Über die Selbstständigkeit als Rechtsanwalt, Coworking, LEGAL-SPACES und mehr
Im März 2021 war Rechtsanwalt Roosbeh Karimi, Gründer von LEGAL-SPACES im Gespräch mit JurCase und sprach über das Konzept der Coworking-Spaces und die Idee zur Gründung seines Unternehmens.
Zur Person & zum Unternehmen
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi hat sein Studium an der Europa-Universität Viadrina begonnen und dann an der Freien Universität Berlin fortgesetzt. Das Referendariat hat er am Berliner Kammergericht absolviert. Seine Zivilstation verbrachte er in einer kleinen Boutique, in der er bereits vor dem Referendariat gearbeitet hatte, und konnte dort recht schnell, neben den spannenden Einblicken ins Wirtschaftsrecht, das Dezernat Verbraucherrecht selbständig übernehmen. Er betont: „Diese, für mich sehr wertvollen, Lektionen im eigenverantwortlichen Arbeiten waren eine sehr wichtige Erfahrung, auf die ich heute gern zurückblicke.“ Die Verwaltungsstation hat Herr Karimi im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages absolviert und in der Wahlstation war er einer der letzten Rechtsreferendare der Fluggesellschaft Air Berlin.
Direkt nach seinem Examen 2015, machte Herr Karimi sich selbstständig und konnte letztes Jahr schon das fünfjährige Bestehen feiern. Bereits Anfang 2015 hatte er mit seinem Bruder gemeinsam eine Legal-Tech Verbraucher-Inkassogesellschaft gegründet, die auch heute noch als hello Getright auf dem Markt besteht und gerade die erste Investmentrunde erfolgreich abgeschlossen hat.
Recht früh begann Herr Karimi sich mit Computer- und Programmiersprachen auseinanderzusetzen und ist daher an der Programmierarbeit direkt beteiligt. Sämtliche Internetauftritte etwa sind alle zu 100% selbstgestaltet. „Das ist vielleicht nicht immer die effektivste Lösung, sie ermöglicht mir aber ein tiefgründiges Informationstechnisches Verständnis, das mir dann auch in der täglichen Mandatsarbeit hilft.“
Apropos IT, noch in diesem Jahr wird Herr Karimi voraussichtlich die notwendige Fallanzahl gesammelt haben, um nach der bereits bestandenen Prüfung zum Fachanwalt für Informationstechnologierecht ernannt zu werden.
Das Interview
Klingenberg: Was hat Sie dazu bewogen lieber auf eigenen Beinen zu stehen als den „normalen“ Kanzleiweg zu gehen? Wo sehen Sie die Vorteile der Selbstständigkeit beziehungsweise einer eigenen Kanzlei im Vergleich zu einer Karriere in einer mittelständischen Kanzlei oder in einer Boutique?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Es war tatsächlich etwas Glück dabei, denn trotz des Willens meiner Ausbilderin und der Air Berlin Rechtsabteilung insgesamt konnte ich aufgrund des Einstellungsstopps nicht übernommen werden. Mit dem Gedanken der Selbstständigkeit spielte ich aber auch schon zuvor. Unbedingt wollte ich mich selbst individuell verwirklichen. Während meiner Ausbildung habe ich zwar die Arbeitsweise und -struktur von Großkanzleien kennen und schätzen gelernt, wusste aber, dass dort und selbst in einer mittelständischen Kanzlei oder einer Boutique vorhandene Strukturen nur schwer aufzubrechen waren. Die eigene Kanzlei hingegen erlaubt ein sehr agiles Arbeiten und Geschäftsverständnis.
Klingenberg: Sie arbeiten mit anderen Rechtsanwälten und Steuerberatern in einem sogenannten „Coworking-Space“ unter einem Dach zusammen. Was genau ist darunter zu verstehen und inwieweit unterscheidet es sich, wenn man die Zusammenarbeit mit Steuerberatern einmal außen vorlässt, von einer reinen Bürogemeinschaft?
Rechtsanwalt R. Karimi: Coworking-Space bedeutet, dass die Büroräume, mit Ausnahme der privat genutzten Einheiten, gemeinschaftlich genutzt werden. Die Grenzen zu einer reinen Bürogemeinschaft sind fließend, auch wenn wir mit LEGAL-SPACESnatürlich den Anspruch verfolgen, erheblich stilsicherer und moderner zu sein.
Klingenberg: Bereiten solche Coworking-Spaces nicht eigentlich berufsständische oder datenschutzrechtliche Probleme?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Die standesrechtlichen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen sind in der Tat recht streng. Dennoch sind die Vorschriften nicht zu überstrapazieren. Ein modernes Arbeiten in einer stilsicheren Umgebung ist auch Berufsträgern erlaubt. Letztlich macht das Berufsrecht keinen Unterschied, ob eine Bürogemeinschaft aus 3 oder eben 30 Parteien besteht. Es muss und ist auch sichergestellt, dass permanent die Möglichkeit einer rechtskonformen Kommunikation und Arbeit besteht.
Klingenberg: Wie sieht Ihre Problemlösung dazu konkret aus?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Die Arbeitsplätze etwa sind allesamt mit einem Sichtschutz ausgestattet, um tatsächlich privat arbeiten zu können. Das Telefongespräch muss gegebenenfalls in den Konferenzraum oder in die Telefonbox verlegt werden. Das setzt natürlich auch eine (moderne) digitale Arbeitsweise voraus und auch die Eigenverantwortlichkeit der Berufsträger. Mein Eindruck ist aber, dass unsere Kunden die notwendige Sensibilität mitbringen. Beim Verlassen des Arbeitsplatzes wird der Bildschirm gesperrt; Unterlagen bleiben nicht offen liegen.
Klingenberg: Wie sieht es denn mit Notaren oder beispielsweise mit zertifizierten Mediatoren aus? Dürfen diese auch Teil Ihres Legal-Spaces sein?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Uns ist bewusst, dass die Rechtsanwaltskammer(n) ein Auge auf uns haben. Deswegen bleibt § 59a BRAO die Grenze der Coworking-Spaces. Nur die dort genannten Berufsgruppen können sich als Kunden registrieren. Zertifizierte Mediatoren etwa gehören nicht dazu. Das hat zuletzt der Bundesgerichtshof erst Anfang 2018 bestätigt. Da wollen wir auch gar nicht gegen ankämpfen. Bei Notaren hingegen sehe ich weder die zwingende Notwendigkeit noch die Verträglichkeit mit dem Geschäftskonzept. Schließlich ist die überwiegend digitale Arbeit dort noch nicht ganz angekommen.
Klingenberg: Wann und wie kamen Sie eigentlich zum ersten Mal auf den Gedanken, sich überhaupt mit dem Thema Coworking-Spaces auseinanderzusetzen?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Selbst habe ich mit der klassischen Wohnzimmerkanzlei begonnen. Wir hatten zum Glück noch ein halbes Zimmer, dass ich mir als Büro einrichten konnte, bin aber dort auch nur einmal in die Verlegenheit gekommen, Mandanten empfangen zu müssen. Aus schierer Unbedachtheit habe ich mich dann – wie andere Rechtsanwälte auch – für ein Coworking-Space entschieden und just in dem Moment, wo ich ohnehin dann ein neues Büro bezog, flatterte die Abmahnung der Rechtsanwaltskammer in den Briefkasten. Seitdem wundere ich mich, dass es trotz WeWork, Regus und Co. ein Angebot für Berufsträger immer noch nicht gab und habe dann selbst LEGAL-SPACESgegründet.
Klingenberg: Was meinen Sie, könnte Ihre Lösung auch für junge Juristen interessant sein? Und falls ja, inwieweit? Können gerade junge Rechtsanwälte größere Vorteile aus Ihrer Lösung ziehen als bereits etablierte Juristen?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Ja, das Angebot ist insbesondere für Berufseinsteiger und Kanzleigründer sehr interessant. Die Realität sieht doch so aus, dass es eine bezahlbare gute Anschrift einfach nicht gibt und egal wie man in die eigene Selbständigkeit startet, zu 95% sitzt man erst einmal ohne Mandantenkontakt am eigenen Schreibtisch. Selbst im LEGAL-SPACEShaben wir eine Konferenzraum-Auslastung von derzeit unter 3%. Dann bietet es sich doch sehr an, sich mit minimalsten Festkosten zu entwickeln, gesund zu wachsen und ein voll ausgestattetes, repräsentatives Büros parat zu haben. Aber auch für etablierte Kanzleien ist das Angebot durchaus attraktiv. Denn die Festkosten bleiben übersichtlich und gleichzeitig ist man innerhalb kürzester Zeit an einem Standort einsatzfähig, ohne die Flexibilität zu verlieren. Das eignet sich natürlich insbesondere für den zweiten Standort.
Klingenberg: Wie viele Rechtsanwälte und Steuerberater arbeiten eigentlich bei Ihnen bei LEGAL-SPACES und welche Rechtsgebiete werden dort abgedeckt?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Wir sind noch eine recht kleine Einheit mit weniger als 25 Berufsträgern. Welche Rechtsgebiete abgedeckt werden, kann ich gar nicht so genau sagen. Zum einen arbeiten die allermeisten überwiegend digital und nutzen nur unsere Infrastruktur, wie z. B. die Eingangspost-Digitalisierung, und zum anderen bleibt es dabei, dass jeder seine eigene Kanzlei betreibt. Wir sind mit LEGAL-SPACES Anfang 2020 gestartet, sodass dann aufgrund von Corona der Netzwerk-Effekt größtenteils weggefallen ist und doch haben sich bei uns schon neue Partnerschaften erfolgreich gefunden.
Klingenberg: Einmal Hand aufs Herz. Es gibt durchaus Argumente, die gegen solche Coworking-Spaces sprechen. Damit meine ich noch nicht einmal die Kritikpunkte „Verschwiegenheit“ und „Datenschutz“, sondern vielmehr die Gefahr von Ablenkung der Rechtsanwälte durch andere Anwälte sowie die mögliche fehlende Professionalität eines Coworking-Spaces, wenn der eine Rechtsanwalt einen anderen Anwalt vor einem Mandanten zur Ruhe bitten muss. Wie sehen Sie das?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Überhaupt nicht und ich gehe auch nicht davon aus. Das liegt natürlich auch daran, dass Mandanten nicht am Schreibtisch oder Arbeitsplatz empfangen werden, sondern im Konferenzraum. Ansonsten klar, wer lieber im stillen Kämmerlein arbeitet, der ist in unserem Konzept vielleicht nicht optimal aufgehoben. Obwohl, wer ohne Störung arbeiten möchte, setzt sich eben in die Telefonbox und hat sich dort abgekapselt. Wir haben z. B. Berufsträger mit Kindern, die gerade zum konzentrierten Arbeiten zu uns in den Coworking-Space kommen.
Klingenberg: Wie sieht Ihr typischer Tagesablauf bei LEGAL-SPACES aus?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Ich denke der Arbeitsablauf einer Kanzlei ist im LEGAL-SPACES nicht anders als in einer klassischen Kanzlei. Lediglich der typische Büro-Ärger fällt einfach weg, es gibt immer frischen Kaffee, Tee oder Wasser, ergonomische Sitz-Steharbeitsplätze und eine inspirierende Aussicht. Der Konferenzraum ist online buchbar und für Fragen stehe ich immer gern persönlich zur Verfügung.
Klingenberg: Einmal ganz grundsätzlich gefragt, was sind denn überhaupt die Mindestanforderungen für einen solchen Coworking-Space?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Es gelten dieselben Mindestanforderungen, wie bei jeder Kanzlei, also mindestens ein Raum, der nach außen hin als Kanzlei erkenntlich ist, ein betrieblicher Telefonanschluss, sowie ein Briefkasten mit Kanzleischild.
Klingenberg: Meinen Sie solche Coworking-Spaces werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen?
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Absolut! Für nicht-Berufsträger haben sich Coworking-Spaces schon durchgesetzt, warum also dann nicht auch für Berufsträger. Die COVID19-Pandemie hat uns insoweit leider etwas zurückgeworfen, wir sind aber in sehr interessanten Gesprächen mit Investoren, um unsere nächsten Standorte bundesweit öffnen zu können.
Klingenberg: Zum Abschluss bitte ich noch um einen allgemeinen Tipp an die jungen Juristen, unabhängig von Coworking-Spaces.
Rechtsanwalt Roosbeh Karimi: Ich kann jedem nur mit auf den Weg geben, genau das zu tun, was einem selbst Freude bringt. Die eigene Zufriedenheit mit dem Berufsleben sollte immer ausschlaggebend für die Entscheidung sein. Und, noch nie war es einfacher, sich als Jurist selbstständig zu machen. Diese Chance gilt es also zu nutzen.
Vielen Dank für das Interview!