Der Beginn: Meine ersten Monate als Rechtsanwältin

Für alle, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Birthe Mack und ich bin seit zwei Jahren angestellte Rechtsanwältin in der auf das Medizinrecht spezialisierten Kanzlei Dr. Hahne, Fritz, Bechtler & Partner (kurz: HFBP). In meinem letzten Blog-Artikel berichtete ich über meinen Weg zur Volljuristin. In dem heutigen Beitrag geht es um meine ersten Monate als zugelassene Rechtsanwältin. Welche Erfahrungen durfte ich sammeln? Was waren besondere „Erlebnisse“ und womit hatte ich zu Beginn zu kämpfen?

Vorfreude, Kennenlernen und anfängliche Unsicherheit

Nachdem ich am 13. Juni 2019 meine mündliche Staatsprüfung des Zweiten Staatsexamens bestanden hatte, fuhr ich am 17. Juni 2019 nach Gießen zu meinem Vorstellungsgespräch bei HFBP Rechtsanwälte und Notar. Bereits zwei Tage später erhielt ich eine Zusage, dass ich bei HFBP als Rechtsanwältin für den Bereich des ärztlichen Gesellschaftsrechts und Zulassungsrecht anfangen könne. Gesagt, getan: Am 12. August hatte ich meinen ersten Arbeitstag in Gießen. Dieser begann mit einer Führung durch die Kanzleiräumlichkeiten und der Vorstellung von gefühlt fünfzig Kollegen. „Hi, ich bin der Oli!“, begrüßte mich der Partneranwalt, Herr Dr. Oliver Bechtler. Wir hatten uns noch nie zuvor gesehen, dennoch haben wir uns sofort geduzt. Dieser lockere Umgangston unter den Kollegen erleichterte mir den Start sehr und gab mir ein gutes Gefühl. Insgesamt herrscht bei uns eine sehr freundschaftliche Atmosphäre – außer beim Kickern, da wird bis aufs Äußerste gekämpft!!!

Vier Tage später, am 16. August 2019 durfte ich mich dann endlich als „Rechtsanwältin“ betiteln, denn an diesem Tage wurde ich zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Ab sofort durfte ich in meiner Signatur die Bezeichnung „Rechtsanwältin“ führen und Schriftsätze unterzeichnen – wie aufregend! Aufregend waren auch meine ersten Monate als Rechtsanwältin. Nicht nur einmal bin ich nachts in die Kanzlei gefahren, um zu schauen, ob meine Fristsachen auch tatsächlich (richtig) verschickt worden sind. Man sitzt abends gemütlich auf der Couch, schaut TV, snackt dabei ungesundes Zeugs und zack kommt ein Blitzgedanke, wie „Hast du das Häkchen an der richtigen Stelle gesetzt?“. Ich frage mich immer, warum man gerade in solchen Situationen einen solchen Einfall bekommt, aber wer versteht schon Juristen?!

Möglichweise resultiert diese anfängliche Unsicherheit aus der bescheidenen universitären Vorbereitung auf die Praxis. Gerade zu Beginn des Anwaltsdaseins stellte ich mir oft die Frage, was ich eigentlich acht Jahre lang gelernt habe. Vom Gefühl her, hätte ich auch genauso gut als Köchin anfangen können statt als Rechtsanwältin: Ich kann Nudeln mit Tomatensauce kochen; für eine Lasagne reicht es dann aber doch nicht! Allerdings bin ich es als Sportlerin gewohnt, mich Herausforderungen zu stellen und das mit Herzblut.

Meine ersten Herausforderungen als Rechtsanwältin

Die erste Herausforderung hieß „Abkürzungen“: BMK, KV, BAG, PG, PÜV etc.  Kennt ihr noch das Lied der Fantastischen Vier? MfG mit freundlichen Grüßen. Die Welt liegt uns zu Füßen. Denn wir stehen drauf. Wir gehen drauf, für ein Leben voller Schall und Rauch. So oder so ähnlich! Ich, BMK (Birthe Mack), erhielt aber auch bei anderen Schwierigkeiten stets Unterstützung von meinen Kollegen. Sie erklärten mir nicht nur, was eine PÜV (= Praxisübernahmevertrag) ist, sondern auch, wie man diesen erstellt. Mit der Zeit bekam ich immer mehr Routine, so dass mir die Erstellung eines PÜVs, aber auch von Gesellschaftsverträgen für Berufsausübungsgemeinschaften von Mal zu Mal leichter fiel. Bei der Bearbeitung solcher Mandate hat man glücklicherweise eher selten Zeitdruck, so dass man sich als Berufsanfänger auch stets die Zeit nehmen kann, die man für eine gründliche Bearbeitung des Mandats benötigt.

Anders hingegen läuft es beim vorläufigen Rechtsschutz ab, bei dem es auf jede Stunde ankommt. So betrat Oli Bechtler im Spätherbst 2019 um kurz vor 18:00 Uhr mein Büro und sagte mir, er bräuchte meine Hilfe. Es müsse eine einstweilige Verfügung bis zum nächsten Tag, 10:00 Uhr, erstellt werden; es gehe um einen Gesellschafterstreit.

Mithin hatte ich noch sechzehn Stunden Zeit – genug, um vorher noch zum Sport zu gehen! Nachdem ich mich 60 Minuten beim Crossfit ausgepowert habe und meine Kleidung voller Kreide war, setzte ich mich mit Leggins und Weightlifter-Schuhen wieder an den Schreibtisch und erstellte bis um 0:40 Uhr eine einstweilige Verfügung. „GbR, GmbH – ihr könnt mich ma!“ summte ich das Lied der Fantastischen Vier vor mir hin. Ein Lied, das zu allen Lebenslagen passt!

Zum Glück gehören Fälle des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu unserem Alltagsgeschäft. Auch Streiten im Sinne von „Sie hören von meinem Anwalt!“ – die Erwachsenen Version von „Das sage ich meiner Mama!“ kommt nicht allzu oft vor. Überwiegend sind wir gestaltend tätig, sei es bei Praxisübernahme, bei Gesellschaftsverträgen, MVZ-Gründungen oder Arbeitsverhältnissen. Infolgedessen war ich in meiner zweijährigen Tätigkeit als Rechtsanwältin auch erst zweimal bei Gericht.

Persönliche Herausforderungen als Rechtsanwältin

Die einzigen Urteile, mit denen ich ab und an zu tun hatte und habe, sind VOR-Urteile. Vorurteile, die meine Kompetenz in Frage stellen. Wenn sich mir jemand als Herr Prof. Dr. Max Mustermann-Musterfrau vorstellt, komme ich mit meinem dreisilbigen Namen „Bir-the Mack“ schon etwas einfach gestrickt rüber. Das denken leider auch einige Mandanten und Anwaltskollegen, so dass ich diesen erst von meinem Können überzeugen muss. Meine Mickey-Mouse Stimme ist dabei leider auch keine große Hilfestellung! Folglich hatte ich eine Zeit lang einen Zettel an dem Computer mit den Worten: Langsam! Ruhig! Tief!

Insbesondere Mandanten, die Berufsanfänger kritisch beäugen, kann ich allerdings verstehen, denn immerhin geht es um ihre rechtlichen Interessen, die sie gegen viel Geld vertreten haben möchten. Deswegen ist die einzige Lösung nicht nur kompetent zu wirken – was gerade uns jungen Frauen ab und an schwerfällt – sondern auch kompetent zu sein! Unter anderem aus diesem Grund habe ich mich auch dazu entschieden, einen berufsbegleitenden Masterstudiengang im Medizinrecht an der JurGrad gGmbH zu absolvieren. Ich kann nicht leugnen, dass mich diese Doppelbelastung manchmal an meine Grenzen bringt, allerdings weiß ich stets, wofür ich es mache: Ich liebe das Medizinrecht, ich möchte meine Mandanten bestmöglich beraten und meinen Namen um LL.M. Medizinrecht ergänzen, damit meine Visitenkarte nicht mehr so traurig aussieht 😉. Letzteres ist natürlich nur ein Spaß, denn man überzeugt durch Taten, nicht mit Worten. Mithin ist das schönste Geschenk was man als Rechtsanwältin erhalten kann, zufriedene Mandanten. Und zufrieden sind sie, wenn deine Arbeit gut ist.

Kurzer Ausblick: Was das Rechtsgebiet des Medizinrechts umfasst, mit dem ich tagtäglich zu tun habe, könnt ihr in meinem nächsten Blogbeitrag lesen.