Diversity und Inclusion: Mitarbeitervielfalt und Geschäftserfolg
In diesem Interview befragte unser Redaktionsleiter Sebastian M. Klingenberg im Juli 2021 Carolin Carstens, COO & Head of HR Germany, von Simmons & Simmons LLP zu den Themen: Diversity und Inclusion. Sie erklärt uns die Bedeutung der beiden Begriffe und spricht u. a. über den Diversity-Tag, die Charta der Vielfalt und Diversity Management.
Zur Person & zum Unternehmen
Frau Carolin Carstens ist seit Anfang 2014 für den Personalbereich bei Simmons & Simmons tätig. „Als Diplombetriebswirtin mit einem Master in Wirtschaftspsychologie finde ich das Thema Diversity sowohl betriebswirtschaftlich als auch psychologisch in all seinen Facetten sehr spannend.“
Simmons & Simmons LLP ist eine internationale Wirtschaftskanzlei mit eigenen Büros an 21 Standorten in Europa, Asien und dem mittleren Osten. Gegründet in London 1896 feiert die Kanzlei dieses Jahr ihr 125-jähriges Jubiläum. Ihr mit Abstand größter Standort ist London, Wachstumspotenzial wird in Europa gesehen und dabei insbesondere in Deutschland. Auch personell wächst die Kanzlei in Deutschland zurzeit stark. „Mit drei Standorten und ca. 80 Anwälten (m/w/d) in Deutschland sind wir mehr als nur ein kleiner Ableger einer britischen Kanzlei.“
Simmons & Simmons LLP hat sich als Kanzlei mit einem Fokus auf folgende, stark regulierte Sektoren positioniert:
- Financial Institutions
- Asset Management & Investment Funds
- Technology, Media & Telecommunications
- Health & Life Sciences.
Dabei sind sie in den folgenden Rechtsbereichen vertreten: Arbeitsrecht, Bankrecht, Corporate/ M&A, Finanzrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Konfliktlösung und Steuerrecht.
Das Interview
Klingenberg: Frau Carstens, vielen Dank zunächst, dass Sie sich für dieses Interview bereit erklärt haben. Es soll um ‚Diversity‘ und ‚Inclusion‘ gehen. Ganz generell, was ist unter diesen Begriffen zu verstehen, und was bedeuten sie für Sie?
Carolin Carstens: Ganz grundsätzlich bezieht sich ‚Diversity‘ auf den Zustand, vielfältig zu sein. Konkret am Arbeitsplatz bedeutet diese Vielfalt, die unterschiedlichen Facetten der Welt, in der wir leben, abzubilden, sowohl verschiedene Kulturen, Perspektiven als auch Ethnien. Ein Unternehmen sollte diese Vielfalt widerspiegeln, nicht nur durch eine multikulturelle Belegschaft. Es geht um all die verschiedenen Unterschiede zwischen Menschen: Geschlecht und geschlechtliche Identität, Ethnie, Nationalität, Religion und Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung, Bildung, sozioökonomische Umstände.
‚Inclusion‘ am Arbeitsplatz heißt, jedem Mitarbeiter (m/w/d) Möglichkeiten zur Entfaltung zu geben. Wenn Diversity bedeutet, eine Belegschaft zu schaffen, die eine Vielfalt von individuellen Lebenswegen und Erfahrungen beinhaltet, dann ist Inclusion die Möglichkeit, ihnen allen ein Forum zu verschaffen, um gemeinsam als Team noch besser zu werden.
Klingenberg: Wie steht Simmons & Simmons LLP zu diesem Thema?
Carolin Carstens: Für uns sind die Themen Diversity und Inclusion von besonderer Wichtigkeit. Unsere Mitarbeiter (m/w/d) machen uns schließlich aus – denn das Ergebnis unserer Arbeit wird maßgeblich von ihnen gestaltet und geprägt. Und eine Arbeitsumgebung, in der jedem Menschen Respekt und Anerkennung entgegengebracht wird, hat zudem nachweislich viele positive Effekte, für den Menschen, aber auch für das Unternehmen. So dokumentieren mittlerweile zahlreiche Studien den Zusammenhang zwischen Mitarbeitervielfalt und Geschäftserfolg. Deswegen ist es uns ein Anliegen, für jeden Mitarbeiter (m/w/d) ein Umfeld zu schaffen, in dem man sein kann, wie man ist. Gerade im Employer Branding ist dieser Aspekt nicht mehr wegzudenken. Auch unsere Mandanten erwarten zunehmend, dass wir in dem Bereich aktiv und gut aufgestellt sind.
Klingenberg: Simmons & Simmons LLP hat als Unternehmen die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Worum geht es genau bei der Charta der Vielfalt e.V. und welchen Vorteil erhofft sich Simmons & Simmons LLP von einer Unterzeichnung?
Carolin Carstens: Die Charta der Vielfalt ist eine Arbeitgebenden-Initiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen. Ziel der Initiative ist es, die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen. Organisationen sollen ein Arbeitsumfeld erschaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeiter (m/w/d) sollen Wertschätzung erfahren – unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft.
Durch die Charta der Vielfalt können wir regelmäßig vergleichen, wo wir mit unseren Maßnahmen stehen, uns Anregungen für weitere Initiativen holen und nach außen zeigen, sowohl potenziellen Bewerbern (m/w/d) als auch Mandanten, dass uns das Thema Diversity wichtig ist und wir aktiv daran arbeiten, noch besser zu werden.
Klingenberg: Am 18. Mai 2021 war der 9. Deutsche Diversity-Tag. Zu diesem Anlass veranstaltete Simmons & Simmons LLP eine Online-Veranstaltung zum Thema „Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“. Können Sie uns einige Einblicke geben, worum es in dieser Online-Veranstaltung genau ging?
Carolin Carstens: Die richtige Verwendung von Begriffen, die Haltung in Bezug auf das Thema sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität und die Sensibilität für eine klare Kommunikation wird oft unterschätzt. So stellten wir bei unserem jährlichen Diversity-Audit fest, dass viele Mitarbeiter (m/w/d) die Bedeutung der Begriffe Cis-Frau/Cis-Mann nicht kannten. Um die Dimensionen von Vielfalt besser kennen zu lernen, haben wir am Diversity-Tag eine Veranstaltung durchgeführt, die einen Fokus auf die Bedeutung und Unterscheidung der Begriffe legte, sowie rechtliche Dimensionen und verfassungsrechtliche Aspekte aufzeigte. Als internationale Großkanzlei gehört es zu unserem Selbstverständnis, dass wir Vielfalt und Chancengleichheit unserer Mitarbeiter (m/w/d) fördern. Vielen geläufig war noch der Begriff der sexuellen Orientierung. Anders sieht es jedoch bei der geschlechtlichen Identität aus. Dieser bezeichnet das grundlegende Selbstverständnis der Menschen davon, wer sie als geschlechtliche Wesen sind, wie sie sich selbst wahrnehmen und wie sie von anderen wahrgenommen werden wollen. Mit der diesjährigen Veranstaltung ist es uns gelungen, einen offenen und sicheren Umgang mit der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität zu schaffen und die Gender- und Vielfaltskompetenz zu fördern.
Klingenberg: Mit so viel Engagement zum Thema Diversity und Inclusion ist Simmons & Simmons LLP sicherlich auch gut im ‚Diversity Management‘ aufgestellt. Was genau ist aber unter diesem Begriff zu verstehen?
Carolin Carstens: ‚Diversity Management‘ bezeichnet die Anerkennung und Nutzbarmachung von Vielfalt in Unternehmen. Dafür ist es erforderlich, Diversity messbar zu machen und das Topmanagement verantwortlich zu machen.
Klingenberg: Wie setzt man Diversity Management richtig um bzw. was können Kanzleien für ein Diversity-freundliches Umfeld tun?
Carolin Carstens: Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme, um dann im zweiten Schritt realistische Ziele und Zeiträume zu formulieren, Daten zu sammeln und über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Das ist das, was wir beispielsweise mittlerweile seit drei Jahren mit unserem Diversity Audit machen, eine freiwillige, anonyme Umfrage in unserer Belegschaft zu verschiedenen Diversity Aspekten. Daraus können wir Handlungsfelder ableiten, um an den uns selbst gesteckten Zielen zu arbeiten.
Klingenberg: Ich finde es jedenfalls großartig, dass sich Simmons & Simmons LLP mit dem Thema Diversity und Inclusion so intensiv auseinandersetzt. Die Juristenbranche gilt schließlich als recht konservativ. Wie sind dahingehend Ihre Erfahrungen, einmal von Simmons & Simmons LLP abgesehen?
Carolin Carstens: Das kann ich aus meiner Erfahrung so nicht bestätigen. Wir nehmen regelmäßig an LGBT+ Messen wie der Sticks & Stones oder der PANDA teil, bei denen viele Kanzleien vertreten sind und auch bei Bewerbern (m/w/d) wird das Thema immer wichtiger und daher auch häufiger direkt thematisiert.
Klingenberg: Statistiken und Umfragen zufolge outen sich LGBT+ in Deutschland seltener als in anderen Ländern. Dies liegt nach deren Angaben hauptsächlich daran, dass sie das Outing als Karrierehindernis sehen. Sie als COO & Head of HR Germany sind stark im Bewerbungsprozess integriert. Wie bewerten Sie das und wie gehen Sie im Bewerbungsprozess damit um?
Carolin Carstens: Mich bestürzen solche Aussagen nach wie vor. Wenn wir Associates einstellen, ist für uns ausschlaggebend, den am besten passenden Bewerber (m/w/d) für unsere Vakanz zu finden. Dabei spielen wesentlich mehr Facetten eine Rolle, als die sexuelle Orientierung oder Identität. Insbesondere die persönliche Passung, geprägt durch alle möglichen Diversity-Ausprägungen ist neben der fachlichen Expertise für uns regelmäßig ausschlaggebend.
Klingenberg: Woran erkennen Bewerber, dass Diversity in einer Kanzlei gelebt wird?
Carolin Carstens: Logos wie die Charta der Vielfalt, Proud at Work etc. helfen uns als Arbeitgeber nach außen sichtbar zu zeigen, dass das Thema einen wichtigen Stellenwert für die Kanzlei hat. Daran können sich selbstverständlich auch Bewerber (m/w/d) orientieren. Am zuverlässigsten ist es aber sicherlich, sich selbst durch Praktika, während des Referendariats etc. einen Einblick zu verschaffen, wie hinter den Kulissen mit dem Thema umgegangen, wie es gelebt wird und ob es nicht nur ein bloßes Lippenbekenntnis ist.
Klingenberg: Was meinen Sie, was könnte die Politik in dieser Hinsicht besser machen?
Carolin Carstens: Ich bin mir nicht sicher, ob feste Quoten helfen würden. Allerdings könnte man es auf einen Versuch ankommen lassen, da sich die Situation dadurch sehr wahrscheinlich nicht verschlechtern kann.
Klingenberg: Möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern abschließend noch etwas auf den Weg geben?
Carolin Carstens: Auch wenn in vielen Organisationen zum Thema Diversity und Inclusion noch ein weiter Weg zu gehen ist, haben sich auch schon einige auf den Weg gemacht und sind ein gutes Stück vorangekommen. Bei der Wahl des richtigen Arbeitgebers sollte man nach den beschriebenen Anzeichen Ausschau halten, diese prüfen und hinterfragen, wenn einem das Thema wichtig ist. Bei der Gestaltung eines vorurteilsfreien Umfeldes kann der Arbeitgeber den Rahmen vorgeben, leben sollte es dann aber jeder Mitarbeiter (m/w/d) im täglichen Miteinander.
Vielen Dank für das Interview.