In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Zwangsvollstreckungsrecht.

Allgemeines zum Zwangsvollstreckungsrecht

Das Zwangsvollstreckungsrecht regelt das staatliche Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung oder Sicherung von zivilrechtlich titulierten Leistungs- oder Duldungsansprüchen eines Gläubigers gegen seine Schuldner. Schuldner kann dabei gleichermaßen eine Privatperson als auch ein Unternehmen sein. In beiden Fällen kommt es jedoch nur zu einer sogenannten Einzelzwangsvollstreckung, und nicht zur einer Gesamtvollstreckung, wie es gerade bei einem Insolvenzverfahren der Fall ist. Ferner darf das Zwangsvollstreckungsrecht des Privatrechts, welches aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols dem öffentlichen Recht zugeschrieben wird, nicht mit dem Verwaltungsvollstreckungsrecht und Strafvollstreckungsrecht verwechselt werden.

Ein Zwangsvollstreckungsverfahren darf grundsätzlich nur durch staatliche Vollstreckungsorgane betrieben werden. Organe der Zwangsvollstreckung sind etwa die bzw. der Gerichtsvollzieher:in, das Vollstreckungsgericht und das Grundbuchamt, nicht aber die bzw. der Rechtspfleger:in, denn diese:r wird lediglich funktionell als Teil des Vollstreckungsgerichts tätig. Darüber hinaus unterliegt dieses Verfahren strengen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Schuldnerschutz, der Eigentumsgarantie, dem Prioritätsprinzip im Sinne von „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ sowie einer Formalisierung, also eines Numerus Clausus bezüglich der möglichen Vollstreckungsmaßnahmen. Soweit die Vollstreckungsvoraussetzungen, insbesondere Titel, Klausel und Zustellung, vorliegen, kommen als Vollstreckungsmaßnahmen die Pfändung und Versteigerung von beweglichen Sachen, die Pfändung und Überweisung einer Forderung sowie die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung in das unbewegliche Vermögen in Betracht.

Zum Zwangsvollstreckungsrecht gehören jedoch nicht nur die Vollstreckungsmaßnahmen, deren Voraussetzungen und deren ordnungsgemäße Durchführung, sondern auch der im Rahmen der Zwangsvollstreckung erforderliche Rechtschutz. So besteht zunächst etwa die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtschutzes bei Dringlichkeit. Zu nennen sind hierbei vor allem der Arrest und die einstweilige Verfügung. Zu den Vollstreckungsrechtsbehelfen gehören demgegenüber etwa die Vollstreckungserinnerung, die sofortige Beschwerde, die Vollstreckungsabwehrklage, die Drittwiderspruchsklage und die Klage auf vorzugsweise Befriedigung. Während die Vollstreckungserinnerung und die sofortige Beschwerde lediglich formale Fehler im Vollstreckungsverfahren rügen, betreffen die Vollstreckungsabwehrklage, die Drittwiderspruchsklage und die Klage auf vorzugsweise Befriedigung Mängel im Vollstreckungsgrund oder im Vollstreckungsgegenstand, also materielle Mängel.

Die gesetzlichen Grundlagen zum Zwangsvollstreckungsrecht finden sich insbesondere in der Zivilprozessordnung [ZPO] und im Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung [ZVG].

Welche Karrieremöglichkeiten im Zwangsvollstreckungsrecht habe ich?

Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Zwangsvollstreckungsrecht sind mannigfaltig. Im Rahmen der klassischen juristischen Berufe besteht zunächst die Möglichkeit, im Staatsdienst eine Karriere als Richter:in zu bestreiten, und zwar sowohl an einem Zivilgericht als Prozessgericht oder auch an einem Vollstreckungsgericht. Mit zumindest dem Ersten Staatsexamen besteht zudem eine Karrieremöglichkeit als Gerichtsvollzieher:in oder beim Grundbuchamt, aktuell zuweilen sogar als Rechtspfleger:in, obwohl diese einen vom Studium der Rechtswissenschaft unabhängigen Ausbildungsweg bestreiten (müssen). Jurist:innen mit einer zwangsvollstreckungsrechtlichen Expertise sind ferner dafür prädestiniert, sich von dem jeweils zuständigen Vollstreckungsgericht zur bzw. zum Zwangsverwalter:in bestellen zu lassen. Diese bewirtschaften selbständig und wirtschaftlich nach pflichtgemäßem Ermessen ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht mit dem Zweck der Objekterhaltung sowie der Einnahmeerzielung.

Als Alternative dazu kann sich ein:e zwangsvollstreckungsrechtlich versierte:r Volljurist:in als (Einzel-)Anwält:in selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique oder einer mittelständischen Kanzlei finden, und zwar bundesweit, denn eine Hochburg besteht für das Zwangsvollstreckungsrecht grundsätzlich nicht. In Großkanzleien spielt das Zwangsvollstreckungsrecht als eigenständiger Schwerpunkt jedoch eine eher untergeordnete Rolle.

Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?

Das Zwangsvollstreckungsrecht ist Bestandteil der universitären Ausbildung, denn es gehört zumindest in seinen Grundzügen zum Pflichtstoff. Im juristischen Vorbereitungsdienst spielt das Zwangsvollstreckungsrecht eine noch größere Rolle, in einigen Bundesländern gehört es sogar zum zwingenden Prüfungsstoff. Allein deshalb empfiehlt es sich, sich die entsprechenden Kenntnisse auch anhand entsprechender (freiwilliger) Lehrgänge während des juristischen Vorbereitungsdienstes anzueignen beziehungsweise zu vertiefen.

Die notwendigen zivilprozessrechtlichen sowie materiell-rechtlichen Kenntnisse zum Privatrecht dürften durch die universitäre Ausbildung und dem Referendariat ausreichend vorhanden sein.

Schließlich ist auch beim Zwangsvollstreckungsrecht eine Promotion und / oder LL.M. gerne gesehen.

Kann ich im Rechtsgebiet Zwangsvollstreckungsrecht Fachanwalt werden?

Die Fachanwaltsordnung [FAO] sieht keinen Fachanwalt für das Zwangsvollstreckungsrecht vor.