Tipps und Tricks einer Rechtsanwältin zu den wichtigen Soft Skills

Nach einer achtjährigen Ausbildung bestehend aus Studium und Referendariat, durfte ich mich endlich „Volljuristin“ nennen. Gesetzestexte und entsprechende Lehrmaterialien zum Zivil-, Straf- und Öffentlichen Recht waren meine ständigen Begleiter, ob am Schreibtisch, im Zug oder auf dem Sofa. Dass ich diese Inhalte ausreichend beherrsche, wird durch meine beiden Staatsexamina belegt. Doch wie verhält es sich mit der sozialen Kompetenz im Umgang mit Mandanten? Diese muss ebenfalls gelernt sein und ist essenzielle Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit mit den Mandanten.

I. Soft Skills

Die soziale Kompetenz, auch Soft Skills genannt, ist „[…] ein Komplex von Fähigkeiten, die dazu dienen, in Kommunikations- und Interaktionssituationen entsprechend den Bedürfnissen der Beteiligten Realitätskontrolle zu übernehmen und effektiv zu handeln.“

(vgl. „Soziale Kompetenz“ in DORSCH Lexikon der Psychologie)

Soft Skills unterscheiden sich in methodische, soziale, persönliche und kommunikative Soft Skills. Anbei einige Beispiele für die verschiedenen Kategorien:

  • Methodische Soft Skills: Kreativität, Belastbarkeit, Sorgfältigkeit, unternehmerisches Denken
  • Soziale Soft Skills: Teamfähigkeit, Empathie, Menschenkenntnis, Konfliktlösungsfähigkeit
  • Persönliche Soft Skills: Engagement, Selbstständigkeit, Lernbereitschaft, Selbstreflektion
  • Kommunikative Soft Skills: aktives Zuhören, Überzeugungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen

Soft Skills können erlernt und trainiert werden.

JurCase informiert:
Das Studium bietet die ersten Möglichkeiten, verschiedene Soft Skills zu erlernen. Welche Optionen es genau gibt, wie einzelne Veranstaltungen konkret aufgebaut sind und vieles mehr findest du bei uns unter #Gewusst: Schlüsselqualifikationen.

II. Das Erlernen von Soft Skills

Es ist noch kein Jurist mit den oben genannten Soft Skills vom Himmel gefallen. Auch ich habe in meinen knapp drei Jahren Berufserfahrung vieles an Soft Skills dazu lernen können. Zu Beginn meiner Anwaltstätigkeit habe ich meinen Chef zu vielen Besprechungsterminen begleitet. In der Regel saß ich stillschweigend neben ihm und habe „Hallo“ und „Tschüss“ gesagt. In einem Termin fragte mich die Mandantin sodann, als mein Chef kurz den Raum verlassen musste, wer ich denn sei und ob ich auch als Rechtsanwältin in der Kanzlei arbeite. Diese Frage hat mich zum Nachdenken angeregt, denn ja ich sah mit meinen achtundzwanzig Jahren noch recht jung aus, aber wer sollte ich denn sonst sein, die Zahnfee?! Mithin habe ich verstärkt auf die „Soft Skills“ meines Chefs geachtet: Wie begrüßt er die Mandanten? Wie schnell erfolgt eine Rückmeldung? Wie „verhandelt“ er Verträge?

III. Der erste Eindruck ist entscheidend.

Eins wurde mir schnell klar: Der erste Eindruck zählt und hierzu leisten unsere nicht-anwaltlichen Kolleg*innen beste Arbeit, insbesondere sorgen sie dafür, dass sich der Mandant gut aufgehoben fühlt: Es herrscht stets ein höflicher Umgangston, Rückrufbitten werden notiert, Kaffee wird bei persönlichen Besprechungsterminen serviert etc.

Diesen positiven Eindruck haben wir Anwälte aufrechtzuerhalten oder gar zu stärken. Der Mandant muss das Gefühl bekommen, in einer Kanzlei gut aufgehoben zu sein. Bei einem ersten Anruf ist ein Mandant grundsätzlich innerhalb eines Tages zurückzurufen, es sei denn der Mandant wünscht eine spätere Kontaktaufnahme bzw. es wurde sofort ein persönlicher Besprechungstermin vereinbart.

Nun zu mir und meiner „Wesensveränderung“ im Rahmen von Besprechungsterminen: Ich stelle mich stets mit meinem vollen Namen vor und erwähne – zumindest, wenn ich einen Besprechungstermin gemeinsam mit einer Kollegin/ einem Kollegen wahrnehme –, dass ich Anwältin bin. Hierbei spielt auch die Körperhaltung eine entscheidende Rolle. Ich mache mich „groß“ und versuche selbstbewusst und kompetent aufzutreten und nicht wie ein kleines Mäuschen, dass sich hinter jemandem verstecken muss.

Im eigentlichen Besprechungstermin ist der Scheinwerfer sodann auf den Mandanten gerichtet, mithin sind insbesondere die Fähigkeiten des aktiven Zuhörens, des Einfühlungsvermögens und Empathie gefragt. Stellt Nachfragen! Zeigt Emotionen! Spielt mit der Mimik!

Jede rechtliche Fragestellung ist gleichwertig zu behandeln; dies gilt unabhängig davon, wie schwerwiegend oder „lächerlich“ man persönlich ein Anliegen bewertet. Wenn ein Mandant eine fünf Euro teure Blumenvase von jemandem verlangt, der diese ohne Recht besitzt, ist dies gleich zu gewichten wie eine zehn Millionen teure Unternehmenstransaktion. Denn weißt du, ob es nicht vielleicht ein Erbstück seiner verstorbenen Großmutter war oder ein Andenken an einen wundervollen Urlaub auf den Malediven? Der Mandant muss das Gefühl haben, dass sein Anliegen ernst genommen wird, man für ihn da ist und dass man gemeinsam mit ihm eine Lösung erarbeitet.

IV. Seid ein Team.

Wenn sich der Mandant nach dem Erstgespräch dazu entscheidet, die Kanzlei zu mandatieren, beginnt die eigentliche Arbeit. Diese Arbeit sollte zeitnah aufgenommen werden, um dem Mandanten weiterhin das Gefühl zu geben, dass er mit seinem Anliegen Gehör bei einem findet.  Im Übrigen ist es wichtig, den Mandanten „an die Hand zu nehmen“. Der Mandant ist unsere „Informationsquelle“, er ist über alle Vorgänge, die sein Anliegen betreffen, zu informieren. Ohne einen regen Austausch zwischen dem Anwalt und dem Mandanten ist die anwaltliche Arbeit zum Scheitern verurteilt!

Neben diesen „Standardanforderungen“ habe ich gelernt, dass es wichtig ist, den Menschen hinter seinem rechtlichen Anliegen kennenzulernen. Ich präferiere persönliche Gespräche anstelle eines ewigen Schriftverkehrs. Im Rahmen eines Telefonats frage ich stets, ob es dem Mandanten zeitlich passt und was in der Zwischenzeit, d.h. seit dem letzten Telefonat Relevantes passiert ist. Zu Zeiten der Corona-Pandemie oder beruflicher Veränderungen, erkundige ich mich gerne auch nach dem allgemeinen Wohlbefinden des Mandanten. Kurz gesagt: Der Aufbau einer „persönlichen Beziehung“ zwischen Anwalt und Mandant erleichtert nicht nur die Arbeit enorm, sondern ist auch für ein harmonisches Miteinander förderlich. Im Idealfall lernt man sich mit seinen Ecken und Kanten kennen, ist gemeinsam erzürnt über manch bürokratischen Aufwand, erfreut sich gemeinschaftlich über erfolgreich abgeschlossene Vertragsverhandlungen und trifft sich im Anschluss an das Mandant nochmals bei Infoveranstaltungen oder einfach auf einen Kaffee, um über Gott und die Welt zu sprechen. Mithin ist unser Anspruch von HFBP, der Wegbegleiter des Mandanten für viele, viele Jahre zu sein.

V. Vertragsverhandlungen: Good Cop – Bad Cop

Bei der Bearbeitung des Mandats ist die Rollenverteilung wichtig; kommunikative Soft Skills sind entscheidend. Der Anwalt ist derjenige, der sprachlich gewandt sein muss, die Vertragsverhandlungen führt und Durchsetzungsvermögen haben muss. Er hat auch mal die Rolle des „Bad Cops“ zu übernehmen, wenn dem Mandanten die Harmonie mit seinem Vertragspartner wichtig ist und dieser in der Position des „Good Cops“ bleiben möchte.

Das Erlernen gerade dieser Soft Skills braucht Zeit! Gerade als junge Frau ist ein selbstbewusstes, überzeugungsfähiges und kompetentes Auftreten aber unerlässlich, denn eine ü1,80m Statur in Verbindung mit einer tiefen Stimme und Bartwuchs wirkt für sich schon „imponierend“. Wir Frauen müssen dieses Auftreten bewusst mehr Erlernen und gezielter Anwenden als Männer. Trainiert eure Stimme, seid authentisch, aber seid kein Arschloch 😉. Denn eins habe ich schon gelernt: Freundlichkeit siegt!