In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Sozialrecht.
Allgemeines zum Sozialrecht
Das Sozialrecht gehört im Grunde zum Verwaltungsrecht und damit zum öffentlichen Recht. Es regelt diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen Bürger:in und Staat, die der Absicherung sozialer Risiken dienen. Diese Absicherung erfolgt durch verschiedene Sozialleistungsträger. Dabei handelt es sich um Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie etwa Sozialämter, Krankenkassen oder auch die Bundesanstalt für Arbeit. Zu diesen abgesicherten Risiken zählen demnach insbesondere Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Alter und Tod. Insoweit wird das Sozialrecht in die folgenden drei Bereiche eingeteilt: Vorsorge, Entschädigung sowie Hilfe und Förderung.
Das Sozialrecht ist Ausfluss der in Art. 20 des Grundgesetzes [GG] verfassungsrechtlich gesicherten Sozialstaatlichkeit. Seine gesetzlichen Grundlagen finden sich insbesondere im Sozialgesetzbuch (SGB) mit den Büchern I bis XII. Daneben gibt es zahlreiche untergesetzliche Normen wie Richtlinien und Verwaltungsvorschriften. Das Sozialrecht wird – wie auch beim Verwaltungsrecht – zwischen allgemeinem und besonderem Sozialrecht unterschieden. Während das allgemeine essenzielle Grundlagen und Grundsätze für die Sozialleistungsträger und ihre Tätigkeiten normiert, bietet das besondere Sozialrecht fachspezifische Regelungen für die unterschiedlichen sozialen Risiken beziehungsweise den entsprechenden Sozialleistungen (vgl. nur § 12 SGB I).
Für das Sozialrecht besteht eine von der Verwaltungsgerichtsbarkeit unabhängige und damit eigenständige Sozialgerichtsbarkeit, weshalb das gerichtliche Verfahren auch nicht in der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], sondern im Sozialgerichtsgesetz [SGG] geregelt ist. Die Sozialgerichte befassen sich danach mit allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten rund um Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe, ALG II [Hartz IV] etc.
Im Sozialrecht tätige Jurist:innen prüfen entweder auf der staatlichen Seite, ob und inwieweit sozialrechtliche Ansprüche für eine:n Bürger:in bestehen beziehungsweise nicht mehr bestehen; oder auf Seite der Bürgerin bzw. des Bürgers, ob und inwieweit sich diese:r gegen einen den Anspruch ablehnenden beziehungsweise aufhebenden Bescheid erwehren kann.
Welche Karrieremöglichkeiten habe ich?
Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Sozialrecht sind mannigfaltig, sei es als Richter:in am Sozialgericht, als Rechtsanwältin bzw. -anwalt oder innerhalb eines Sozialleistungsträgers.
Mit Blick auf eine anwaltliche Karriere können sich im Sozialrecht versierte Jurist:innen als (Einzel-)Anwält:innen selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique oder mittelständischen Kanzlei finden. Zum Teil gibt es sogar auf das Sozialrecht spezialisierte Kanzleien. Anwaltliche Karrieremöglichkeiten bestehen hier bundesweit; eine Hochburg besteht für das Sozialrecht grundsätzlich nicht. Entsprechendes gilt für diejenigen, die bei einem Sozialleistungsträger tätig werden wollen.
Wer demgegenüber ein gesteigertes Interesse an zentralen Gemeinschaftsaufgaben und wirtschaftspolitischen Fragen hat, und neben einem Verständnis für politische Zusammenhänge auch einen politischen Gestaltungswillen mitbringt, kann auch eine Karriere in einem Wirtschaftsverband oder -Organisation anstreben, sei es in der Rechtsabteilung oder sogar in der Geschäftsführung. Denn solche Verbände und Organisationen suchen bevorzugt Jurist:innen mit guten Kenntnissen in diesem Rechtsgebiet, freilich aber auch im Wirtschafts- und Steuerrecht. Hierzu genügt in aller Regel zwar die erfolgreich abgelegte Erste Juristische Prüfung, allerdings wird oftmals auch die erfolgreiche Zweite Juristische Prüfung gewünscht.
Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?
Das Sozialrecht spielt in der universitären Ausbildung in aller Regel gar keine Rolle, da es sich grundsätzlich nicht um Pflichtstoff handelt. Ähnlich verhält es sich beim juristischen Vorbereitungsdienst, zumindest wenn die Verwaltungsstation nicht bei einem Sozialgericht oder einem Sozialleistungsträger absolviert wurde. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse im Sozialrecht selbst anzueignen, etwa durch einen entsprechenden Schwerpunkt an der Universität oder entsprechenden (freiwilligen) Lehrgängen während des juristischen Vorbereitungsdienstes.
Darüber hinaus sind vertiefte Kenntnisse des allgemeinen Verwaltungsrechts notwendig, da das Sozialrecht im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen agiert.
Wer mit Auslandsbezug tätig werden möchte, also gerade bei Wirtschaftsverbänden und -Organisationen, sollte darüber hinaus zumindest in der englischen Sprache verhandlungssicher sein.
Promotion und / oder ein an der Universität Speyer zu erwerbender Magister der Verwaltungswissenschaften (Mag.rer.publ.) sind in auch im Sozialrecht sehr gerne gesehen.
Kann ich im Rechtsgebiet Sozialrecht Fachanwalt werden?
§ 11 Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Sozialrecht“. Danach werden zunächst besondere Kenntnisse in den Bereichen allgemeines Sozialrecht einschließlich Verfahrensrecht verlangt. Darüber hinaus sind Kenntnisse in den folgenden Bereichen des besonderen Sozialrechts erforderlich:
- Arbeitsförderungs- und Sozialversicherungsrecht
- Recht der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden
- Recht des Familienlastenausgleichs
- Recht der Eingliederung Behinderter
- Sozialhilferecht
- Ausbildungsförderungsrecht