Glücksspielrecht & eSports: Relevanz im Examen, Ausbildungsmöglichkeiten, Referendariat und mehr

Dieses Interview mit Herrn Dr. Lennart Brüggemann, Rechtsanwalt und seit 2024 Partner bei HLB Schumacher Hallermann GmbH in Münster, wurde bereits im Februar 2021 geführt und nunmehr aufgrund verschiedener Entwicklungen für dich von Herrn Dr. Brüggemann aktualisiert. Er ist Experte für die Bereiche Glücksspielrecht und eSports. In diesem Interview stellt er diese Fachbereiche deshalb näher vor. Es geht darum, worauf es bei den jeweiligen Rechtsgebieten genau ankommt und mit welchen Skills man sich einen Vorteil verschafft. Erfahre beispielsweise auch, mit welchen konkreten Anliegen Mandantinnen und Mandanten im Zusammenhang mit diesen beiden Rechtsgebieten haben. Unser Redaktionsleiter, Rechtsassessor Sebastian M. Klingenberg, hat sich für dich auch nach potentiellen Examensthemen erkundigt und inwiefern ein Karriereeinstieg bei HLB Schumacher Hallermann GmbH möglich ist, sei es als studentische Hilfskraft, im Rahmen einer wissenschaftlichen Mitarbeit oder auch als Rechtsreferendar:in bzw. Berufseinsteiger:in. Dieses spannende und interessante Interview solltest du deshalb keineswegs verpassen!

Zur Person

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann absolvierte sein Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Während und nach seinem Studium war er an verschiedenen Lehrstühlen der WWU Münster beschäftigt. Neben dem Studium arbeitete er als studentische Hilfskraft am Institut für Steuerrecht. Nach seinem Studium war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für deutsches und europäisches Öffentliches Recht tätig. In den Jahren von 2012 bis 2015 arbeitete Herr Dr. Brüggemann sodann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht und Politik. Dann promovierte er zu dem Thema „Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz“ an der WWU Münster unter seinem Betreuer: Prof. Dr. Dieter Birk.

2014 bis 2016 vollführte er seinen juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Münster, mit Stationen beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster, bei der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Bonn sowie beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.

Seit Oktober 2016 ist Herr Dr. Brüggemann Volljurist. Er arbeitete knapp zwei Jahre als Staatsanwalt bzw. Richter auf Probe bei der Staatsanwaltschaft Dortmund und erhält kurz darauf seine Zulassung als Rechtsanwalt.

Seit Februar 2019 ist Herr Dr. Brüggemann bei der HLB Schumacher Hallermann GmbH in Münster, mit den anwaltlichen Beratungsschwerpunkten im Glücksspielrecht, Glücksspielsteuerrecht, eSport-Recht und Wirtschaftsverwaltungsrecht, tätig. Zum Januar 2024 wurde er zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt.

Herr Dr. Brüggemann hat zahlreiche Veröffentlichungen zu verzeichnen, u.a. als Autor in einem Kommentar zum Glücksspielrecht im C.H. Beck Verlag und in einem Stichwortkommentar zum eSport-Recht im Nomos Verlag. Er ist außerdem Assoziierter der Forschungsstelle für eSport-Recht (FeSR) der Universität Augsburg und Mitglied im Esports Research Network.

Fast 16 Jahre war Herr Dr. Brüggemann ehrenamtlich als Fußball Schiedsrichter tätig, u. a. mit Spielleitungen in der Junioren Bundesliga und der Regionalliga West. Seit 2016 ist er in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.

Zum Unternehmen

Die HLB Schumacher Hallermann GmbH sieht sich als mittelständische Rechtsanwaltskanzlei, die von der steuerzentrierten Rechtsberatung kommt und sich nunmehr intensiv auch auf klassische Rechtsgebiete ausrichtet. Ein besonderes Merkmal ist etwa die konsequente Entwicklung spezieller und innovativer Beratungsfelder (Glücksspielbesteuerung, Glücksspielregulierung, eSport). Eine persönliche und lösungsorientierte Beratung ihrer Mandanten liegt ihnen am Herzen. Dabei ist ihnen eine persönliche, offene und ehrliche Kommunikation gegenüber dem Mandanten wichtig.

Die HLB Schumacher GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft wurde 1928 in Münster gegründet. Ab 1934 besteht eine Rechtsabteilung und seit 1987 bieten Rechtsanwälte anwaltliche Leistungen an. Die Rechtsanwaltsgesellschaft wurde 2011 gegründet und später in HLB Schumacher Hallermann GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft unbenannt. Zusätzlich zum Standort in Münster gibt es HLB Schumacher auch noch in Leipzig.

Aktuell sind 15 Mitarbeiter beschäftigt, davon 14 Rechtsanwälte und eine Dipl.-Wirtschaftsjuristin, wovon 4 Mitarbeiter zugleich Steuerberater sind. Hinzu kommen 6 Of Counsel. Die Unternehmensgruppe umfasst 130 Mitarbeiter und über 40 Berufsträger, ebenfalls zum Teil mit Doppel- und Dreifachqualifikationen. Zur Zeit sind folgende Fachgebiete vertreten: Arbeitsrecht, Compliance/Tax Compliance, Erbrecht, Nachfolge, Erbschaftsteuerrecht, eSport-Recht, Finanzgerichtliche Prozessführung, Gemeinnützigkeitsrecht, Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Glücksspielrecht, Glücksspielsteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, Mediation, Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht, Steuerstrafrecht, Zivilrechtliche Prozessführung und Schiedsverfahren.

Karrieremöglichkeiten für: Studentische Mitarbeiter, Referendare, Berufseinsteiger?

Regelmäßig werden Studenten als wissenschaftliche Mitarbeiter eingestellt und Referendare ausgebildet. Sofern die Kapazitäten es zulassen und ein guter Eindruck gewonnen wurde, besteht die Möglichkeit zur Einstellung als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin. Auch Berufseinsteiger sind willkommen. Bei entsprechender Qualifikation und Engagement besteht zudem die Möglichkeit zur Partnerschaft.

Das Interview

Klingenberg: Herr Dr. Brüggemann, Sie waren fast zwei Jahre als Staatsanwalt tätig. Was hat Sie letztlich dazu bewogen Rechtsanwalt zu werden? War dies eine gute und richtige Entscheidung?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Der Wechsel hatte verschiedene Gründe. Insgesamt bot mir der Weg in die Rechtsanwaltschaft eine bessere Perspektive. Meine Expertise im Glücksspielspielrecht war im Rahmen meiner Tätigkeit als Staatsanwalt nicht gefragt. Nunmehr kann ich sie in den Berufsalltag einbringen und erfahre hierfür eine Wertschätzung. Zugleich wird mir der Freiraum eingeräumt, zu publizieren und eigene Beratungsfelder aufzubauen. Die Tätigkeit als Rechtsanwalt schafft mir letztlich die Möglichkeit, mich denjenigen Rechtsmaterien zu widmen, die mich besonders ansprechen.

Klingenberg: Wie sind Sie erstmalig mit den Rechtsgebieten ‚Glücksspielrecht‘ und ‚eSport-Recht‘ in Berührung gekommen?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Im Rahmen meiner staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit gab es keine Berührungspunkte. In meiner Dissertationsschrift und in weiteren Veröffentlichungen, etwa in einem Kommentar aus dem C.H. Beck Verlag, hatte ich mich jedoch bereits zuvor intensiv mit dem Glücksspielrecht befasst. Im Zuge einer Vortragstätigkeit wurde ich zudem auf eSport aufmerksam. Auch vor dem Hintergrund, dass ich selbst die Zeit miterlebte, in der man sich mit Freunden zu LAN-Partys verabredete, finde ich die Entwicklung von eSport nach wie vor faszinierend. Aus juristischer Perspektive ist eSport vor allem interessant, weil viele neue Rechtsfragen entstehen, auf die Antworten erst noch gefunden werden müssen.

Klingenberg: Betrachten wir erst einmal das Glücksspielrecht. Welche Rechtsgebiete muss ein Jurist bzw. eine Juristin beherrschen, der bzw. die in diesem Bereich tätig werden möchte?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Dies kann man pauschal nicht beantworten. Glücksspielrecht ist eine Querschnittsmaterie. Sie umfasst sämtliche Rechtsgebiete, sofern es um Glücksspiel bzw. um dessen Abgrenzung geht. Daher ist es auch denkbar, sich auf bestimmte Gebiete zu beschränken. Beispielsweise auf das Zivilrecht, wenn es um Ansprüche auf Auszahlung des Gewinns oder Rückforderung des Einsatzes geht. Oder auf wirtschaftsverwaltungsrechtliche Angelegenheiten, mit denen häufig verfassungsrechtliche Aspekte einhergehen, insbesondere bei Fragen zur Zulässigkeit der Veranstaltung oder Vermittlung bestimmter Glücksspiele. Unabhängig vom Rechtsgebiet sind allerdings Kenntnisse über das ordnungsrechtliche Regelungsregime unerlässlich.

Klingenberg: Mit welchen Anliegen zum Glücksspielrecht kommen Ihre Mandantinnen und Mandanten in aller Regel zu Ihnen?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Vielfach geht es um die Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse, die von der Behörde abgelehnt oder erteilt, aber mit streitigen Nebenbestimmungen versehen wurden. Dabei können auch verfassungsrechtliche Erwägungen eine Rolle spielen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der steuerrechtlichen Beratung und Prozessführung, zum Beispiel im Fall der Erhebung örtlicher Vergnügungssteuern auf Geldspielgeräte. Besonders beschäftige ich mich mit der Wettbesteuerung durch Bund, Länder und Kommunen.

Klingenberg: Seit dem 1. Juli 2021 ist der neue Glücksspielstaatsvertrag 2021 in Kraft. Welche Neuerungen hat der Staatsvertrag mit sich gebracht? Welche Streitpunkte oder Diskussionen gibt es?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Eine wesentliche Neuerung ist, dass Anbieter von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker nunmehr eine bundesweit gültige Erlaubnis zur Veranstaltung dieser Glücksspiele im Internet erhalten können. Daneben können die Bundesländer darüber entscheiden, ob in ihrem Hoheitsgebiet auch die Veranstaltung von Online-Casinospielen erfolgen soll – sei es durch privater oder staatliche Anbieter. Von dieser Möglichkeit haben bisher allerdings nur wenige Bundesländer Gebrauch gemacht. Besser wäre es m.E., wenn sich die Bundesländer auf eine einheitliche Regelung – wie bei den virtuellen Automatenspielen und beim Online-Poker – einigen würden. Derweil bringt der neue Glücksspielstaatsvertrag eine Vielzahl von Neuregelungen zum Zwecke des Spielerschutzes, z.B. ein anbieter- und spielformübergreifendes Spielersperrsystem, ein anbieterbezogenes Spielkonto sowie ein anbieterübergeifendes Einzahlungslimit.

Intensive Diskussionen gibt es momentan um den zu bekämpfenden Schwarzmarkt, der das legale Glücksspielangebot „sabotiert“, über dessen Größe allerdings unterschiedliche Sichtweisen existieren. Rechtlich wird überdies über die Einordnung von sog. Lootboxen gestritten. Handelt es sich (je nach Erscheinungsform) um Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages? Das Thema ist auch bei der für die Glücksspielaufsicht zuständige Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder angekommen. Eine juristische Positionierung steht noch aus.

Klingenberg: Mit Blick auf diese neuen Regelungen, würden Sie sagen, vielleicht auch im Rahmen einer Prognose, dass das analoge Glücksspiel in der Spielhalle an Bedeutung verliert, insbesondere aufgrund der Möglichkeiten, die das Internet mit sich bringt?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Aufgrund der strengen Spielhallenregulierung und wirtschaftlich schwierigen Lage ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der Spielhallen abnehmen wird. Gleichwohl denke ich nicht, dass das analoge Glücksspiel in der Spielhalle an Bedeutung verliert.  Das Angebot ist im Vergleich zum Online-Glücksspiel nicht identisch. Es entfaltet andersgeartete Anreize auf die Spieler.

Klingenberg: Kommen wir nun einmal zum eSport-Recht. Sie haben eine Brücke zwischen Glücksspielrecht als alteingesessene Rechtsmaterie und dem eSport bereits geschlagen. Inwieweit unterscheidet sich dieses Rechtsgebiet aber konkret vom Glücksspielrecht? Welche Teilrechtsgebiete sind hier relevant?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Glücksspiel lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Dementsprechend finden sich hier zahlreiche gesetzgeberische Regelungen. Gleichsam sind die rechtlichen Erkenntnisse weit fortgeschritten, auch wenn sich durch Neuregelungen stets neue Fragen stellen. Demgegenüber ist eSport verhältnismäßig jung. Die Materie ist zuletzt zwar vereinzelt in das Bewusstsein des Gesetzgebers getreten. Eigenständige Regelungen finden sich jedoch kaum. Im Lichte dessen stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit Sachverhalte mit Bezug zum eSport in das vorhandene Regelungswerk integriert werden können. Im eSport-Recht steht anders als im Glücksspielrecht die Bildung von Rechtserkenntnissen also meist noch am Anfang. Zugleich ist eSport-Recht umfassender, da ihm sämtliche Rechtsfragen zugeschrieben werden, die einen Zusammenhang zum eSport aufweisen. Berührungspunkte gibt es etwa im Arbeitsrecht, Datenschutzrecht, Medienrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht, Strafrecht, Urheberrecht und vielen weiteren Gebieten.

Klingenberg: Und mit welchen Anliegen kommen Ihre Mandantinnen und Mandanten in aller Regel zu Ihnen zum eSport-Recht?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Die Anliegen sind recht unterschiedlich. Vorstellig werden etwa Start-Up-Gründer, die um eine rechtliche Einschätzung bitten, inwiefern ihr Geschäftsmodell mit Blick auf glücksspielrechtliche Reglungen umsetzbar ist. Angefragt werden wir ferner beispielsweise bei steuerrechtlichen Sachverhalten oder arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Genauso kann es aber schlicht um die Beratung eines eSportlers zu klassischen Rechtsstreitigkeiten gehen, die keine Spezialkenntnisse zum eSport erfordern (bspw. Mietstreitigkeiten) und die ich insoweit auch nicht dem eSport-Recht zuordnen würde. Im Ergebnis betreuen wir professionelle eSportler in sämtlichen rechtlichen Angelegenheiten.

Klingenberg: Es geht beim eSport-Recht also doch irgendwo ums Zocken. Braucht aber ein Rechtsanwalt Spielekenntnisse?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Von jedem Spieletitel Kenntnisse zu verlangen, ginge wohl zu weit, und sie sind für die rechtliche Beurteilung auch nicht immer notwendig. Allerdings sollte ein Vorstellungsbild vom eSport gegeben sein. Auch geläufige Begriffe aus dem Bereich des eSports sollten bekannt sein. Der Mandant sollte den Eindruck gewinnen, dass der Rechtsanwalt weiß, wovon im Einzelnen gesprochen wird. Daher ist es zumindest von Vorteil, selbst zu zocken oder gezockt zu haben. Letztlich ist es wie bei anderen Mandatsverhältnissen: Der Mandant bzw. die Mandantin muss das Vertrauen zum Rechtsanwalt bzw. zur Rechtsanwältin haben, dass er bzw. sie seine bzw. ihre Interessen bestmöglich wahrnimmt.

Klingenberg: Was meinen Sie ist die wichtigste Eigenschaft neben dem juristischen Wissen (und etwaigen Spielekenntnissen), die ein Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin für diese Rechtsgebiete mitbringen sollte? Und warum gerade diese?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Ein gesundes Maß an Tiefsinn. Im Glücksspielrecht und eSport-Recht trifft man regelmäßig auf rechtliche Fragestellungen, die nicht unmittelbar zu beantworten sind, sondern einer komplexen Auseinandersetzung bedürfen. Hierzu muss man bereit sein und Freude daran haben. Eine Portion Kreativität ist dabei nicht von Nachteil, wenn es innerhalb des Möglichen um Gestaltungsmöglichkeiten geht.

Klingenberg: Welche weiteren Eigenschaften erachten Sie als sinnvoll, auch hinsichtlich des Stichwortes ‚Soft Skills‘?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Sinnvoll ist sicherlich eine juristische Neugier, also das eigene Streben, Fragen aufzuwerfen und zu beantworten, an die zuvor ggf. noch niemand gedacht hat und so einen Schritt voraus zu sein. Hiermit einher geht die Fähigkeit, sich für eine Materie selbst zu begeistern. Überdies lebt das Dasein als Rechtsanwalt bzw. als Rechtsanwältin vom persönlichen Kontakt, was eine Bereitschaft und ein Vermögen zur Kommunikation voraussetzt.

Klingenberg: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Arbeiten Sie oft mit Ihren Kollegen im Team? Wie ist Ihre Kanzlei insoweit im Allgemeinen strukturiert? Nehmen Sie Arbeit mit nach Hause?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Der Arbeitsalltag wird im Wesentlichen durch die Mandatsverhältnisse bestimmt. Ich führe Gespräche mit den Mandanten, Gerichten und Behörden und erstelle Schriftsätze – von der Stellungnahme im verwaltungsrechtlichen Anhörungsverfahren, über die Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln bis zur Verfassungsbeschwerde. Dabei arbeite ich je nach Fallkonstellation eng mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Bei Gelegenheit widme ich mich ferner der Fertigstellung von Veröffentlichungen. Derzeit arbeite ich an der Finalisierung des ersten Kommentars zum Glücksspielsteuerrecht, den Prof. Dr. Christian Jahndorf und ich gemeinsam herausgeben. Der Kommentar wird im kommenden Jahr im C.H. Beck Verlag erscheinen. Eine Arbeit im Home-Office ist möglich, wovon ich in der Regel einmal in der Woche Gebrauch mache. Ansonsten kommt es eher selten vor, dass Arbeit noch mit nach Hause genommen bzw. am Wochenende erledigt werden muss.

Klingenberg: Was meinen Sie, was sind die derzeit spannendsten Fragen im Glücksspielrecht und eSport-Recht? Könnte einer dieser Fälle eventuell auch im nächsten (Schwerpunkts)Examen laufen?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Spannend ist im Glücksspielrecht etwa die Frage, ob sog. Lootboxen unter den Begriff des Glücksspiels in § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV 2021 fallen. Während sich österreichische Zivilgerichte hiermit bereits auseinandergesetzt haben, verläuft die Diskussion in Deutschland noch allein im Schrifttum. Ein Fall für das Examen dürfte die Thematik nicht sein. Vorstellbar wäre eine Auseinandersetzung im Rahmen eines Seminars zum Glücksspielrecht. Gestritten wird weiterhin, ob einem Spieler, der an einem unerlaubten Online-Glücksspiel teilgenommen hat, Ansprüche gegen den Glücksspielveranstalter auf Rückgewähr des Einsatzes zustehen. Relevant ist der Streit besonders im Sportwettenbereich. Jüngst hat der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen zur Entscheidung vorgelegt (BGH, Beschl. v. 25.07.2024 – I ZR 90/23). Sie betreffen die zur alten Rechtslage relevante Konstellation, dass Veranstalter im unionsrechtswidrigen Auswahlverfahren keine der zahlenmäßig begrenzten Konzessionen erhielten. Die Problematik ist examensrelevant. Ohne den Bezug zum Unionsrecht war die Thematik der Rückforderung von Spieleinsätzen meines Wissens bereits Gegenstand im 1. Staatsexamen. Im eSport-Recht gibt es zuhauf spannende Fragen, da das Gebiet weitestgehend unerforscht ist und eine Rechtsprechung sich noch gar nicht gebildet hat. Dazu gehört etwa die Frage, ob Wetten auf eSport-Wettkämpfe als Sportwetten im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages 2021 angesehen werden. Aus dem Bereich des eSport-Rechts kann ich mir momentan jedoch nicht vorstellen, dass Problemstellungen Eingang in Examensklausuren finden, da sie zu speziell sind.

Klingenberg: Würden Sie Ihren Karriereweg – mit Blick auf Glücksspielrecht und eSport-Recht sowie Ihren Arbeitgeber – jungen Juristinnen und Juristen (sowohl Referendarinnen und Referendaren als auch Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern) empfehlen?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Gewiss handelt es sich bei Glücksspielrecht, Glücksspielsteuerrecht und eSport-Recht um recht spezielle Beratungsfelder, die infolgedessen im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten eine überschaubare Nachfrage erfahren. Allerdings ist Expertise stets gefragt. Besonders das eSport-Recht eignet sich nach meiner Einschätzung für junge Juristen. Schließlich befindet sich der Markt noch im Wachstum, wobei sich viele Rechtsfragen erst noch bilden. Nicht selten wird jungen Juristen und Juristinnen zudem ein besserer Zugang zur Materie zugetraut.

Referendaren und Referendarinnen sowie Berufseinsteigern und Berufseinsteigerinnen kann ich meinen Arbeitgeber auf jeden Fall empfehlen. Wir verfügen über ein eingespieltes Team aus jungen, aber auch sehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen und bieten einen Querschnitt des Rechts mit spannenden Mandaten. Neuen Ideen für weitere Beratungsfelder stehen wir aufgeschlossen gegenüber. Gerade junge Juristen und Juristinnen können dies für sich nutzen und eigene Akzente setzen. Unsere Expertise wird insbesondere auch im Wirtschafts- und Steuerrecht geschätzt. Die Kanzlei hat sich für viele Rechtsanwälte, die später doch den Weg in die Justiz einschlagen wollten, bereits als Sprungbrett zum Finanzgericht erwiesen. Zugleich bietet der Sitz der Kanzlei in Münster die Möglichkeit, in einer attraktiven und liebenswerten Studenten- und Fahrradstadt zu leben und zu arbeiten.

Klingenberg: Sie sagten, Ihr Arbeitgeber, die Kanzlei HLB Schumacher Hallermann GmbH, fördert junge Juristinnen und Juristen. Welche Tätigkeiten übernehmen Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare bei Ihnen? Handelt es sich um eine examensorientiere und/oder praxisnahe Ausbildung? Wie sieht die Arbeitszeit aus, auch in Bezug auf Work-Work-Life-Balance (Einzelausbildung vs. Examensvorbereitung vs. Privatleben)? Bieten Sie Ihren Referendarinnen und Referendaren Sonderleistungen an, etwa Vergütung, Repetitorien, Klausurtraining etc. Wie sieht es mit der Übernahmewahrscheinlichkeit aus? Ist es sinnvoll zunächst die Anwaltsstation bei Ihnen zu absolvieren und sodann die auch die Wahlstation; etwa auch mit Blick auf eine mögliche Übernahme?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Rechtsreferendare und Rechtsreferendarinnen werden bei uns in die Mandatsverhältnisse eingebunden. Dabei reichen die Tätigkeiten von der reinen Recherche über die eigenständige Ausarbeitung einer juristischen Argumentation oder einer Gestaltungsmöglichkeit zur Verwirklichung des Mandantenbegehrens bis hin zum Erstellen von Schriftsätzen. Insofern erfolgt die Ausbildung eng an der Praxis, um für das Examen gut gerüstet zu sein. Uns ist bewusst, dass die Referendare und Referendarinnen zur Vorbereitung auf die Aufsichtsarbeiten und mündliche Prüfung ausreichend Zeit für die Aufbereitung des Stoffs benötigen. Dementsprechend flexibel sind wir bei der Vereinbarung der Arbeitszeit. Die Referendare und Referendarinnen erhalten bei uns eine Vergütung. Ermöglichen die Kapazitäten die Einstellung weiterer Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen, greifen wir gerne auf Juristen und Juristinnen zurück, von denen wir uns schon im Zuge einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. als wissenschaftliche Mitarbeiten oder als Referendar bzw. Referendarin einen Eindruck machen konnten. Es freut uns, wenn Referendare und Referendarinnen zunächst ihre Anwaltsstation und sodann ihre Wahlstation bei uns leisten. Insbesondere können wir uns in dem Fall einen intensiven Eindruck vom Einzelnen machen, was die Übernahmewahrscheinlichkeit erhöhen kann. Letztlich sollen die Referendare jedoch die einzelnen Stationen und vor allem die Wahlstation nutzen, um für sich denjenigen Weg herauszufinden, den sie beruflich einschlagen möchten.

Klingenberg: Und wie sieht es aus mit Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Wir freuen uns über jegliche Eigenmotivation von Berufseinsteigern und Berufseinsteigerinnen, sich fortzubilden, und unterstützen dieses fachlich wie finanziell. Dieses kann eine interessante Einzelveranstaltung sein oder ein zeitlich aufwändiger Erwerb weiterer Qualifikationen (z.B. Fachanwaltslehrgang, Steuerberaterexamen, LL.M.). Ebenso fördern wir Promotionsvorhaben von Berufseinsteigern und Berufseinsteigerinnen. Dabei sind wir gerne bereit, Arbeitszeitmodelle zu vereinbaren, um die Promotion berufsbegleitend und deren Abschluss zeitnah zu ermöglichen.

Klingenberg: Welche Anforderungen stellen Sie grundsätzlich an die Bewerberinnen und Bewerbern, sowohl Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren als auch Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Wir suchen fachlich versierte Persönlichkeiten, die Spaß daran haben, in unseren Fachgebieten mitzuwirken. Die erbrachten Prüfungsleistungen sind sicherlich ein Indiz für die fachlichen Fähigkeiten. Im Ergebnis kommt es auf das Gesamtbild des Bewerbers bzw. der Bewerberin an, das eben nicht nur aus fachlichem Know-How besteht.

Klingenberg: Was unterscheidet Ihrer Meinung nach eine gute Juristin bzw. einen guten Juristen von einem schlechten Juristen bzw. einer schlechten Juristin?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Um die Frage beantworten zu können, müsste ein Maßstab existieren, an dem man eine Einordnung von „gut“ und „schlecht“ vornehmen könnte. Welcher sollte das aber sein? Bei Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen die Erfolgsquote? Bei Richtern und Richterinnen die Quote der Urteilsaufhebungen? Man könnte die Aufzählung weiterführen. Letztlich bleibt meines Erachtens die Erkenntnis, dass sie als Gradmesser nicht taugen. Gleiches gilt für die Heranziehung von Prüfungsleistungen, die nur Momentaufnahmen wiedergeben und deren Bewertung nicht selten fragwürdig ist. Es gibt genügend Juristen mit durchschnittlichen Staatsexamen, deren Tätigkeit allgemein geschätzt und überdies von beruflichem Erfolg gekrönt ist. Gleichwohl möchte ich die Frage nicht unbeantwortet lassen und zumindest eine Eigenschaft nennen, die ich einem – nach meinem Empfinden – „guten Juristen“ zuschreibe: Die Fähigkeit, eigenständig anhand der juristischen Methodik vertretbare, neue Argumentationen zu kreieren und dabei rechtliche Problemstellungen „weiterzudenken“, um einen Schritt voraus zu sein.

Klingenberg: Welchen abschließenden Ratschlag würden Sie einem frischen Volljuristen bzw. einer frischen Volljuristin geben?

Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann: Jeder junge Volljurist bzw. jede junge Volljuristin sollte diejenige berufliche Tätigkeit ergreifen, die ein Höchstmaß an eigener Zufriedenheit auslöst. Dabei sollte sich niemand davor scheuen, einen neuen Berufsweg einzuschlagen, wenn die Erkenntnis reift, dass der bisherige Weg nicht passend ist.

Vielen Dank für das Interview!