Diese Frage wird mir tatsächlich immer wieder von Referendarinnen und Referendaren gestellt und auch nach fast 20 Jahren kann ich sie mit „Absolut!“ beantworten. Ich würde jederzeit wieder Zivilrichter werden, heute sogar mit noch viel größerer Überzeugung als vor knapp 20 Jahren.

Warum? Von den vielen Gründen hier die wichtigsten:

  • Als Richter genieße ich Unabhängigkeit. Ich kann vor allem in der Sache frei von äußeren Vorgaben, fremden Interessen und gewünschten Ergebnissen so entscheiden, wie ich es nach meiner Überzeugung für richtig halte. Wenn man das einmal erlebt hat, möchte man es nicht mehr missen. Dabei kann ich selbst bestimmen, wann, wo und wie ich arbeite. Der Beruf lässt sich so auch bestens mit der Kinderbetreuung vereinbaren, was nicht zuletzt während der Pandemie ein unschätzbarer Vorteil war. Damit verbindet der Beruf die Vorteile der Selbständigkeit. 
  • Der Beruf ist in der Gesellschaft angesehen. Meine Arbeit ist sinnstiftend und war vom ersten Tag an mit hoher Verantwortung verbunden. Ich treffe meine Entscheidungen mit Bezug auf das echte Leben und übe dabei hoheitliche Gewalt aus.

Auch Frauen(be)förderung ist zumindest in der Hamburger Justiz selbstverständlich.

  • Ich konnte mich in den letzten Jahren auf Gesellschafts- und Insolvenzrecht spezialisieren und bearbeite in diesen Bereichen anspruchsvolle Verfahren mit immer neuen Fragestellungen. Ich könnte aber auch problemlos in einen anderen Bereich oder an ein anderes Gericht wechseln. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch in Hamburg, bei der Deutschen Richterakademie oder bei den zahlreichen sonstigen Anbietern.
  • Der Berufsalltag besteht aus einer für mich passenden Mischung aus Arbeit am Schreibtisch, Beratung mit meinen Senatskollegen und dem direkten Kontakt mit den Parteien und ihren Anwältinnen und Anwälten in der Verhandlung. Ich mag es sehr, einen komplexen Prozessstoff zu durchdringen, die maßgeblichen Fragen zu ermitteln und die Probleme des Falls zu analysieren. Es macht mir viel Spaß, mit meinen Kollegen über die Fälle und deren Lösungen zu diskutieren. Ich finde es spannend, mir in der Verhandlung die Sichtweise der Parteien anzuhören, in den rechtlichen Austausch mit der Anwaltschaft zu gehen und nach Möglichkeiten zu suchen, den Rechtsstreit gütlich beizulegen. 
  • Außerdem war ich in den ersten Jahren in verschiedenen Kammern im Straf- und Zivilrecht eingesetzt. Dabei habe ich gelernt, dass es am meisten darauf ankommt, ob einem der Richterberuf als solcher gefällt, weil man in der täglichen Arbeit durchaus Gefallen an Rechtsgebieten finden kann, denen man vorher eher abgeneigt war. Darüber hinaus war ich im Justizprüfungsamt und in der Verwaltung von Landgericht und Oberlandesgericht tätig. Das war sehr abwechslungsreich und interessant. Es gibt noch vieles mehr, bei dem man einmal ganz andere Einblicke erhält, zum Beispiel durch Abordnungen an Bundesgerichte oder Ministerien, andere Gerichtszweige oder zur Staatsanwaltschaft. Es gibt sogar Kolleginnen und Kollegen, die Haftanstalten geleitet haben. Diese Vielfalt sorgt dafür, dass jeder früher oder später dort landen wird, wo er sich am wohlsten fühlt.
  • Ich unterrichte gern und bilde gern aus. Hierzu habe ich viele Gelegenheiten: in der Wahlstation von Referendarinnen und Referendaren, in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften und in der Fortbildung von Kolleginnen und Kollegen bzw. Anwältinnen und Anwälten. Genauso gern schreibe ich an juristischen Büchern (bspw. Büßer/Tonner, Das zivilrichterliche Dezernat, 4. Auflage 2021).
  • Bräuchte ich mal eine längere Auszeit, könnte ich Sabbatmonate bis hin zu einem Sabbatjahr nehmen. Genauso könnte ich in vielen Varianten der Teilzeit arbeiten.

Für die heutige Berufswahl würde ein wichtiger Punkt hinzukommen:

Ich fände es nach wie vor spannend, all die Umbrüche, die in der Justiz anstehen – und damit einen bedeutenden Teil der Zukunft unserer Gesellschaft – aktiv mitzugestalten. Es ist eine packende Herausforderung, ein System von innen heraus zu verbessern. Wenn ich sehe, wie viele junge Kolleginnen und Kollegen mit Engagement und Elan, Eigeninitiative und großer Leidenschaft den alten Dampfer Justiz modernisieren und attraktiver machen, mit neuen Ideen alte Probleme einfach mal lösen und mit ihrer mitreißenden Art alles in Bewegung bringen, stellt sich mir nur eine Frage: 

Wer wäre da nicht gern dabei?