Eine Chance für junge Jurist:innen
Im Grunde genommen kann man keine Tageszeitung aufschlagen, ohne mit bank- und kapitalmarktrechtlichen Fragestellungen konfrontiert zu werden. Ob es die Zinspolitik der europäischen Zentralbank, der Dieselskandal, der Ausgang einer Bundestagswahl oder Schlagzeilen um große Finanzdienstleister und deren Wirtschaftsprüfer sind. All diesen Sachverhalten liegen bank- und kapitalmarktrechtliche Fragestellungen zugrunde. Es sind aber bei weitem nicht nur die großen Schlagzeilen, die uns die Relevanz des Bank- und Kapitalmarktrechts vor Augen führen. Auch die Gebühr, die ein jeder für die Kontoführung bei seiner Hausbank zahlen muss, fußt in dem Ressort des Banken- und Kapitalmarktwesens und hat es jüngst sogar bis zum Bundesgerichtshof geschafft (BGH Urteil vom 27.04.2021 – Az. XI ZR 26/20).
Auch beim Autokauf kann man mit dem Bank- und Kapitalmarktrecht in Berührung kommen. So entschied der europäische Gerichtshof, dass zahlreiche Darlehensverträge von Banken der großen Automobilhersteller auch nach Jahren noch widerruflich sind, weil gesetzlich vorgesehene Angaben fehlen. (EUGH Urteil C-33/20, C-155/20 und C-187/20).
Als Fachanwältin bzw. -anwalt für ebendieses Rechtsgebiet muss man daher einiges an Wissen vorweisen. Ein Auszug davon kann man in § 14 Abs. 1 der Fachanwaltsordnung erahnen. Das Anforderungsprofil an den Bank- und Kapitalmarktrechtler wirkt enorm. Davon sollten sich junge Jurist:innen jedoch keineswegs abschrecken lassen. Zwar handelt es sich zweifelsohne um eines der schwierigsten Rechtsgebiete überhaupt. Allerdings wartet das Rechtsgebiet dafür auch mit einigen besonders interessanten Vorteilen.
Das Bank- und Kapitalmarktrecht – besonders interessant für junge Jurist:innen
Das Bank- und Kapitalmarktrecht ist gerade für junge Jurist:innen interessant. Während sich das Bankrecht maßgeblich mit traditionellen Rechtsdogmen aus dem BGB beschäftigt, ist das Kapitalmarktrecht brandaktuell und ständig im Wandel. Laufend werden Bank- und Kapitalmarktrechtler vor neuartige Probleme gestellt, die es zu lösen gilt. Dies hängt auch mit der enormen Innovationsfreudigkeit zusammen, die auf den Märkten herrscht. Ständig werden neue Märkte gesucht und erschlossen. Finanzdienstleister sind dabei fortwährend auf der Suche nach den besten Marktbedingungen.
Das bietet jungen Jurist:innen die Chance, simultan bereits erlerntes Wissen anzuwenden und neues Wissen zu erlernen. Die Probleme im Bankrecht fußen in den meisten Fällen im traditionellen Zivilrecht, dessen Anwendung einem jungen Jurist:innen geläufig ist. Das stärkt das Selbstvertrauen in der noch jungen Karriere.
Außerdem ist das Bank- und Kapitalmarktrecht insofern interessant, als dass es privatrechtlicher Natur sowie öffentlich-rechtlicher Natur ist. Für Jurist:innen, die eine Affinität für diese Rechtsgebiete haben, ist das Bank- und Kapitalmarktrecht genau das Richtige.
In jüngster Zeit kommen im Bereich des öffentlichen Rechts auch gehäuft strafrechtliche Vorschriften zum Kapitalmarktrecht hinzu. Dies macht das Bank- und Kapitalmarktrecht zu einem der facettenreichsten Rechtsgebiete überhaupt. Dadurch wird das ohnehin anspruchsvolle Rechtsgebiet interessant und gleichsam schwer beherrschbar. Der Rechtsanwender muss zahlreiche nationale Vorschriften bedienen und gleichzeitig auch die Entwicklungen in der europäischen Union beachten, die längst die umfangreichsten Rechtsquellen auf diesem Gebiet stellt.
Aufgrund der Schnelllebigkeit dieses Rechtsgebiets ist natürlich auch die Regulierungsdichte besonders hoch. Die bzw. der praktizierende Anwält:in muss sich ständig an neue Vorschriften gewöhnen. Die Vielseitigkeit und Schnelllebigkeit können der Anwältin bzw. dem Anwalt aber auch enorme Vorteile bringen. Es ist für die bzw. den Anwält:in beispielsweise möglich Nischen zu bedienen. Dies bringt ihr bzw. ihm eine gewisse Exklusivität. Hinzu kommt außerdem, dass die Universitäten das Bank- und Kapitalmarktrecht nur spärlich behandeln und deshalb der Konkurrenzdruck nicht besonders hoch ist.
Es ist also möglich sich früh und schnell zu spezialisieren und sich einen überregionalen Ruf zu erarbeiten.
Eine spezielle Mandantenstruktur erfordert spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten
So vielseitig wie das Rechtsgebiet selbst, ist auch die Mandantenstruktur. Von der bzw. dem Kleinanleger:in, dessen Zinssatz fehlerhaft gewählt oder berechnet wurde, bis zum international tätigen Großkonzern kann alles dabei sein. Die bzw. der Jurist:in muss sich also besonders auf ihre bzw. seine Mandant:innen einstellen.
Die Mandant:innen eines Bank- und Kapitalmarktrechtlers sind dabei meistens vorgebildete Entscheidungsträger:innen oder andere Führungspersönlichkeiten auf höchster Ebene. Oft sind es auch Jurist:innen, die der bzw. dem Anwält:in auf Augenhöhe begegnen und kein Wissensdefizit mitbringen, wie es bei Mandant:innen in anderen Rechtsgebieten in der Regel der Fall ist.
Ein professioneller Umgang mit Verhandlungsgeschick und Fingerspitzengefühl, aber auch ein selbstbewusster Auftritt gegenüber der Mandantin bzw. dem Mandanten, ist daher unerlässlich. Die Mandantengewinnung ist daher nicht ganz einfach und erfordert neben einer starken Persönlichkeit auch wirtschaftliches- und unternehmerisches Wissen. Da Geldströme, wie wir alle wissen, vor Landesgrenzen nicht halt machen und die Akteure auf den Bank- und Kapitalmärkten auf der ganzen Welt verstreut agieren, muss die bzw. der Anwält:in sich insbesondere auf eine internationale und international tätige Mandantschaft einrichten. Sprachkenntnisse und Wissen um kulturelle Besonderheiten sind nicht minder wichtig.
Vielschichtige und lukrative Aufgaben im Bank- und Kapitalmarktrecht
Die Arbeit auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts bringt es mit sich, dass man sich unter anderem mit dem Börsenrecht, dem Kapitalanlagerecht und dem Vermögensanlagerecht beschäftigen muss.
Das bringt Trittsicherheit auch für private Investitionen und Anlageprojekte, wodurch der bzw. dem Anwält:in absolute Vorteile erwachsen können. Das rechtliche Knowhow rund um eine Finanzanlage ist bei der Anlageentscheidung immer zu beachten.
Dabei handelt es sich auch um ein lukratives Rechtsgebiet. Die Streitwerte auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts sind oft sehr hoch. Zudem lohnen sich wegen des großen Beratungsaufwands Stundensätze. Dem steht natürlich ein ebenso großes Haftungsrisiko gegenüber. Oftmals geht es um diffizile Unternehmensvorgänge, die entschlüsselt und bewertet werden müssen. Dabei können der bzw. dem Anwält:in leicht Fehler unterlaufen.
Fazit
Letztlich handelt es sich bei diesem Rechtsgebiet nach Auffassung des Verfassers um eines der zukunftsträchtigen Rechtsgebiete überhaupt. Es wird künftig Anwält:innen brauchen, die die Rechte von Verbraucher:innen, beispielsweise bei der Anpassung von Zinsen stärken. Auf der anderen Seite muss es Jurist:innen geben, die es möglich machen neue Märkte zu erschaffen und ihnen ein tragfähiges rechtliches Korsett verleihen, damit Millionen Menschen Geld in diese Märkte investieren können.
Die Dynamik dieses Rechtsgebiets ist täglich zu bewundern. Neue Anlageprodukte oder Investmentchancen werden ständig propagiert. Viele sind bekannt und noch viele mehr sind uns ungeläufig.
Der Kapitalmarkt entwickelt sich rasant und es fällt oft schwer, mit den Entwicklungen mitzuhalten. Dies ändert sich, sofern man tagtäglich mit der Rechtsmaterie zu tun hat.
Das Rechtsgebiet Bank- und Kapitalmarktrecht bietet dem Jungjurist:innen daher viele Gelegenheiten und verdient deshalb besondere Beachtung.
– Dr. Johannes Rein, Rechtsanwalt bei HFBP am Standort Giessen