Erfahrungsbericht von Sinan

Du kannst exzellente juristische Gutachten schreiben und überzeugende Klageschriften verfassen. Im besten Fall hast du auch eine ordentliche Note im Zweiten Staatsexamen erreicht. Aber sind wir mal ehrlich: Hast du während des Studiums oder Referendariats wirklich brauchbare Tipps für ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch als Jurist bekommen? Ich persönlich kann zumindest berichten, dass das nicht der Fall war. Das mag meiner Überzeugung nach auch damit zusammenhängen, dass viele Absolventen fälschlicherweise davon ausgehen, dass das Bewerbungsgespräch ein Selbstläufer ist. Gerade wenn man aber an der Grenzschwelle zu einer bestimmten Note liegt, heißt es im persönlichen Gespräch: überzeugen!

In diesem Beitrag verrate ich euch, wie ich mich selbst auf Bewerbungsgespräche vorbereitet habe und warum eine ordentliche Vorbereitung wichtig ist.

Auch das Bewerbungsgespräch soll gründlich vorbereitet sein

Wenn man freudig eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in den Händen hält, ist das zunächst eine ganz wichtige Aussage des Arbeitgebers. Denn mit der Einladung zu einem persönlichen Gespräch wisst ihr zumindest sicher, dass ihr grundsätzlich alle Erfordernisse erfüllt, die dieser Arbeitsplatz erfordert. Ob ihr euch nun in einer Großkanzlei oder aber in einer mittelständischen Kanzlei beworben habt (oder aber auch im öffentlichen Dienst) spielt dafür zunächst keine Rolle. Was jedoch jeden Bewerber betrifft, sind die vielen Fettnäpfchen, in die man auch in einem Bewerbungsgespräch treten kann. Nicht selten werdet ihr nämlich nicht die einzigen Kandidaten sein, die sich auf genau diese Stelle beworben haben. Daher gilt es für das Bewerbungsgespräch genauso vorbereitet zu sein, wie für das schriftliche Auswahlverfahren.

Als ersten Schritt habe ich zu allererst den Arbeitgeber mal ausführlich gegoogelt und mir alles Relevante aufgeschrieben. Welche Rechtsgebiete betreut die Kanzlei? Verfolgt die Kanzlei eine bestimmte Philosophie? Welche Rechtsform hat sie? In einem Fall war es zum Beispiel eine AG, was ich mir sofort notierte, da dies für eine Anwaltskanzlei eher eine seltene Gesellschaftsform sein dürfte…

Nur wer den Arbeitgeber bestens kennt, kann sich im Bewerbungsgespräch auf Augenhöhe begegnen, denn vertraut mir: Euer (zukünftiger) Arbeitgeber hat euren Lebenslauf genauestens studiert und im besten Falle auch während des Gespräches vorliegen.

Der erste Eindruck

Machen wir uns nichts vor. Ob ihr gute Juristen seid oder nicht, kann zwar durch eure Abschlussnoten indiziert sein, kann aber auch im umgekehrten Fall (bei schlechteren Noten) stimmen. Dies spielt im Bewerbungsgespräch keine Rolle mehr, denn sonst würdet ihr dort nicht sitzen. Daher gilt es jetzt, sich – wie überall im Leben – gut zu verkaufen. Das beginnt bereits mit eurem ersten Auftritt. Ich rate daher jedem bereits ein paar Kniffe zu verinnerlichen, bevor ihr in das eigentliche Bewerbungsgespräch reingeht. Einen guten Eindruck macht es etwa, wenn ihr ein paar Unterlagen unter euren Arm klemmt und nicht mit leeren Händen dasteht. Dies vermittelt zumindest auch nach außen, dass ihr vorbereitet seid und alle relevanten Unterlagen (Zeugnisse, Lebenslauf) griffbereit parat habt.

Ein souveräner erster Auftritt wird auch dann vermittelt, wenn ihr einen sicheren und festen (nicht zu lockeren und nicht zu festen) Händedruck habt und euren (zukünftigen) Arbeitgeber direkt ansprecht. Beispiel: „Guten Tag Herr Müller, freut mich Sie kennenzulernen!“. Weniger souverän wirkt m.E.n. ein „Hallo“. Das mag vielleicht banal klingen, aber Menschen lassen sich im tiefsten Unterbewusstsein von solchen Kleinigkeiten beeindrucken.

Ein ordentlicher Kleidungsstil sollte dabei ohnehin selbstverständlich sein.Kleiner Tipp: Schaut doch mal auf der Homepage nach, wie die übrigen Angestellten gekleidet sind. Bei den Herren ist es dabei recht simpel: mit konservativ dunklem Anzug, weißem Hemd und Krawatte macht man nie etwas falsch. Gepflegte Hände und ein gut riechender Atem sollten ebenfalls selbstverständlich sein. Daneben verfolgte ich immer das „LMAA- Prinzip“= „Lächle mehr als andere“. Freundliches Auftreten kommt überall gut an!

Das Gespräch

Wenn der erste Eindruck gemacht wurde, dann weiß derjenige i.d.R sofort, ob ihr Sympathie bei diesem erweckt habt oder nicht (viele Studien belegen, dass sich dies innerhalb der ersten Sekunden entscheidet). Erfahrene Personaler leiten ein Bewerbungsgespräch immer mit einem kleinen Smalltalk ein, um die Atmosphäre etwas zu lockern. Fragen wie: „Wie war Ihre Anfahrt?“ oder „Haben Sie gut hergefunden?“ sind dabei meistens die klassischen Einstiegsfragen.

Nach und nach kommt man dann zu den wesentlichen Punkten des Gesprächs. Hier solltet ihr gut vorbereitet sein. Im besten Falle habt ihr sogar bereits selbst Fragen notiert. Denn in den allermeisten Fällen wird am Ende immer die berüchtigte Frage kommen: „Haben Sie denn noch Fragen an uns?“. Wer nur mit einem „nein“ oder „eigentlich nicht“ antwortet, suggeriert schnell, dass er weniger interessiert ist, als andere. Ich habe es immer so gemacht, dass ich mir mindestens zwei Fragen notiert habe. Fragen zu Karrieremöglichkeiten oder Weiterbildungsmöglichkeiten kamen immer gut an. Im besten Falle kann man diese auch individualisieren. Beispiel: „Ich habe auf Ihrer Homepage gesehen, dass Sie viele Fachanwälte beschäftigen. Gibt es da eine Fördermöglichkeit der Kanzlei?“.

Natürlich sind Fragen nach dem Gehalt ebenfalls solche, die für viele essenziell sind. Hier würde ich aber auch im richtigen Zeitpunkt offen und ehrlich zur Sache kommen. Wenn der Arbeitgeber selbst nicht zu diesem Thema kommt, sprecht es ruhig selbst an. Ihr seid keine Bittsteller! Zeigt, dass ihr qualifiziert und eine Bereicherung für die Kanzlei seid und was ihr euch realistischerweise an Gehalt vorstellt. Daher würde ich eine Gehaltsvorstellung auch grundsätzlich nicht in die schriftliche Bewerbung schreiben (auch wenn danach gefragt wird, freilassen!).

Fazit

Wir bereiten uns während de Studium und Referendariat auf etliche Klausuren, Prüfungen und andere Dinge vor. Daher sollte auch der gesamte Bewerbungsprozess – samt Bewerbungsgespräch – gut durchdacht und vorbereitet werden. Es sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Wer unter vielen Bewerbern herausstechen will, sollte sich daher mit den grundlegenden Abläufen eines Bewerbungsgesprächs (je nachdem wo ihr euch bewerbt) vertraut machen und euch bestmöglich verkaufen.

Ich wünsche jedem auch das Quäntchen Glück, dass man bei jeder Bewerbungsphase braucht und hoffe, dass eure Bewerbungsgespräche zu eurer vollsten Zufriedenheit enden (z.B. mit dem Satz: „Montag können Sie anfangen“).