In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Handels- und Gesellschaftsrecht.
Allgemeines zum Handels- und Gesellschaftsrecht
Das Handelsrecht regelt als Sonderprivatrecht der Kauffrau bzw. des Kaufmanns sämtliche sie bzw. ihn betreffende Rechtsbeziehungen. Das Gesellschaftsrecht regelt hingegen die rechtliche Organisation von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften (Unternehmen). Es handelt sich hierbei also um zwei eigenständige Rechtsgebiete, die allerdings oftmals eng miteinander verwoben sind. Denn beide Bereiche betreffen die Rechtsbeziehungen der am Wirtschaftsleben beteiligten Personen. Nicht zuletzt deshalb spricht man zusammenfassend auch vom (nationalen) Wirtschaftsrecht beziehungsweise vom Wirtschaftsprivatrecht. Das Wirtschaftsprivatrecht an sich umfasst jedoch nicht nur das Handels- und Gesellschaftsrecht, sondern etwa auch das Wettbewerbsrecht und Kartellrecht sowie das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht.
Das Handelsrecht- und Gesellschaftsrecht befasst sich also mit sämtlichen rechtlichen Fragestellungen von Gründung bis Beendigung einer kaufmännischen beziehungsweise unternehmerischen Tätigkeit. Im Handelsrecht geht es deshalb beispielsweise auch um Kaufleute im Sinne von Handelsvertreter:innen und Makler:innen sowie um Franchise. Ein weiterer besonderer Schwerpunkt ist etwa das Agenturrecht, also die Rechtsbeziehungen zwischen touristischen Unternehmen und deren Vermittler:innen. Im Gesellschaftsrecht geht es hingegen maßgeblich um die Auswahl der richtigen Rechtsform für das angestrebte Unternehmen (sogenannte Rechtsformberatung), um die Geschäftsführung und Vertretung, um Gesellschafterwechsel, Haftung, Unternehmensumstrukturierung (Umwandlung, Einbringung, An-, Abwachsung etc.), Unternehmenskrisen (Sanierung, Restrukturierung etc.), Auflösung und Liquidation.
Ein besonderer Schwerpunkt bildet hierbei etwa das Mergers & Acquisition [M&A], denn dieses steht grob übersetzt für eine Fusion beziehungsweise Verschmelzung zweier Unternehmen zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit (Merger) sowie für den Erwerb von Unternehmenseinheiten oder eines ganzen Unternehmens (Acquisition). Dieses Teilrechtsgebiet umfasst somit alle Vorgänge bezüglich der Übertragung und Belastung von Eigentumsrechten an Unternehmen einschließlich der Konzernbildung, der Umstrukturierung von Konzernen, der Verschmelzung und Umwandlung im Rechtssinne, dem Squeeze-Out, der Finanzierung des Unternehmenserwerbs, der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen sowie der Übernahme von Unternehmen. Dieses Teilrechtsgebiet darf jedoch nicht mit dem Insolvenz- und Restrukturierungsrecht gleichgestellt beziehungsweise verwechselt werden, da dabei die Bewältigung einer Unternehmenskrise im Vordergrund steht.
Die gesetzlichen Grundlagen des Handelsrechts finden sich insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch [BGB] sowie im Handelsgesetzbuch [HGB]. Ferner haben das Handelsgewohnheitsrecht und Handelsbräuche eine hohe Bedeutung im Handelsrecht.
Die gesetzlichen Grundlagen des Gesellschaftsrecht sind indes in verschiedenen Gesetzbüchern zu finden. Zunächst sind etwa das Vereins- und Verbandsrecht sowie das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts [GbR oder BGB-Gesellschaft] im BGB geregelt. Die die offene Handelsgesellschaft [oHG], die Kommanditgesellschaft [KG] oder die stille Gesellschaft sind hingegen im HGB geregelt. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung [GmBH] ist indes in ihrem eigenen GmbH-Gesetz geregelt. Gleiches gilt zum Beispiel auch für die Aktiengesellschaft [im AktG], die Partnerschaftsgesellschaft [im PartGG] oder die eingetragene Genossenschaft (im GenG).
Weitere wirtschaftsprivatrechtliche Regelungen lassen sich etwa im Umwandlungsgesetz [UmwG], in der Insolvenzordnung [InsO], im Wechsel- und Scheckgesetz [WG und ScheckG], im Warenzeichengesetz [WZG] oder im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG] finden.
Welche Karrieremöglichkeiten im Handels- und Gesellschaftsrecht habe ich?
Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Handels- und Gesellschaftsrecht sind mannigfaltig. Im Rahmen der klassischen juristischen Berufe besteht zunächst die Möglichkeit im Staatsdienst eine Karriere als Richter:in an einem Zivilgericht, und zwar an der Kammer für Handelssachen, zu bestreiten. Als Alternative dazu sucht auch das Bundeskartellamt in Bonn häufig Jurist:innen mit einer Expertise im Wirtschaftsrecht. Das Bundeskartellamt ist als selbstständige Bundesoberbehörde, die dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie angehört, mit der Aufgabe der Sicherung des Wettbewerbs betraut, etwa durch Kartellbekämpfung, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht. Dabei arbeitet das Bundeskartellamt auch eng mit der Europäischen Kommission, den Landeskartellbehörden sowie mit ausländischen Kartellbehörden zusammen.
Ein:e wirtschaftsprivatrechtlich versierte:r Volljurist:in kann sich selbstverständlich auch als (Einzel-)Anwält:in selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique, mittelständischen Kanzlei oder Großkanzlei finden – und zwar bundesweit; eine Hochburg besteht hier nicht. Eine Vielzahl von Kanzleien haben sich jedoch auf das Wirtschaftsprivatrecht, oder auf einige Aspekte davon, wie M&A, spezialisiert.
Wer jedoch nicht klassisch-juristisch tätig werden möchte, kann als Syndikusanwältin bzw. -anwalt in einem Unternehmen oder einem Wirtschaftsverband tätig werden. Diese suchen für ihre Rechtsabteilungen bevorzugt Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Wirtschaftsprivatrecht (sowie im internationalen Wirtschaftsrecht), etwa für Vertragsgestaltungen oder allgemeine Rechtsfragen (Unternehmensberatung). In einigen Unternehmen ist eine (erfolgreich) abgelegte Zweite Juristische Prüfung noch nicht einmal zwingende Voraussetzung, da Unternehmen ohnehin gerne gerichtliche Verfahren vermeiden. Darüber hinaus können Jurist:innen auch ohne Weiteres im Management tätig werden, da insbesondere deren Problembewusstsein in den höheren Unternehmensetagen sehr geschätzt wird.
Entsprechendes gilt für diejenigen, die eine Karriere aus Überzeugung anstreben und deshalb in einer Nichtregierungsorganisation (NGO), wie etwa Amnesty International, tätig werden möchten.
Schließlich besteht aber auch hier die Karrieremöglichkeit, sich von der bzw. dem jeweils zuständigen Insolvenzrichter:in zur bzw. zum Insolvenzverwalter:in bestellen zu lassen.
Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mit mir bringen?
Das Handels- und Gesellschaftsrecht ist wesentlicher Bestandteil der universitären Ausbildung, auf die auch im juristischen Vorbereitungsdienst zurückgegriffen wird. Dies gilt jedoch im Wesentlichen nicht für die weiteren Bereiche des Wirtschaftsprivatrechts. Zwar spielt etwa das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht zumindest eine Rolle in der universitären Ausbildung, das Wettbewerbsrecht und das Kartellrecht in aller Regel jedoch weniger. Ähnlich verhält es sich hier beim juristischen Vorbereitungsdienst, zumindest wenn die Anwaltsstation und die Wahlstation nicht in einschlägigen Kanzleien absolviert wurden. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse selbst anzueignen, etwa durch einen entsprechenden Schwerpunkt an der Universität oder entsprechenden (freiwilligen) Lehrgängen während des juristischen Vorbereitungsdienstes.
Ferner bedarf es selbstverständlich guter Kenntnisse im allgemeinen Vertragsrecht, insbesondere hinsichtlich Vertragsgestaltung und allgemeiner Geschäftsbedingungen [AGB]. Beides ist aber nicht nur wesentlicher Bestandteil der universitären Ausbildung sowie des Rechtsreferendariats, sondern vor allem die Vertragsgestaltung wird im juristischen Vorbereitungsdienst in ihrer praktischen Umsetzung intensiv(er) gelehrt. Gleiches gilt im Übrigen auch für die notwendigen Kenntnisse im Zivilprozessrecht mitsamt der Besonderheiten um die Kammer für Handelssachen am Landgericht.
Darüber hinaus sind aber auch profunde Kenntnisse in den einschlägigen Normen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts notwendig, denn für Juristen nimmt die Bedeutung der Compliance in Unternehmen zu. Entsprechende Compliance-Richtlinien dienen nicht nur der Vermeidung von Haftungsklagen, sondern auch von Wirtschaftskriminalität.
Wer demgegenüber in einem Unternehmen im Management tätig werden möchte, sollte vor allem dann auch vertiefte Kenntnisse in BWL, VWL und Ökonomie vorweisen können.
Wer (zusätzlich) mit Auslandsbezug tätig werden möchte, sollte darüber hinaus zumindest in der englischen Sprache verhandlungssicher sein.
Schließlich sind auch Promotion und / oder LL.M. insbesondere in der freien Wirtschaft sehr gerne gesehen.
Kann ich im Rechtsgebiet Handels- und Gesellschaftsrecht Fachanwalt werden?
§ 14i der Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht“. Danach werden zunächst besondere Kenntnisse im materiellen Handelsrecht verlangt, insbesondere im Rechts des Handelsstandes, im Recht der Handelsgeschäfte sowie im internationalen Kaufrecht (vor allem UN-Kaufrecht). Daneben sind besondere Kenntnisse im materiellen Gesellschaftsrecht notwendig. Dort insbesondere im Recht der Personen- und Kapitalgesellschaften, im internationalen Gesellschaftsrecht (vor allem die Grundzüge des europäischen Gesellschaftsrechts sowie der europäischen Aktiengesellschaft), im Konzernrecht, im Umwandlungsrecht sowie in Grundzügen im Bilanz- und Steuerrecht sowie im Dienstvertrags- und Mitbestimmungsrechts. Darüber hinaus bedarf es besondere Kenntnisse um die Bezüge des Handels- und Gesellschaftsrechts zum Arbeitsrecht, Kartellrecht, Handwerks- und Gewerberecht, Erb- und Familienrecht, Insolvenz -und Strafrecht sowie um die Bezüge des Rechts der Aktiengesellschaften zum Wertpapiererwerbs -und Übernahmerecht. Schließlich werden Kenntnisse von den Besonderheiten der hier einschlägigen Verfahrens- und Prozessführung verlangt.