Einblicke in Esports von Rechtsanwalt Roman Koudous von G2 Esports
G2 als Esports-Organisation gibt es seit Februar 2014 – damals noch unter dem Namen „Gamers2“. Heute allerdings ist das Unternehmen bekannt als „G2 Esports“. Gründer der Organisation ist Carlos Rodriguez, seiner Zeit selbst Profispieler im Spiel „League of Legends“ für die damaligen Top-Teams sowie Jens Hilgers, „Serial Entrepreneur“ und Mitbegründer der aus Köln stammenden „Electronic Sports League“.
Heute ist G2 eine internationale Spitzenorganisation mit einigen der besten Profispieler:innen weltweit. Sie bringt nicht nur Innovation in das Management und Alltagsgeschäft von Esports-Teams, sondern G2 steht hierbei auch für Professionalität, Ehrgeiz und Belastbarkeit.
Esports bedeutet „Electronic Sports” und beschreibt den sportlichen Wettkampf mit dafür geeigneten Computer- und Videospielen jeglicher Art. Bei dem Großteil der Spiele, in denen G2 Esports vertreten ist (League of Legends, Counter-Strike: Global Offensive, Rainbow 6 Siege, Rocket League u. a.) treten jeweils zwei Teams (zwischen 3 und 5 Spielern pro Team) gegeneinander in diversen Spielmodi an.
Die juristische Tätigkeit rund um Esports
Die juristische Tätigkeit im Esports ist herausfordernd. Das gesamte Phänomen „Esports“ sowie die stetig wachsende Industrie um Esports herum sind neu und dynamisch. Eine eigene Rechtsabteilung ist für Esports-Teams bisher eher die Ausnahme als eine bereits etablierte Regel. Viele Teams behelfen sich weiterhin mit externer Beratung, wobei leider oft verkannt wird, dass eine interne juristische Einheit vieles zum Positiven hin bewirken kann. In dem Sinne ist die juristische Tätigkeit in diesem neuen Feld auch äußerst vielfältig und wegweisend.
Man kann hier grundsätzlich zwei Rollen unterscheiden. Einerseits ist man selbst „Entrepreneur:in“ und muss sich aus dem klassischen „juristischen“ Denken befreien. Andererseits bleibt man natürlich Syndikusrechtsvertretung und darf als Mitglied der Anwaltschaft Pflichten, Vorsicht und Präzision nicht verlieren. Es geht bei dieser Rolle oft darum, einen guten Mittelweg zu finden. Eine Mischung aus pragmatischen, schnellen Lösungen, die aber nichtsdestotrotz rechtlich abgesichert sind und eine ordentliche Risikoabwägung zu Grunde haben – „best of both worlds“ sozusagen.
Um vielleicht ein passendes Beispiel zu geben: Als Rechtsanwält:in wird man oft und in allen möglichen Konstellationen gefragt – „Können wir das so machen?“. Die beratende juristische Vertretung würde natürlich zunächst „Das kommt darauf an“ antworten, den gesamten Sachverhalt erforschen und eine halbe Promotionsarbeit als Antwort schicken, mit allen denkbaren Informationen (Problematik, verschiedene Lösungsansätze, Herleitung, und mit bestenfalls obergerichtlicher Rechtsprechung. Die bzw. der Rechtsanwält:in eines Unternehmens weiß, dass dies in der betrieblichen Praxis ganz anders läuft und das im Esports tätige Mitglied der Anwaltschaft legt noch einmal eine Schippe drauf. Denn am besten weiß es aus dem Stehgreif die Lösung und antwortet mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“. Hintergründe öffentlich skizzieren, verschiedene Definitionen heranziehen, Risiken analysieren – all das ist für die Entscheidungsfindung im Esports erst einmal scheinbar irrelevant. Die bzw. der Rechtsanwält:in braucht all dies natürlich, damit die Manager:innen im Esports in jeder Situation nicht nur gut beraten sind, sondern auch schnell und agil reagieren können. Das heißt am Ende beschäftigt man sich Stunden, Tage, im Extremfall Wochen mit einer Thematik und hat alles notwendige Wissen im Hinterkopf verstaut. Gefiltert kommt aber nur ein kurzes „Ja, aber wir müssen hier und da aufpassen“ als Antwort raus.
Der Großteil der Arbeit findet also im Hintergrund und im Zwiegespräch mit sich selbst statt. Oft erwischt man sich noch, etwas juristisch „ausschweifend“ zu werden. So hat man es ja auch gelernt – Sachverhalt komplett erforschen und möglichst umfassend, auf alles hinweisend antworten. Dafür ist im Esports nicht nur kaum Zeit, auch verwirrt es die Kolleg:innen und schafft am Ende nur mehr Arbeit. Die Arbeit im Esports Unternehmen schärft somit die eigene Kommunikation, um noch wesentlich „adressatengerechte“ Ergebnisse zu liefern. Das hohe Level an Eigenverantwortung schult eine selbstständige Arbeitsweise überdies auch sich selbst und die eigenen Ergebnisse zu hinterfragen. Eine tolle Übung auch für diejenigen unter uns, die vielleicht selber irgendwann mit dem Gedanken der Selbstständigkeit spielen.
Neben der juristischen Rolle ist man auch Manager:in, Prozessoptimierer:in und gewissermaßen ein „Jack-(and Jill)-of-all-trades“. Die Kombination aus Start-up, was viele Esports-Unternehmen naturgemäß noch sind, Internationalität und eben schnelllebigem Esports, wo Entscheidungen teilweise in Stunden getroffen werden müssen, macht es erforderlich, dass man bereit ist, weit über den Tellerrand hinauszuschauen.
Neben dieser betrieblichen Vielfältigkeit gibt es noch eine fachliche Vielfältigkeit. Es ist nicht selten, dass man sich an einem Tag mit Arbeitsrecht, allgemeinem Zivilrecht, Vertragsrecht, internationalem Vertriebsrecht, Nicht-EU Jurisdiktionen, Marken- und Urheberrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, (Gewerbe)Mietrecht, Franchiserecht und weiteren Rechtsgebieten beschäftigt. Man muss sich fachlich breit aufstellen und in der Lage sein, täglich mit völlig unbekannten Fachgebieten und Themenfeldern umzugehen. So findet man auch als junger Mensch in der Welt des Rechts seine eigene Nische und es wird dank abwechslungsreicher Aufgaben und der Prise gesundem Chaos nie langweilig.
E-Commerce und Social Media – die neuen Welten auch bei Esports
E-Commerce ist ein Teil unseres Kerngeschäfts. Als eine der erfolgreichsten Esports-Organisationen weltweit haben wir naturgemäß viele Fans und diese wollen bedient werden. Insofern haben wir eine breite Produktpalette an Kleidung, Dekoration und sonstigen Gegenständen, die wir in unserem hauseigenen Shop anbieten. Wir liefern weltweit. Der gesamte juristische Hintergrund des E-Commerce fällt daher auch in meinen juristischen Verantwortungsbereich. Von Verträgen, Vertriebsketten und -kanälen über Rechtegewährung, Margen („Royalties“) – kurz: alles Notwendige.
Die Start-up-Mentalität, wie oben beschrieben, ist Grundvoraussetzung unabhängig von der Rolle (ob Jurist:in, Buchhalter:in, Video-Editor:in, Social Media Spezialist:in), um im Esports glücklich zu werden. Diese richtige Einstellung lohnt sich aber: Mit ihr wird kein Tag langweilig. Gefordert und gefördert zu werden hält Geist, Fähigkeiten und Wissen frisch und am Ende des Tages weiß man, was man selber geschafft hat, statt als kleines Rädchen im Getriebe Dienst nach Vorschrift zu verrichten.
Und man setzt sich mit neuen Medien auseinander. Das richtige Stichwort und „Herz“ von G2 Esports ist Social Media. G2 Esports ist unter anderem deshalb so beliebt bei Fans, weil wir sie in den sozialen Medien täglich aufs Neue abholen. Die Fans kommen hier voll auf ihre Kosten, denn sie sind der Fokus. G2 Esports interagiert mit ihnen und reagiert auf ihre Bedürfnisse. Der Inhalt ist dabei relativ klar: Entertainment und Spaß für alle virtuellen Zuschauer:innen und/oder Besucher:innen. Die Leute sollen sich amüsieren, informieren und lachen, wenn sie G2 Esports auf allen gängigen Social Media Kanälen folgen. Und das funktioniert auch. Juristisch haben wir in diesem Kontext viel mit Medienrecht und insbesondere Datenschutzrecht zu tun.
Esports – ein Themenbereich der Zukunft
Esports gewinnt an Bedeutung. Ich sehe mehr und mehr Kanzleien und Anwält:innen, die sich auf „Esports und Gaming“ spezialisieren (wollen). Größere Kanzleien gründen entsprechende Praxisgruppen. Nicht unerwähnt bleiben soll auch die juristische Forschung um das Thema Esports. Die Universität Augsburg hat beispielsweise eine eigene „Forschungsstelle für Esports-Recht“ gegründet. Es wird geforscht, es werden Artikel veröffentlicht und derzeit arbeitet die Forschungsstelle sogar an einem Kommentar zum Esports-Recht.
G2 Esports als mögliche Anwaltsstation und Wahlstation für Referendar:innen
Als festangestellten Rechtsanwalt gibt es derzeit bei G2 Esports nur mich, dennoch bin ich nie alleine. Neben den anderen Kolleg:innen haben wir laufend im Jahr Referendar:innen (beginnend in 2021) und Jurastudierende als Praktikant:innen. Ich binde die Kolleg:innen voll und ganz in den Tagesablauf ein. Das ist mir nicht nur persönlich wichtig, sondern macht für mich auch das “Abenteuer Start-up” aus. In Großkanzleien ist man eine Nummer im Hinterzimmer, die zuarbeitet. Als Student:in steht man dort in der Regel am Kopierer. Hier bei uns interessiert sich keiner für deinen akademischen Grad oder in wie vielen Großkanzleien du schon warst. Hier bist du „in der Rechtsabteilung“ und damit werden du, ich und alle anderen Kolleg:innen auf Augenhöhe arbeiten. Die Lernkurve ist verglichen zu jeder anderen Stelle enorm hoch.
Referendar:innen und auch Praktikant:innen packen bei allen Aufgaben mit an, die ich auch erledige oder jede:r andere Jurist:in, sobald es denn zukünftig mehr gibt. Da ist sich keiner für irgendwelche Aufgaben zu fein. Die Ausbildung könnte nicht praxisnäher sein. Mit unserer flachen Hierarchie wird hier jeder ernst genommen und als ein modernes und junges Unternehmen bieten wir selbstverständlich für alle Kolleg:innen flexible Arbeitszeiten an. Einige kommen gerne um 7 Uhr und andere erst um 10 oder gar 11 Uhr. Es geht nicht darum, als Erster am Platz zu sein. Die Arbeit muss erledigt werden, und zwar in Eigenverantwortung. Für die Examensvorbereitung – gerade auch, weil ich es selbst noch gut in Erinnerung habe – wird natürlich darauf geachtet, dass die AGs Vorrang haben und die Kolleg:innen ausreichend Zeit erhalten, sich auf Prüfungen vorzubereiten. Eine Vergütung wird angeboten.
Wir nehmen Referendar:innen in jeder Phase auf – ob Anwalts- oder Wahlstation. Ob und wie man beide Stationen kombinieren möchte, ist jedem selbst überlassen. Eine Übernahmewahrscheinlichkeit ist, sobald die Rechtsabteilung groß genug wird, um mehr Anwält:innen einzustellen, auch gegeben. Es wird am Ende mehr auf die Persönlichkeit und Bereitschaft, am Esports mitzuwirken geschaut als etwa auf Examensnoten und einem LLM in Harvard.