In diesem Beitrag soll es unter Zugrundelegung des Urteils des BGH vom 27. November 2019 (VIII ZR 285/18) um das Thema Legal Tech gehen und welchen Einfluss das Urteil des BGH auf die Zukunft der Rechtsanwaltschaft haben wird.

Dafür soll zunächst einmal der Begriff des Legal Tech kurz erläutert und die Arbeitsweise der sogenannten Inkassodienstleister in den Blick genommen werden.

Legal Tech

Unter dem Begriff Legal Tech wird sich der wenig technikaffine Leser nicht viel vorstellen können. So kann es auch heute noch durchaus passieren, dass einen die etwas älteren Kollegen in der Anwaltschaft immer noch verdutzt angucken, wenn man sie nach ihrer Meinung zu den immer populärer werdenden Legal Tech-Unternehmen fragt.

Ich persönlich kam zum ersten Mal mit dem Begriff in Berührung, als ich während meines Studiums ein kommerzielles Repetitorium besuchte. Mein damaliger Dozent im Strafrecht gehört heute zu den Mitbegründern einer der größten Legal Tech-Unternehmen Deutschlands. Dieses ist bekannt dafür, in einem automatisierten Verfahren Hartz IV-Bescheide kostenlos zu prüfen und etwaige Rechtsfehler aufzuspüren. Dahinter verbergen sich überwiegend juristisch geschulte Mitarbeiter oder Rechtsanwälte.

Der Vorteil derartiger Unternehmen liegt darin, dass sie einfach gelagerte Fälle in hochautomatisierten Verfahren abarbeiten können und der Kunde in der Regel kein Kostenrisiko trägt, da bei einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren die Notwendigkeit der Rechtsverfolgungskosten festgestellt und die Rechtsanwälte von der Staatskasse bezahlt werden. Das aktive Werben für eine kostenlose Erstberatung dürfte seit dem Urteil des BGH aus dem Jahr 2015 unproblematisch sein. Zudem profitieren die Unternehmen von der Scheu vieler Verbraucher, da diese in der Regel auf die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche verzichten, weil das Kosten-Nutzen-Risiko gerade bei kleineren Streitwerten zu hoch ist.

Rechtlich gesehen sind Legal Tech-Unternehmen also in der Regel nichts anderes als sogenannte Rechtsdienstleister für Inkassodienstleistungen. Geregelt ist dies in § 10 Rechtsdienstleistungsgesetz.

Mittlerweile tummeln sich viele solcher Unternehmen auf dem Rechtsmarkt. Dabei ist zu beobachten, dass diese sich in der Regel auf einfaches Verbraucherrecht spezialisieren. So gibt es etwa Unternehmen, die ausschließlich Fälle aus dem Reiserecht betreuen (etwa die Eintreibung von Entschädigungsleistungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung) oder etwa die Durchsetzung von Ansprüchen im Dieselskandal.

Urteil des BGH

Im Fall, der dem BGH vorlag, betreibt die Klägerin ein Portal und ist als Rechtsdienstleisterin für Inkassodienstleistungen nach § 10 Rechtsdienstleistungsgesetz registriert. Sie betreibt dort einen kostenlosen Mietpreisrechner und bietet Mietern an, ihre Rechte im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse durchzusetzen. Die Vorinstanz ordnete die Tätigkeit als unzulässigen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz ein. Der BGH entschied, dass der Begriff der Inkassodienstleistungen weit auszulegen ist und dass sämtliche Tätigkeiten der Klägerin (Mietpreisrechner, Erhebung der Rüge, Feststellungsbegehren) noch in einem engen Zusammenhang mit der eigentlichen Inkassotätigkeit stehen würde. Klarzustellen ist, dass der BGH hier nur in einem Einzelfall entschieden hat und die Entscheidung keineswegs auf alle Legal Tech-Unternehmen übertragbar ist. Die Grenze zwischen einer nur Rechtsanwälten vorbehaltenen Rechtsdienstleistung und einer Inkassodienstleistungen dürften daher fließend sein.

Auswirkungen auf die Rechtsanwaltschaft

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass Legal Tech-Unternehmen den Rechtsmarkt auch in Zukunft erheblich beeinflussen werden. Gerade mit Blick auf die Zielgruppe der Legal Tech-Unternehmen ist nämlich zu sagen, dass wohl ein erheblicher Teil der Verbraucher durch die Einfachheit und Schnelligkeit des Internets häufig bei Verbraucherrechtsfragen auf die Dienste von Legal Tech-Unternehmen zugreifen werden, was die Konkurrenz zwischen der Rechtsanwaltschaft und Legal Tech Unternehmen deutlich erhöhen dürfte.

Dies ist jedoch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken oder etwa auf Legal Tech-Unternehmen zu schimpfen. Denn auch wenn diese Unternehmen mit Blick auf automatisierte Verfahren auf maximale Gewinnorientierung ausgerichtet sind, so fehlt es doch an einem entscheidenden Merkmal: Einem persönlichen Ansprechpartner. Meiner Erfahrung nach ist es häufig so, dass bestimmte Mandate auch immer noch großen Wert darauf legen einen Rechtsanwalt als persönlichen Ansprechpartner zu haben, den Sie direkt kontaktieren können, um etwa unklare Fragen zu klären. Der persönliche Bezug kann immer noch ausschlaggebend für die Mandatierung sein.

Daneben kann der Erfolg dieser Unternehmen durchaus ein Reiz für die Kollegen sein, mehr Zeit und finanzielle Mittel in die Ausgestaltung ihrer Internetpräsenz zu investieren oder ihre Kanzlei entsprechend der Digitalisierung anzupassen.

Fazit

Legal Tech-Unternehmen werden auch in Zukunft noch den Rechtsmarkt erheblich prägen. Neben vielen neuen Chancen, die zum Teil auch dem Verbraucher zugutekommen können, werden wohl auch attraktive und neue Arbeitsplätze für Juristen geschaffen. Die immer weiter fortschreitende Digitalisierung (elektronische Aktenführung und elektronisches Anwalts-Postfach) dürfte daher auch in Zukunft Hand in Hand mit Legal Techs gehen. Auch wenn der ein oder andere Kollege die Angebote der Legal Tech-Unternehmen kritisch beäugt, kann wohl nicht geleugnet werden, dass diese sich bereits einen festen Platz im Rechtsdienstleistungssektor ergattert haben.