Rechtsanwältin Hermann & Rechtsanwalt Glienke von Greenfort im Interview über Konfliktlösung durch Gütestellen
In diesem Interview stellten sich im Oktober 2021 Rechtsanwältin Viktoria Hermann und Rechtsanwalt Tobias Glienke von Greenfort den Fragen unseres Redaktionsleiters Sebastian M. Klingenberg. Es geht dabei u. a. um die Unterschiede zwischen den Begriffen Konfliktlösung, Mediation, Gütestelle und Schlichtungsverfahren sowie um die Voraussetzungen, um in diesen Bereichen erfolgreich tätig sein zu können.
Zur Person & zum Unternehmen
Viktoria Hermann ist seit Anfang 2018 Rechtsanwältin bei Greenfort. Sie ist schwerpunktmäßig im Bereich Konfliktlösung sowie im Gesellschaftsrecht / M&A tätig und berät Mandanten in komplexen Verhandlungen sowie in Streitigkeiten aller Art.
Tobias Glienke ist seit 2012 als Rechtsanwalt bei Greenfort tätig und berät ebenfalls schwerpunktmäßig im Bereich Konfliktlösung sowie im Gesellschaftsrecht. Er ist Lehrbeauftragter der Goethe-Universität Frankfurt a.M. im Bereich der Schlüsselqualifikationen. Darüber hinaus ist Tobias Glienke seit 2016 Mediator und fungiert auch als Schlichter der staatlich anerkannten Gütestelle Greenfort.
Greenfort ist eine international beratende Wirtschaftskanzlei mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie wurde im Jahr 2005 gegründet und gilt als eines der ersten Spin-offs einer Großkanzlei.
Das Interview
Klingenberg: Frau Hermann und Herr Glienke, vielen Dank zunächst, dass Sie sich für dieses Interview bereit erklärt haben. Es soll um „Konfliktlösung“ und „Gütestellen“ gehen. Möchten Sie uns zum Einstieg kurz erläutern, was sich genau hinter diesen Begriffen verbirgt?
Rechtsanwalt Tobias Glienke: Unter dem Begriff Konfliktlösung versteht man die methodische Beilegung einer Streitsituation. Das kann durch Gerichtsverfahren, Schiedsverfahren, Schlichtung, Mediation, bilaterale Verhandlungen oder sonstige Konfliktlösungsmethoden geschehen.
Rechtsanwältin Viktoria Hermann: Eine Gütestelle ist eine staatlich anerkannte Institution zur außergerichtlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Die Gütestelle kann dabei „nur“ rechtlich nicht bindende Vorschläge für die Lösung eines zwischen den Parteien bestehenden Konflikts geben, dadurch aber oftmals den in vielerlei Hinsicht aufwendigen Gang zum Gericht ersparen. Eine Gütestelle bietet daher die Möglichkeit, Konflikte einvernehmlich und unkompliziert beizulegen, ohne gleich eine Klage einreichen zu müssen.
Klingenberg: Wo liegt hier der Unterschied zwischen Konfliktlösung und Mediation sowie zwischen Gütestelle und Schlichtungsverfahren?
Rechtsanwältin Viktoria Hermann: Diese Begriffe bezeichnen alle vollkommen verschiedene Dinge.
Konfliktlösung ist der Oberbegriff für sämtliche Methoden der Streitbeilegung bzw. -entscheidung.
Mediation und Schlichtung sind jeweils eigene Methoden der Konfliktlösung, bei denen ein neutraler, allparteilicher Dritter zur Kompromissfindung hinzugezogen wird. Während der Schlichter grundsätzlich einen unverbindlichen Vorschlag zur Lösung unterbreiten soll, hält sich der Mediator in der Regel mit eigenen Vorschlägen zurück. Stattdessen hilft er den Parteien dabei, selbst mögliche Lösungen zu erarbeiten.
Eine Gütestelle ist schließlich eine Institution, die vom Staat als solche anerkannt ist. Durch die Einleitung eines Güteverfahrens bei einer solchen staatlich anerkannten Gütestelle kann beispielsweise die Verjährung gehemmt werden. Welche Art von Konfliktlösung bei der Gütestelle durchgeführt wird, richtet sich nach deren Verfahrensordnung. Typischerweise versuchen Gütestellen durch Schlichtung eine Lösung des Konflikts zu erreichen.
Klingenberg: Widmen wir uns zunächst der Konfliktlösung: Welche Soft Skills sollte jemand mitbringen, der regelmäßig Konfliktlösung betreiben möchte? Welche Soft Skills sind hierfür vielleicht weniger relevant?
Rechtsanwalt Tobias Glienke: So unterschiedlich wie die Konfliktlösungsmethoden – von Gerichtsverfahren bis Mediation oder Schlichtung – ist auch das erforderliche Skillset. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass jeder in diesem Bereich Tätige in der Lage sein muss, die oft komplexen Probleme der Streitparteien nachzuvollziehen. Dazu bedarf es einer schnellen Auffassungsgabe sowie möglichst viel Menschenkenntnis und Empathie. Zudem sind gute Kommunikationsfähigkeiten essenziell, um zwischen den Parteien zu vermitteln oder die Gegenseite bzw. die (Schieds-)Richter von der eigenen Argumentation zu überzeugen.
Klingenberg: Was sind die typischen Strategien der Konfliktlösung und inwieweit sind sie erfolgversprechend?
Rechtsanwältin Viktoria Hermann: Es ist fast unmöglich Streitfälle nach einem bestimmten „Schema F“ abzuwickeln. Dafür sind die Situationen zumeist zu komplex und vielfältig. Es gibt aber verschiedene Ansätze. Der Konsens (die win-win-Lösung) zwischen den Parteien sollte immer das Ziel sein, ist aber in der Realität nur selten erreichbar. Dazu sind die Wünsche der Parteien in der Regel zu weit auseinander. Der Kompromiss beschreibt den Interessensausgleich, bei dem beide Parteien ihre Ziele teilweise durchsetzen können (die win-lose-win-lose-Lösung). Der Vorteil eines Kompromisses liegt auf der Hand: Keine der Seiten verliert oder gewinnt richtig, es gibt somit ein Gefühl von Gleichbehandlung. Beide Seiten haben das Gefühl eines Erfolges, auch wenn es nur ein Teilerfolg ist.
Um den jeweiligen Konflikt beizulegen, gibt es immer mehrere Möglichkeiten. Von bilateralen Verhandlungen über die Vermittlung durch einen neutralen Dritten bis zur Entscheidung durch Richter oder Schiedsrichter. Dabei ist es die Aufgabe eines guten Anwalts, seinen Mandanten in der Wahl der richtigen Methode zu beraten und sich der jeweiligen Situation anzupassen – von knallhart bis konziliant.
Klingenberg: Welche Fehler sollten unbedingt vermieden werden, um die Spannungen zwischen den Parteien nicht zu verschärfen?
Rechtsanwalt Tobias Glienke: Mein persönlicher Eindruck ist, dass es als Mediator oder als Schlichter am wichtigsten ist, den Streitparteien zu jeder Zeit das Gefühl zu geben, dass keine Seite bevorzugt wird. Falls sich eine Partei benachteiligt fühlt, sind weitere Schlichtungs- oder Vermittlungsversuche meist vergeblich und das Verfahren führt nicht zu einer Lösung des Konflikts. Macht man als Schlichter einen Lösungsvorschlag, sollte dieser ausgewogen und für beide Seiten nachvollziehbar sein. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass eine der Streitparteien den Vorschlag nicht annimmt.
Klingenberg: Eine Gütestelle dient, wie Sie bereits sagten, als Alternative zur gerichtlichen Streitbeilegung. Wo sind die Vorteile gegenüber einem Gerichtsverfahren? Gibt es auch Nachteile gegenüber einem Gerichtsverfahren?
Rechtsanwältin Viktoria Hermann: Die Konfliktbeilegung vor einer Gütestelle ist in der Regel deutlich günstiger als eine Klage bei Gericht. Anwalts- und Gerichtskosten übersteigen die Kosten der Gütestelle regelmäßig bei weitem. Die Kosten für die Gütestelle werden meist auch paritätisch geteilt, anders als vor Gericht, wo der Verlierer des Verfahrens die gesamten Kosten tragen muss. Ein Güteverfahren führt in der Regel auch zu deutlich schnelleren Resultaten, da sich Gerichtsverfahren über längere Zeit hinziehen können und normalerweise auch noch die Möglichkeit bieten, in Berufung zu gehen. Dann ist man schnell zwei Jahre oder länger beschäftigt. Allerdings sind Gerichtsurteile bindend, während der Schlichtungsvorschlag einer Gütestelle unverbindlich ist. Hier müssen die Parteien den Vorschlag aktiv annehmen oder eine andere Lösung finden, um einen rechtsverbindlichen Vergleich zu schließen. Das ist zugleich aber der größte Vorteil jeder außergerichtlichen Konfliktlösung – selbst gefundene Einigungen führen zu einem deutlich größeren Rechtsfrieden und mehr Zufriedenheit bei beiden Parteien. Streitige Gerichtsurteile, bei denen einer Sieger und einer Verlierer ist, versöhnen die Parteien dagegen in der Regel nicht.
So können schon länger bestehende Geschäftsverhältnisse nachhaltig geschädigt oder gar zerstört werden. Schließlich sind Güteverfahren im Gegensatz zu zivilrechtlichen Gerichtsverfahren auch nicht öffentlich.
Klingenberg: Greenfort ist eine staatlich anerkannte Gütestelle. Was hat Greenfort dazu bewogen, eine Gütestelle einzurichten, wenn diese doch mit Blick auf finanziellen Aspekten eher weniger lukrativ erscheint?
Rechtsanwalt Tobias Glienke: Aus finanzieller Sicht ist die Gütestelle sicherlich deutlich weniger lukrativ als die Tätigkeit als Anwalt. Wir helfen den Parteien aber nicht nur bei der Lösung ihrer Konflikte, indem wir sie anwaltlich beraten. Verschiedene unserer Anwälte sind auch als Schiedsrichter, Mediatoren und Schlichter tätig. Das ist Teil unseres Verständnisses von Beratung und Service für Mandanten aber auch für Kollegen, die sich unserer Hilfe bedienen können. Und ein guter Job als neutraler Schlichter führt oftmals dazu, dass man weiterempfohlen wird – oftmals auch als Anwalt. Deshalb war die Einrichtung einer staatlich anerkannten Gütestelle für uns nur logisch. Denn so können wir Vergleiche, die bei uns geschlossen werden, auch mit einer Vollstreckungsklausel versehen – sie wirken dann wie rechtskräftige Urteile, aus denen man im Notfall direkt vollstrecken kann. Außerdem kann man durch einen Güteantrag bei uns die Verjährung hemmen.
Klingenberg: Was sind die Voraussetzungen dafür, dass eine Gütestelle staatlich anerkannt wird?
Rechtsanwalt Tobias Glienke: Eine Gütestelle muss über eine Güteordnung verfügen, eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben und die organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung von Güteverfahren erfüllen. Der oder die von der Gütestelle eingesetzte/n Schlichter muss/müssen außerdem neutral und persönlich geeignet sein. All das prüft das zuständige Oberlandesgericht, bevor es die Gütestelle anerkennt.
Vielen Dank für das Interview.