Auf ins Arbeitsleben?!

Ich stelle mir – neben Prokrastination, Langeweile oder idealerweise schlichtem Interesse – zwei weitere Szenarien vor, die dich zum Lesen dieses Artikels zu den alternativen Wegen als Diplom-Jurist:in bewegen könnten:

Szenario 1: Geschafft, das Erste Juristische Staatsexamen ist in der Tasche.

Freude, Erleichterung und Stolz…und was jetzt…?

Du stehst nun vor der Entscheidung wie dein Berufsweg aussehen soll. Mit dem Ersten Staatsexamen hast du einen Hochschulabschluss in der Tasche. Einige Universitäten verleihen dir jetzt (auf Antrag) den akademischen Grad „Diplom-Jurist:in“. Doch wie sieht der Arbeitsmarkt für Juristen und Juristinnen mit Erstem Staatsexamen aus und welche Möglichkeiten hast du, wenn du frisch von der Uni kommst?

Szenario 2: Du hast hart gearbeitet und alles gegeben, doch es war leider nicht genug. Du hast das Zweite Staatsexamen nicht bestanden. Sollte dieses Worst-Case-Szenario eingetreten sein, führe dir vor Augen: Mit dem Ersten Staatsexamen hast du einen Hochschulabschluss in der Tasche (!); machen wir das Beste daraus!

Was darf ein:e Diplom-Jurist:in überhaupt?

Du bist (noch) kein:e sog. Volljurist:in, das heißt du bist als Diplom-Jurist:in nicht für eine selbständige, geschäftsmäßige Rechtsberatung zugelassen oder anders gesagt für den Beruf des Richters bzw. der Richterin, des/der Staatsanwalts/-anwältin oder des/der Rechtsanwalts/-anwältin bist du mit dem Ersten Staatsexamen allein nicht qualifiziert.

Im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), welches am 1. Juli 2008 in Kraft trat, finden sich einige außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, die auch ein:e Diplom-Jurist:in erbringen darf (§ 2 Abs. 3 RDG). Dazu gehört etwa die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten oder die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen.

Wirtschaft

Als Diplom-Jurist:in könntest du zum Beispiel als juristische:r Sachbearbeiter:in in Versicherungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Unternehmensberatungen oder Rechtsabteilung einer Firma arbeiten. Auch in Personalabteilungen von Unternehmen sind Diplom-Juristen und -Juristinnen gerngesehene Kollegen und Kolleginnen. Auch juristische Verlage suchen manchmal Diplom-Juristen und -Juristinnen für das Lektorat.

Wissenschaft

Du könntest natürlich auch an der Universität bleiben und in die Wissenschaft gehen. Als Wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in unterstützt du die Lehre und die Forschung. Solltest du diesen Weg einschlagen wollen, gibt es die Möglichkeit der Anstellung im Öffentlichen Dienst. Nicht nur der Fachbereich Rechtswissenschaft sucht Juristen und Juristinnen, auch in anderen Fachbereichen oder in der Verwaltung sind hier und da Stellen für Diplom-Juristen und -Juristinnen zu finden.

Öffentlicher Dienst

Wenn der Öffentliche Dienst attraktiv für dich ist, besteht auch die Möglichkeit in der Verwaltung, auf dem Arbeitsamt oder dem Ordnungsamt einen Job als Diplom-Jurist:in zu finden. Auch kannst du dich in der Politik einbringen und in einem Bundes- oder Landesministerium arbeiten.

Recht

Du kannst mit dem Ersten Staatsexamen außerdem als Rechtliche:r Betreuer:in tätig werden. Als solche:r handelst du als gesetzliche:r Vertreter:in für Erwachsene gemäß §§ 1896 ff. BGB, die ihre Angelegenheiten nicht oder nur teilweise selbständig regeln können. Dafür ist außer dem Ersten Staatsexamen zunächst eine Eignungsprüfung und sodann die Bestellung durch das Betreuungsgericht notwendig.

Auch in Anwaltskanzleien kannst du deinen Platz als Diplom-Jurist:in finden. Zwar kannst du nicht als Anwalt bzw. Anwältin arbeiten, aber es gibt eine Fülle von Aufgaben, die hier gerne von Diplom-Juristen und -Juristinnen übernommen werden: etwa die juristische Recherche, das Entwerfen von Schriftsätzen und insgesamt alles, was an „gehobener Sachbearbeitung“ in einer Kanzlei anfällt, wofür aber die Rechtsanwaltsfachangestellten nicht qualifiziert sind. In englischsprachigen Ländern nennt sich ein solcher juristische:r Sachbearbeiter:in „Paralegal“.

International

Als Diplom-Jurist:in kannst du auch international arbeiten, etwa im Diplomatischen Dienst, wenn du die deutsche Staatsangehörigkeit und die erfolgreiche Teilnahme am Auswahlverfahren vorweisen kannst. Gut wäre dann außerdem, wenn du Englisch und evtl. auch Französisch sprechen kannst und zudem bereit bist dich auf der ganzen Welt versetzen zu lassen. Du bist dann überwiegend für die Pflege der auswärtigen Beziehungen und konsularischen Tätigkeiten zuständig.

Interessant für dich ist vielleicht auch die Arbeit als Diplom-Jurist:in bei einer supranationalen Organisation, wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union bieten. Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung stellt Diplom-Juristen und -Juristinnen ein.

JurCase informiert:
Wenn du an der Arbeit in einem dieser internationalen Tätigkeiten interessiert bist, kannst du dich einfach mal auf der Homepage der jeweiligen Einrichtung informieren.

Ausbildung

Wenn du genug von Jura haben solltest und lieber einen anderen Weg als den des Juristen bzw. der Juristin einschlagen möchtest, dann kannst du natürlich eine weitere Ausbildung machen. In verwandten Berufen kannst du trotzdem von dem bislang Gelernten profitieren.

Weiterbildung

Nur weil du dich vielleicht gegen das Referendariat und gegen das Zweite Staatsexamen entscheidest, bedeutet das nicht, das du deine juristischen Fähigkeiten nicht weiter ausbauen kannst. Vielleicht kommt ein Masterstudium für dich in Frage oder du machst einen LL.M. im Ausland. Auch eine Promotion ist dir (wie du vielleicht schon weißt) nicht verwehrt. Du kannst dich auch gezielt in einem Rechtsgebiet deiner Wahl fortbilden (zum Beispiel im Arbeitsrecht), um auch ohne Zweites Staatsexamen ein:e attraktivere:r Kandidat:in für deinen gewünschten Job zu sein.

Fazit: So viele Möglichkeiten…

Du siehst, mit dem Nichtbestehen oder dem Nichtantreten des Zweiten Staatsexamens ist deine juristische Karriere nicht beendet. Zwar werden alternative Wege für Juristen und Juristinnen mit Erstem Staatsexamen während des Studiums wenig thematisiert, aber vielleicht liegt dein persönlicher Traumjob wider Erwarten nicht bei Gericht und du findest ihn abseits der üblichen Pfade. Manchmal schadet es vielleicht gar nicht, innezuhalten und sich noch einmal genau zu überlegen, was einem am meisten Freude am Studium gebracht hat und diesen Aspekt gezielt zu vertiefen.