In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Internationales Wirtschaftsrecht.
Allgemeines zum Internationalen Wirtschaftsrecht
Das internationale Wirtschaftsrecht betrifft im Zuge der stetig zunehmenden Globalisierung nicht nur die Rechtsbeziehungen der international am Wirtschaftsleben beteiligten Privatpersonen, sondern auch die von Staaten und internationalen Organisationen. Dementsprechend ist das internationale Wirtschaftsrecht wesentlich interdisziplinärer als das Nationale, da hier nicht nur nationale und völkerrechtliche, sondern auch privat- und öffentlich-rechtliche Rechtsnormen aufeinander treffen und zusammenwirken. Insoweit wird etwa auch das nationale Wirtschaftsrecht mit dem Verwaltungswirtschaftsrecht verknüpft und auf die internationale Ebene gehoben. Dabei wird terminologisch zwischen nationalem und europäischem Außenwirtschaftsrecht, Wirtschaftsvölkerrecht und transnationales Recht unterschieden:
Das nationale und europäische Außenwirtschaftsrecht umfasst all diejenigen Rechtsnormen, die den Import und Export sowie Investitionen von ausländischem Kapital betreffen. In der Europäischen Union [EU] wurde dafür speziell die Zollunion gegründet, wodurch EU-weit einheitliche Ein- und Ausfuhrbestimmungen geschaffen wurden. Sinn und Zweck ist es die Interessen der nationalen beziehungsweise europäischen Wirtschaft zu wahren, insbesondere durch Ordnung, Gerechtigkeit, Steuerung und Befriedung sowie Harmonisierung durch Senkung der Transaktionskosten und durch Gewährleistung von Mindeststandards (zum Beispiel Lohn und Qualität) sowie Liberalisierung.
Das Wirtschaftsvölkerrecht umfasst demgegenüber all diejenigen völkerrechtlichen Verträge, die die Wirtschaftsbeziehungen der Ländern regeln, wobei hierbei gerade keine Beschränkung auf den Geltungsbereich der Europäischen Union besteht. Es wird zwischen bilateralen und multilateralen Verträgen unterschieden. Während bilaterale Verträge von zwei Parteien, seien es zwei Staaten oder auch zwei Staatenbunde, unterschrieben werden, umfassen multilaterale Verträge mindestens drei Parteien. Bekannte bilaterale Freihandelsabkommen sind etwa TTIP und CETA. Die Welthandelsorganisation [WTO] sowie die Europäische Union sind indes bekannte Beispiele für multilaterale Abkommen.
Bei dem transnationale Recht handelt es sich demgegenüber um die privatrechtlichen Ausgestaltungen, also um die grenzüberschreitenden Beziehungen zwischen Unternehmen. In solchen Fällen dürfen die Unternehmen frei wählen, auf welcher rechtlichen Grundlage die jeweilige Geschäftsbeziehung basieren soll, mithin ob beispielsweise deutsches oder italienisches Recht gelten soll. Die Anwendung des internationalen Schiedsverfahrens fällt ebenso unter das transnationale Recht. Diese Schiedsgerichtsverfahren dienen der Beilegung von Konflikten, wenn etwa eine Partei einen transnationalen Vertrag bricht, aber auch wenn ein Staat gegen ein Abkommen aus dem Wirtschaftsvölkerrecht verstößt.
Das nationale Außenwirtschaftsrecht findet seine gesetzlichen Grundlagen maßgeblich im Außenwirtschaftsgesetz [AWG] und in der Außenwirtschaftsverordnung [AWV]; die des Außenwirtschaftsrechts der EU hingegen aus den Artikeln 206 und 207 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV] sowie aus den darauf basierenden zahlreichen Verordnungen.
Gesetzliche Grundlagen im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsvölkerrecht ergeben zunächst aus den wirtschaftlichen Zusammenschlüssen wie der EU oder aus anderweitigen Freihandelsabkommen (etwa TTIP, CETA, EFTA, NAFTA, APEC, Mercosur oder Andenpakt); ferner aus den verschiedenen WTO-Verträgen [etwa GATT] sowie den diversen Rohstoffabkommen.
Die gesetzlichen Grundlagen des transnationalen Rechts ergeben sich demgegenüber – neben den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen des Handels- und Gesellschaftsrecht – insbesondere aus dem internationalen Kaufrecht, aus dem internationalen Privatrecht [IPR] und aus dem internationalen Prozessrecht sowie aus den internationalen Handelsbräuchen und Handelssitten.
Welche Karrieremöglichkeiten im Internationalen Wirtschaftsrecht habe ich?
Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im internationalen Wirtschaftsrecht sind mannigfaltig. Zunächst besteht auch hier die Möglichkeit eine Karriere im Staatsdienst als Richter:in an einem Zivilgericht, und zwar an der Kammer für Handelssachen, zu bestreiten. Als Alternative dazu sucht auch das Bundeskartellamt in Bonn häufig Jurist:innen mit einer Expertise im (internationalen) Wirtschaftsrecht. Das Bundeskartellamt ist als selbstständige Bundesoberbehörde, die dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie angehört, mit der Aufgabe der Sicherung des Wettbewerbs betraut, etwa durch Kartellbekämpfung, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht. Dabei arbeitet das Bundeskartellamt auch eng mit der Europäischen Kommission, den Landeskartellbehörden und ausländischen Kartellbehörden zusammen. Wer sich hingegen gezielt mit dem nationalen Außenwirtschaftsrecht befassen möchte, sollte eine Karriere beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle [BAFA] in Eschborn (bei Frankfurt am Main) anstreben. Die Regulierung des europäischen Außenwirtschaftsrechts wird hingegen von der Europäischen Kommission durchgesetzt.
Ein im internationalen Wirtschaftsrecht versierter Volljurist kann sich selbstverständlich aber auch als (Einzel-)Anwält:in selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique, mittelständischen Kanzlei oder Großkanzlei finden – und zwar bundesweit; eine Hochburg besteht hier nicht. Eine Vielzahl von Kanzleien haben sich jedoch auf das internationale Wirtschaftsrecht spezialisiert.
Wer jedoch nicht klassisch-juristisch tätig werden möchte, kann als Syndikusanwält:in in einem Unternehmen oder einem Wirtschaftsverband tätig werden. Diese suchen für ihre Rechtsabteilungen bevorzugt Jurist:innen mit guten Kenntnissen im internationalen Wirtschaftsrecht (sowie im Wirtschaftsprivatrecht), etwa für Vertragsgestaltungen oder allgemeine Rechtsfragen. In einigen Unternehmen ist eine (erfolgreich) abgelegte Zweite Juristische Prüfung noch nicht einmal zwingende Voraussetzung, da Unternehmen ohnehin gerne gerichtliche Verfahren vermeiden. Darüber hinaus können Jurist:innen auch ohne Weiteres im Management tätig werden, da insbesondere deren Problembewusstsein in den höheren Unternehmensetagen sehr geschätzt wird.
Entsprechendes gilt für diejenigen, die eine Karriere aus Überzeugung anstreben und deshalb in einer Nichtregierungsorganisation (NGO), wie etwa Amnesty International, tätig werden möchten.
Schließlich besteht aber auch hier die Karrieremöglichkeit, sich von dem jeweils zuständigen Insolvenzrichter zum Insolvenzverwalter bestellen zu lassen.
Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?
Das internationale Wirtschaftsrecht spielt in der universitären Ausbildung in aller Regel kaum eine Rolle, da es sich im Wesentlichen nicht um Pflichtstoff handelt. Ähnlich verhält es sich beim juristischen Vorbereitungsdienst, zumindest wenn Anwaltsstation und Wahlstation nicht bei einschlägigen Kanzleien absolviert wurden. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse im internationalen Wirtschaftsrecht selbst anzueignen, etwa durch einen entsprechenden Schwerpunkt an der Universität oder entsprechenden (freiwilligen) Lehrgängen während des juristischen Vorbereitungsdienstes.
Wer in einem Unternehmen im Management tätig werden möchte, sollte vor allem dann auch profunde Kenntnisse in BWL, VWL und Ökonomie vorweisen können.
In allen Fällen ist es erforderlich, zumindest in der englischen Sprache verhandlungssicher zu sein.
Schließlich sind auch Promotion und / oder LL.M. insbesondere in der freien Wirtschaft sehr gerne gesehen.
Kann ich im Rechtsgebiet Internationales Wirtschaftsrecht Fachanwalt werden?
§ 14n der Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Internationales Wirtschaftsrecht“. Danach werden besondere Kenntnisse in den folgenden Bereichen verlangt:
- Kollisionsrecht (IPR) der vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnisse;
- Internationales Zivilprozess-und Schiedsverfahrensrecht;
- International vereinheitlichtes Handelsrecht;
- International vereinheitlichtes Gesellschaftsrecht;
- Europäisches Beihilfen-und Wettbewerbsrecht;
- Grundzüge der Regelungen zur Korruptions-, Betrugs- und Geldwäschebekämpfung im internationalen Rechtsverkehr;
- Grundzüge im internationalen Steuerrecht;
- Grundzüge der Rechtsvergleichung.