In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Insolvenzrecht.
Allgemeines zum Insolvenzrecht
Das Insolvenzrecht regelt die Rechtsbeziehungen eines Schuldners gegenüber seiner Gläubiger im Falle seiner (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Schuldner (Debitor) kann gleichermaßen eine Privatperson (Privatinsolvenz) als auch ein Unternehmen sein. Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ist es zunächst, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners wiederherzustellen; alternativ und als ultima ratio ist die insolvente Situation abzuwickeln. Dies geschieht durch Verwertung des gesamten Vermögens zur gemeinschaftlichen (anteiligen) Befriedigung aller Gläubiger. Hierin liegt auch der wesentliche Unterschied zur Zwangsvollstreckung.
Bei der Privatinsolvenz folgt im Sinne der ratio auf das sogenannte Verbraucherinsolvenzverfahren – zumindest bei Redlichkeit der Schuldnerin bzw. des Schuldners – die sogenannte Restschuldbefreiung als Abwicklungsmöglichkeit. Die Möglichkeiten der Abwicklung bei insolventen Unternehmen sind hingegen zweierlei: Zunächst besteht hier die Möglichkeit der Liquidation durch Unternehmensauflösung. Daneben kann aber auch eine Sanierung stattfinden. Diese ist ihrerseits ebenso in zwei Varianten möglich. Zunächst kann sie im Wege eines Insolvenzplans stattfinden. Dies führt nicht nur zum Erhalt des Unternehmens, sondern auch der Unternehmensträgerin bzw. des -trägers. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt hierbei durch (reduzierte) Ansprüche gegen die bzw. den Debitor:in als Unternehmensträger:in.
Bei der zweiten Variante handelt es sich um die sogenannte übertragene Sanierung, die zwar auch zum Erhalt des Unternehmens führt, jedoch zur Liquidation der Debitorin bzw. des Debitors als Unternehmensträger:in. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt hierbei durch eine mittelbare Ausschüttung des Kaufpreises anhand einer Insolvenzquote. Das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht darf insoweit aber gerade nicht mit dem aus dem Wirtschaftsprivatrecht bekannten Mergers and Acquisitions [M&A] gleichgesetzt werden, denn dabei handelt es sich entweder um eine von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung losgelösten Fusion beziehungsweise Verschmelzung zweier Unternehmen zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit (Merger) oder um einen Erwerb von Unternehmenseinheiten oder eines ganzen Unternehmens (Acquisition). Die damit verbundenen Umstrukturierungen dienen also gerade nicht der Bewältigung einer Unternehmenskrise oder zumindest einer Verbesserung der organisatorischen, betriebswirtschaftlichen oder Marktbedingungen eines Unternehmens. Vielmehr geht es bei M&A um eine gezielte Erweiterung des eigenen Unternehmens.
Die gesetzlichen Grundlagen zum Insolvenzrecht finden sich insbesondere in der Insolvenzordnung [InsO] und in ihrem Einführungsgesetz [EGInsO] sowie in der einschlägigen EU-Verordnung [EuInsVO 2015]. Ferner lassen sich in den §§ 1975 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB] einige Regelungen zur sogenannten Nachlassinsolvenz finden. Darüber hinaus findet auch das Anfechtungsgesetz [AnfG] im Insolvenzrecht Anwendung. Ergänzend zu den insolvenzrechtlichen Regelungen sind, je nach Verfahrensgegenstand beziehungsweise Beteiligten, die jeweils einschlägigen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB], des Handelsgesetzbuch [HGB] oder der gesellschaftsrechtlichen Gesetzbücher (insbesondere GmbHG, AktG, PartGG und GenG) heranzuziehen.
Welche Karrieremöglichkeiten im Insolvenzrecht habe ich?
Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Insolvenzrecht sind mannigfaltig. Im Rahmen der klassischen juristischen Berufe besteht zunächst die Möglichkeit, im Staatsdienst eine Karriere als Richter:in an einem Zivilgericht zu bestreiten. Als Alternative dazu kann sich ein:e insolvenzrechtlich versierte:r Volljurist:in als (Einzel-)Anwält:in selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique, mittelständischen Kanzlei oder Großkanzlei finden. Eine Vielzahl von Kanzleien haben sich auch entsprechend spezialisiert – und zwar bundesweit; eine Hochburg besteht für das Insolvenzrecht nicht.
Jurist:innen mit einer insolvenzrechtlichen Expertise sind ferner dafür prädestiniert, sich von der bzw. dem jeweils zuständigen Insolvenzrichter:in zur bzw. zum Insolvenzverwalter:in bestellen zu lassen. Soweit es sich nicht um eine Insolvenz in Eigenverwaltung handelt, verwaltet dieser nämlich maßgeblich die Insolvenzmasse (also das pfändbare Schuldnervermögen) und wandelt den vorhandenen Wert in Geld um, um den Erlös auf die Gläubiger aufteilen zu können.
Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?
Das Insolvenzrecht ist Bestandteil der universitären Ausbildung, denn es gehört zumindest in seinen Grundzügen zum Pflichtstoff. Im juristischen Vorbereitungsdienst spielt das Insolvenzrecht indes in aller Regel gar keine Rolle, zumindest wenn die Anwaltsstation und die Wahlstation nicht in einschlägigen Kanzleien absolviert wurden. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse selbst anzueignen, etwa durch einen entsprechenden Schwerpunkt an der Universität oder entsprechenden (freiwilligen) Lehrgängen während des juristischen Vorbereitungsdienstes.
Ferner bedarf es selbstverständlich guter Kenntnisse im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im einschlägigen Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Strafrecht. Darüber hinaus sind profunde Kenntnisse in BWL, VWL und Ökonomie in aller Regel notwendig.
Wer (zusätzlich) mit Auslandsbezug tätig werden möchte, also im internationalen Insolvenzrecht, sollte jedenfalls zumindest in der englischen Sprache verhandlungssicher sein.
Schließlich sind auch Promotion und / oder LL.M. gerne gesehen.
Kann ich im Rechtsgebiet Insolvenzrecht Fachanwalt werden?
§ 14 der Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Insolvenzrecht“. Danach werden zunächst besondere Kenntnisse im materiellen Insolvenzrecht verlangt, und dabei insbesondere:
- Insolvenzgründe und Wirkungen des Insolvenzantrags;
- Wirkungen der Verfahrenseröffnung;
- Amt der bzw. des (vorläufigen) Insolvenzverwalterin bzw. -verwalters;
- Sicherung und Verwaltung der Masse;
- Aussonderung, Absonderung und Aufrechnung im Insolvenzverfahren;
- Abwicklung der Vertragsverhältnisse;
- Insolvenzgläubiger;
- Insolvenzanfechtung;
- Gesellschaftsrecht in der Insolvenz;
- Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht in der Insolvenz;
- Insolvenzstrafrecht;
- Grundzüge des internationalen Insolvenzrechts.
Daneben bedarf es besonderer Kenntnisse im Insolvenzverfahrensrecht, und dabei insbesondere im
- Insolvenzeröffnungsverfahren,
- Regelverfahren,
- Planverfahren,
- Restschuldbefreiungsverfahren sowie in der
- Verbraucherinsolvenz und den
- Sonderinsolvenzen.
Darüber hinaus bedarf es Kenntnisse um die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, das heißt insbesondere in der Buchführung, Bilanzierung und Bilanzanalyse, in der Rechnungslegung in der Insolvenz sowie rund um betriebswirtschaftliche Fragen des Insolvenzplans, der Sanierung, der übertragenden Sanierung und der Liquidation.