Interview mit Claudia Trillig über die juristische Ausbildung bei Baker McKenzie

Unser Redaktionsleiter Sebastian M. Klingenberg befragte im Oktober 2021 Claudia Trillig im folgenden Interview zur juristischen Ausbildung sowie zum Bewerbungsprozess, inklusive Do’s and Don’ts im Lebenslauf und Bewerbungsschreiben sowie Top-Fragen im Bewerbungsgespräch und zum Berufseinstieg, inklusive Onboarding bei Baker McKenzie.

Zur Person

Claudia Trillig ist Director HR von Baker McKenzie Deutschland. Bevor sie 2001 bei Baker McKenzie in Frankfurt startete, war sie knapp zehn Jahre bei der heutigen Daimler AG tätig. Nach ihrem Einstieg im Mercedes-Benz Traineeprogramm war sie in unterschiedlichen HR-Rollen im In- und Ausland tätig, zuletzt als Leiterin Internationale Führungsnachwuchsgruppe bei Daimler Chrysler.

Zum Unternehmen

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern arbeitet als Kanzlei über Grenzen, Märkte und Industrien hinweg zusammen, in 77 Büros weltweit.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen haben den Mut, neue Ideen zu entwickeln und neue Technologien zu nutzen.“

In Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung navigiert die Kanzlei Unternehmen sicher durch die Märkte und gibt Antworten auf ihre komplexen rechtlichen Fragen.

Die einzigartige Kultur ermöglicht es der Kanzlei, lokale Märkte zu verstehen und gleichzeitig international zu agieren. Die vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit in ihren Büros rund um den Globus setzt sie zum Wohle ihrer Mandanten ein.

“Wir sind The New Lawyers.

Wir sind Baker McKenzie.“

Das Interview

Klingenberg: Liebe Frau Trillig, vielen Dank zunächst, dass Sie sich für dieses Interview bereit erklärt haben. Es soll um die juristische Ausbildung sowie um den Bewerbungsprozess und den Berufseinstieg inklusive Onboarding bei Baker McKenzie gehen. Beginnen möchte ich mit dem Bewerbungsprozess, daher zum Einstieg: Wie viele Bewerbungen bearbeiten Sie im Durchschnitt pro Jahr?

Claudia Trillig: Wir erhalten pro Jahr rund 1.000 Bewerbungen, die sich auf die unterschiedlichen Zielgruppen verteilen.

Klingenberg: Wie gehen Sie bei der Bearbeitung einer Bewerbung vor? Beginnen Sie mit dem Bewerbungsschreiben oder mit dem Lebenslauf?

Claudia Trillig: Am Anfang steht für mich immer der Lebenslauf. Anhand des CVs verschaffe ich mir einen guten und raschen Überblick, wer sich bei uns bewirbt und erfahre viel über die Person, die sich hinter den Zeilen verbirgt.

Klingenberg: Der Bewerber macht seinen ersten Eindruck bei Ihnen also mit dem Curriculum Vitae. Was zeichnet für Sie einen guten Lebenslauf aus und was ist hierbei für Sie ein Ausschlusskriterium?

Claudia Trillig: Ein guter CV ist maximal zwei Seiten lang, klar strukturiert und lückenlos. Er zeigt alle Stationen des Karrierewegs – vom Schulabschluss bis heute. Hobbies, Interessen und Engagements, die über das Schulische und Universitäre hinausgehen, sollte die Bewerberin bzw. der Bewerber auf jeden Fall im CV erwähnen. Denn diese zeigen den Menschen dahinter, seine Interessen und Neigungen.

Klingenberg: Und wie sieht es mit dem Bewerbungsschreiben aus? Welcher Fehler ist hier für Sie ein Ausschlusskriterium? Und was zeichnet für Sie ein gutes Anschreiben aus?

Claudia Trillig: Ein ideales Anschreiben ist für mich, wenn es kurz, knapp und ‚to the point’ formuliert ist. Es sollte eine klare Struktur und einen roten Faden haben. Die Bewerberin bzw. der Bewerber sollte darin etwas Individuelles über die eigene Person preisgeben. Kurz: Wer bin ich? Was ist meine Motivation? Was macht mich aus? Ganz wichtig ist, dass das Anschreiben nicht den CV wiedergibt.

Klingenberg: Nehmen wir einmal an, der Lebenslauf konnte keinen guten ersten Eindruck vermitteln. Legen Sie damit die gesamte Bewerbung beiseite oder schauen Sie sich in einem solchen Fall dennoch das Bewerbungsschreiben an? Und nehmen wir weiter an, dass das Anschreiben Ihren eben genannten Anforderungen entspricht. Genügt das für eine Einladung zum Bewerbungsgespräch oder muss in einem solchen Fall der Lebenslauf zusätzlich punkten?

Claudia Trillig: Ich schaue mir grundsätzlich jede Bewerbung an. Wenn mein Team und ich zum Schluss kommen, dass das Gesamtbild passt, sprechen wir eine Einladung zum persönlichen Gespräch aus.

Klingenberg: Kommen wir damit zum Bewerbungsgespräch. Was sind Ihre drei Top-Fragen, die Sie im Grunde jedem Bewerber während eines Vorstellungsgesprächs stellen?

Claudia Trillig: Die drei Top-Fragen sind:

  • Was hat die Bewerberin bzw. den Bewerber motiviert, den bisherigen Karriereweg zu gehen?
  • Was müssen wir als Arbeitgeber bieten, dass die Kandidatin bzw. der Kandidat einsteigt und bleibt?
  • Gibt es ‚No Gos’ für eine gemeinsame Zusammenarbeit?

Klingenberg: Vielen Dank für diese interessanten Einblicke zu Ihrem Bewerbungsprozess.

Kommen wir nun zur juristischen Ausbildung bei Baker McKenzie: Wie gestaltet sich die Referendarstation? Wie sieht in diesem Zusammenhang der typische Tagesablauf eines Rechtsreferendars aus?

Claudia Trillig: Referendare haben bei uns die Möglichkeit, eine Anwalts-/Wahlstation zu absolvieren, in Nebentätigkeit oder an einem unserer weltweiten Standorte aktiv zu werden. Unsere Anwälte binden Referendare regelmäßig ins Tagesgeschäft aktiv ein, sie arbeiten an aktuellen Fällen mit, sind bei Gerichts- und Mandantenterminen mit dabei, genauso wie bei Telefonkonferenzen und Praxisgruppen-Treffen. Das bedeutet: Im Fokus steht zum einen das fachliche Lernen, zum anderen die Integration in unsere Kanzlei. Wie funktioniert der Alltag in der Kanzlei? Wie fühlt sich die Kultur an? Wie sieht die Arbeit im Team aus? Das alles lernt man, indem man ins Kanzleileben eintaucht.

Klingenberg: Baker McKenzie bietet Referendaren die Möglichkeit, eine Station im Ausland zu verbringen. Welche Voraussetzungen muss der Referendar hierfür erfüllen?

Claudia Trillig: Wer in einem unserer deutschen Büros erfolgreich eine Tätigkeit abgeschlossen hat, dem steht die Tür offen für eine Wahlstation in einem unserer ausländischen Büros – ebenso als Mentee unseres Career Mentorship Program. Im Rahmen dieses Programms begleiten wir talentierte Nachwuchsjuristen ausbildungsbegleitend, idealerweise bis zum Einstieg bei uns.

Klingenberg: Was sind die großen Benefits einer Auslandsstation und inwieweit sind diese Benefits für die juristische Tätigkeit wichtig?

Claudia Trillig: Während einer Auslandsstation lernt man neben einer anderen Sprache eine fremde Kultur kennen und auch, sich in einem anderen Land zurechtzufinden. Außerdem knüpft man wertvolle Kontakte mit Kollegen und Mandanten, die einem später in der Mandatsarbeit zu Gute kommen. Darüber hinaus erfährt man, wie fachliche Themen in einer anderen Jurisdiktion gehandhabt werden. Alles in allem bietet die Station im Ausland also einen hohen Lerneffekt und Mehrwert.

Klingenberg: Wie viele Referendare nimmt Baker McKenzie durchschnittlich im Jahr auf? Welche Kriterien sollte ein Referendar möglichst erfüllen, wenn er sich eine Übernahme erhofft?

Claudia Trillig: Wir nehmen in unseren deutschen Büros jährlich rund 75 Referendare auf. Daneben nehmen aktuell 50 Nachwuchsjuristen als Mentees an unserem Career Mentorship Program in Deutschland teil. Referendare, die als Associates bei uns einsteigen möchten, sollten neben fachlichen Qualifikationen unternehmerische Fähigkeiten und ein ausgeprägtes Interesse an Innovation, Digitalisierung und Legal Tech mitbringen.

Klingenberg: Abschließend möchte ich mich nun dem Onboarding bei Baker McKenzie zuwenden. Was können Berufseinsteiger in den ersten 100 Tagen bei Ihnen in der Kanzlei erwarten?

Claudia Trillig: Unser HR-Team führt die neuen Kollegen an ihrem „Tag eins“ in der Kanzlei durch das Büro und stellt ihnen Kollegen aus möglichst allen Bereichen vor, um ein erstes persönliches kurzes Kennenlernen zu ermöglichen. Anschließend treffen sie u. a. ihren Mentor und ihr Team, ihren Buddy sowie wichtige Ansprechpartner der Business Services Bereiche. Die HR-Abteilung führt mit allen neuen Kollegen ein Onboarding Gespräch, begleitet die Kollegen der weiteren deutschen Büros bei ihrem „Ankommen“, führt die Kollegen u. a. in das Intranet und interne Schulungsprogramm ein und stellt wichtige Tools bereit.

Jeder neue Kollege hat von Beginn an einen Mentor zu Seite – einen Partner seiner eigenen Praxisgruppe, der sich der Entwicklung, Ausbildung und Auslastung des neuen Kollegen annimmt, ihn von Beginn an fordert und fördert. Außerdem bekommt jeder neue Kollege im Zuge unseres Buddy-Programms einen sog. Buddy zur Seite gestellt. Buddys sind erfahrene Associates, die die neuen Kollegen bei ihrem Einstieg unterstützen, also Kontakte zu knüpfen und sich im Arbeitsalltag zu orientieren. Gleichzeitig ist auch der neue Kollege gefordert, sich einzubringen, Fragen zu stellen und sich über seine Erfahrungen und über Neuigkeiten aus seiner eigenen Praxisgruppe mit seinem Buddy auszutauschen. Die HR-Abteilung achtet darauf, dass der Buddy eine ähnliche Seniorität hat wie der neue Kollege. Der Buddy kann sowohl aus der eigenen als auch aus einer anderen Praxisgruppe stammen.

Das Einführungsprogramm setzt sich zusammen aus einer zweitägigen Take-off Veranstaltung, während der die neuen Kollegen einen umfassenden Überblick in wichtige Themen wie Strategie, Financials, Risikomanagement und Qualität erhalten und an der online IT New Joiner Schulung und der online Schulung zur Zeiteingabe und Zeiterfassungsrichtlinie teilnehmen. Auch das Thema Professional Development Einweisung steht auf der Agenda, entweder „face to face“ oder in kleinen Gruppen. Außerdem sind die neuen Kollegen von Beginn an eingeladen, an den virtuellen Sessions der Programmreihe „StayConnected“ teilzunehmen, die unsere Kanzlei mit Beginn der Coronapandemie ins Leben gerufen hat, um weiterhin im Austausch und in Kontakt miteinander zu bleiben – mit Bausteinen wie E-Learning/E-Training/E-Coaching, Tipps/Q&As, Networking und Fitness/bWell.

Klingenberg: Auf längere Sicht profitieren Berufseinsteiger bei Baker McKenzie auch von den Aus- und Weiterbildungs- sowie Förderprogrammen. Welche Möglichkeiten haben die jungen Volljuristen hier und was erhoffen Sie sich konkret als Kanzlei von dieser Art von Unterstützung?

Claudia Trillig: Mit dem Development Framework fördern wir unsere Kollegen schrittweise, angepasst an Seniorität und Entwicklung und unterstützen mit regelmäßigem Feedback und maßgeschneidertem Ausbildungsprogramm – vom Ausbildungsplan über unsere Inhouse University bis hin zu Mobility Programmen und speziellen Kursangeboten.

In der Inhouse University bilden externe Trainer und unsere Partner Associates in Seminaren in Soft Skills aus, z. B. zu Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Konfliktmanagement, Beauty Contests, Rhetorik und Führungstraining, und auch in Hard Skills, z. B. Bilanzanalyse.

Innerhalb des ersten halben Jahres in der Kanzlei partizipieren Associates am European New Joiner Meeting. Rund 100 Associates aus den europäischen Büros kommen an einem der europäischen Standorte der Kanzlei zusammen, lernen diesen sowie die Strategie der Kanzlei kennen und werden von einem Partner in Hard- und Soft Skills geschult. Im zweiten Berufsjahr findet das European Junior Associate Meeting statt, im dritten oder vierten Berufsjahr das European Mid Level Associate Meeting. Je nach Seniorität der Anwälte werden Themen aufgegriffen und diskutiert.

Darüber hinaus eröffnen wir mit unseren Mobility Programmen vielfältige Möglichkeiten, in unseren Büros rund um den Globus zu arbeiten, von zwei Wochen bis zu zwei Jahren.

Daneben gibt es eine ganze Reihe an Legal Tech Ausbildungsinhalten, z. B. das Innovation & Legal Tech-Seminar in unserer Inhouse University. Unsere Associates lernen, interne und mandantenorientierte Lösungen zu entwickeln und zu implementieren, Möglichkeiten zu identifizieren und Potentiale in ihrem Bereich zu spezifizieren, Datenvisualisierung zur Optimierung juristischer Arbeitsprodukte zu nutzen, Datenaufbereitungen vorzunehmen, Design mit Daten zu kombinieren und so zu wertvollen Insights zu gelangen. Die Associates entwickeln auch eigene Tools, die sie z. T. auch für ihre eigene Arbeit einsetzen. Ab dem dritten Jahr bei uns bieten wir Associates einen “Booster“, ein zusätzliches Budget für Talent Management und Business Development Aktivitäten. Damit fördern und unterstützen wir ihre unternehmerischen Ideen, v. a. in den Bereichen Legal Tech, Innovation und Unternehmertum. Der “Booster“ ergänzt unsere Angebote für Associates und unterstützt sie, sich zu einer Anwaltspersönlichkeit zu entwickeln. Beispiele für die Verwendung des Booster Budgets sind u. a. der Test einer in der Kanzlei bislang noch nicht verwendeten Legal Tech Automations-Software, ein Innovation Ambassador Dinner, ein Video zur Vorstellung von Anwälten, das im Rahmen von Pitches verwendet werden kann, Coachings und ein Podcast zur Schiedsgerichtsbarkeit.

Klingenberg: Möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern abschließend noch etwas auf den Weg geben?

Claudia Trillig: Seien Sie authentisch – das fängt bei der Gestaltung Ihrer Unterlagen, also CV und Anschreiben, an, geht über das Vorstellungsgespräch und idealerweise bis zum Einstieg bei uns in Ihrem künftigen Team.

Vielen Dank für das Interview.