Laufschuhe angezogen und bin am Rhein joggen gegangen. Außerdem stand es uns frei, hin und wieder im Büro zu arbeiten, falls man einen Tapetenwechsel brauchte. So ließ sich die Situation gut meistern.
Dennoch waren es die sozialen Aspekte, die einem fehlen: Das gemeinsame Mittagessen mit den Kollegen, die gelegentliche Kickerrunde danach und generell der (nicht virtuelle) Kontakt zu anderen Menschen. Jedoch lassen diese neuen Verhältnisse mich die kleinen Dinge im Leben wieder mehr zu schätzen wissen. Wie eben den Umgang mit den Kollegen, mit Freunden und all die schönen Dinge, die das Leben bietet. Vieles davon habe ich vor der Pandemie vielleicht nicht ausreichend zu schätzen gewusst.
Dennis Tontsch