Einblicke in die Arbeit in der Anwaltsstation, Work-Life-Balance und Tipps für deinen erfolgreichen Referendariatsbeginn

Referendarin Yadel Ulusoy beantwortet in diesem Interview, welches im November 2021 stattgefunden hat, die von unserem Redaktionsleiter Sebastian Klingenberg gestellten Fragen rund um den juristischen Vorbereitungsdienst mit Fokus auf ihre Anwaltsstation bei HFBP. Wie zufrieden ist sie, auch im Hinblick auf die Coronasituation? Welche Tipps hat sie für künftige Referendare? Zur Person

Ich heiße Yadel Ulusoy, bin 29 Jahre alt und habe an der JLU Gießen studiert. Ich befinde mich derzeit im Referendariat am LG Frankfurt am Main. Im Rahmen meiner Anwaltsstation, die im Januar 2021 begann, kam ich zu HFBP. Meine Wahlstation werde ich auch dort absolvieren.

Das Interview

Klingenberg: Frau Ulusoy, vielen Dank zunächst für das Interview. Es soll um Ihre Erfahrungen aus der Anwaltsstation gehen. Deshalb zunächst zum Einstieg: Der juristische Vorbereitungsdienst schafft die Möglichkeit das an der Universität erlernte Wissen ins Praktische umzusetzen. Sind Sie soweit zufrieden mit Ihrem Referendariat? Inwieweit wurden Ihre Erwartungen erfüllt, inwieweit weicht die Realität von der Vorstellung ab?

Yadel Ulusoy: Mein Referendariat begann im Januar 2020. Kurze Zeit später, im März und damit nur zwei Monate nach Beginn des juristischen Vorbereitungsdienstes, kam der erste Lockdown. Mein Referendariat verlief also anders als üblich und damit meines Erachtens unter etwas erschwerten Bedingungen, da ich coronabedingt an vielen Terminen nicht teilnehmen konnte (z.B. Polizeifahrten, keine eigenständige Durchführung einer Beweisaufnahme). Coronabedingt gab es dadurch sowohl zum Teil Einschränkungen in der Einzelausbildung als auch in den AGs. Dennoch haben mir meine Einzelausbilder*innen die unter diesen Umständen bestmögliche Einzelausbildung gewährleistet und ich habe sehr viel mitnehmen können.

Klingenberg: Sie befinden sich nun aktuell also in der Anwaltsstation. Worauf sollten Referendare bei der Wahl der Einzelausbilder achten? Was meinen Sie in diesem Zusammenhang, ist es ratsamer einen Einzelausbilder zu finden, der einem die anwaltliche Praxis näherbringt oder eher jemanden, der eine examensbezogene Ausbildung bietet. Wo sehen Sie jeweils die Vor- und Nachteile?

Yadel Ulusoy: Ich denke, dass es wichtig ist, einen guten Mittelweg zu finden. Einerseits ist es unabdingbar, die tatsächliche anwaltliche Praxis kennenzulernen, um auch für sich persönlich herauszufinden, ob man nach Abschluss des Zweiten Examens auch als Anwalt arbeiten möchte. Andererseits ist es aber auch wichtig, dass man examensrelevante(re) Fälle bearbeitet, sofern dies natürlich je nach Schwerpunkt der Kanzlei möglich ist. Das vor allem unter dem Gesichtspunkt das neu erlernte Wissen in die praktische Arbeit umsetzen zu können. Allerdings ist es in diesem Zusammenhang auch wichtig, genügend „freie Zeit“ zu haben, um für das Zweite Examen zu lernen.

Klingenberg: Sie haben sich für HFBP Rechtsanwälte und Notar als Ausbilderkanzlei entschieden. Wie lief Ihr Einstieg in die Kanzlei?

Yadel Ulusoy: Am ersten Tag in der Kanzlei, nachdem die nötigen Formalia erledigt wurden, hat mich meine Einzelausbilderin allen Kolleginnen und Kollegen im Haus vorgestellt. Ich wurde sehr freundlich und herzlich aufgenommen. Nach der Vorstellungsrunde im Haus wurde mir mein Büro gezeigt, das ich an den beiden Tagen vor Ort zur alleinigen Verfügung hatte. An zwei anderen Tagen der Woche saß dort noch eine andere Referendarin des Hauses, die ich im Laufe der Station auch kennenlernen konnte. Zu Beginn wurden mir mehrere kleine Aufträge erteilt. Unter anderem musste ich einen Aktenvermerk über den bisherigen Akteninhalt der mir überlassenen Akten erstellen und zu verschiedenen rechtlichen Fragestellungen recherchieren.

Klingenberg: Was sind dort mittlerweile Ihre Aufgaben und wie sieht Ihr Arbeitstag genau aus? [Anmerkung d. Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews befindet sie sich noch in der Anwaltsstation]

Yadel Ulusoy: Ich war zwei Tage die Woche in der Kanzlei. In der Regel begann mein Arbeitstag gegen 8.30 Uhr und endete gegen 18 Uhr. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase und dem Bearbeiten kleinerer Aufgaben durfte ich sodann Klageentwürfe erstellen, Schriftsätze verfassen oder anderweitige Schreiben aufsetzen. Meinen ersten Mandantenkontakt hatte ich im Beisein meiner Einzelausbilderin und sodann auch regelmäßig eigenständig. Durch das Bearbeiten von Akten oder Aufgabenstellungen hatte ich die Möglichkeit, meinen Kolleginnen und Kollegen zuzuarbeiten. Wenn ich mal nicht weiterwusste, konnte ich jederzeit mit ihnen über die juristischen Fragestellungen diskutieren und mir weitere Anregungen für die Bearbeitung einholen. Meine Tätigkeit in der Kanzlei war sowohl praxis- als auch examensbezogen, da meine Kolleginnen und Kollegen auch stets bemüht waren, mir Akten zu geben, die eine Examensrelevanz besaßen. Allerdings mochte ich es auch sehr, über den Tellerrand hinauszuschauen und medizinrechtliche Fragestellungen zu bearbeiten. Das war eine willkommene Abwechslung und hat auch mein Interesse für dieses Rechtsgebiet entfacht. Aufgrund des für mich neu entdeckten Rechtsgebiets habe ich mich auch dazu entschlossen, meine Wahlstation bei HFBP zu absolvieren.

Klingenberg: Nach Ihrem Referendariat, welche Einstiegsmöglichkeiten hätten Sie bei HFBP Rechtsanwälte und Notar und könnten Sie sich eine Übernahme vorstellen?

Yadel Ulusoy: Eine Übernahme könnte ich mir sehr gut vorstellen, da mir die Tätigkeit und die Vielseitigkeit der anwaltlichen Arbeit viel Spaß gemacht hat. Das Arbeitsklima ist sehr angenehm und ich fühlte mich dort sehr gut aufgehoben. Vor allem mit den Junganwältinnen und -anwälten habe ich mich viel ausgetauscht und dadurch auch Einblicke „hinter die Kulissen“ bekommen. Grundsätzlich herrschen dort eine sehr freundliche Atmosphäre und viel Teamgeist.

Klingenberg: Im Zusammenhang mit dem Staatsexamen bzw. mit der Examensvorbereitung und der Anwaltsstation fällt häufig auch der Begriff des „Tauchens“. Das Tauchen dient dazu, um sich intensiver auf die Examensvorbereitung konzentrieren zu können. Damit kürzen sich die Referendare allerdings deren praktische Erfahrungen rund um die anwaltliche Tätigkeit. Nun hat ein Referendar vielleicht aufgrund einer intensiveren Examensvorbereitung eine bessere Examensnote, vielleicht sogar ein Prädikatsexamen, dafür aber weniger Praxis. Ist dies nicht eine erhebliche Schwäche des juristischen Vorbereitungsdienstes? Einige Stimmen sprechen sogar von Wettbewerbsverzerrung. Wie beurteilen Sie das aus der Sicht eines Referendars?

Yadel Ulusoy: Ich denke, dass das Referendariat eine tolle Möglichkeit bietet, in möglichst viele Bereiche hineinzuschnuppern und erste Eindrücke zu gewinnen, um sodann für sich bestenfalls beurteilen zu können, ob man sich genau diese Tätigkeit für seine eigene berufliche Zukunft vorstellen kann.

Allerdings muss man innerhalb kürzester Zeit sehr viel neuen Lernstoff beherrschen und optimalerweise das bereits Erlernte aus dem Ersten Examen schon wiederholen. Dazu kommen noch die Tage, die für das Lernen wegfallen, wenn man bei seiner Einzelausbildung ist, seine AG hat und möglicherweise sogar noch nebenbei arbeitet. Dass da kaum Zeit bleibt, um wirklich für das Zweite Examen lernen zu können, liegt meines Erachtens auf der Hand. Aus meiner Sicht ist es fast unabdingbar, zu Tauchen. Natürlich geht das auf Kosten der praktischen Tätigkeit in der Anwaltsstation, was ich absolut schade finde. Allerdings wird das Tauchen meines Erachtens für sehr viele Referendare absolut notwendig sein, sofern nicht an der Ausbildung im Referendariat grundsätzlich etwas geändert wird.

Klingenberg: Das Tauchen ist letztlich auch ein Ausdruck der Work-Life-Balance der jeweiligen Referendare. Immerhin bleibt bei Examensvorbereitung und Tätigkeit in der Kanzlei nicht so viel Freizeit übrig. Wie sieht denn Ihre Work-Life-Balance aus? Was machen Sie in der Freizeit zum Stressabbau bzw. um den Kopf freizubekommen?

Yadel Ulusoy: Wie bereits erwähnt, wird man während des Referendariats mit unheimlich viel Lernstoff überschüttet, der kaum zu bewältigen ist. Ich bekomme meinen Kopf nach einem langen Lerntag oder einem langen Tag in der Kanzlei durch Sport frei. Für mich ist neben der kopflastigen Arbeit der körperliche Ausgleich sehr wichtig und bringt mich „zum Abschalten“. Ich gehe dazu fünfmal die Woche ins Fitnessstudio und mache Krafttraining. Ich nutze aber auch gerne meine Mittagspause in der Kanzlei oder meine kleinen Lernpausen zwischendurch, um einen Spaziergang zu machen. Auch durch diese kleinen Bewegungseinheiten bekomme ich meinen Kopf frei.

Klingenberg: Das Interview abschließend, was würden Sie anderen Referendaren für deren juristischen Vorbereitungsdienst bzw. konkret für die Anwaltsstation empfehlen?

Yadel Ulusoy: Ich rate den anderen Referendarinnen und Referendaren, auch denen, die möglicherweise kurz vor Beginn ihres Referendariats stehen, von Beginn des juristischen Vorbereitungsdienstes an zu lernen. Das zum Beispiel in der AG besprochene Thema direkt im Anschluss im Skript / Lehrbuch nachzubereiten und in regelmäßigen Abständen zu wiederholen, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Auch rate ich zeitgleich mit der Wiederholung des materiellen Rechts zu beginnen. Und natürlich Klausuren zu schreiben.

Vielen Dank für das Interview.