Tipps für mehr Selbstbewusstsein im Kanzleialltag

Erfolg hat viel mehr mit Selbstvertrauen zu tun als mit Kompetenz, wenn Sie beruflich weiterkommen wollen. Diese Erkenntnis ist für viele Jurist:innen, besonders am Anfang ihres Berufslebens, keinesfalls selbstverständlich. Denn nicht wenige von ihnen haben mit dem „Impostersyndrom“ und damit mit dem Gefühl, ein:e Hochstapler:in zu sein, zu kämpfen.

Jedoch genügt es in der Kanzleiwelt nicht, einfach nur gut zu sein. Bei den drei Karriere-Erfolgsfaktoren steht die Performance und damit das Wissen sowie die praktische Expertise weit abgeschlagen auf dem dritten Platz.

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Personal Branding, Selbstmarketing und Networking zahlen vielmehr auf Ihren beruflichen Erfolg ein. Doch um sich mit der eigenen Expertise und als Persönlichkeit zu positionieren, als Expert:in aufzutreten und damit im Netzwerk (und darüber hinaus bspw. auf LinkedIn) sichtbar zu werden, braucht es ein entsprechendes Selbstbewusstsein.

Typische Selbstbewusstseinskiller im Kanzleialltag und ihre Folgen

Viel zu häufig begegnen vor allem Juristinnen die typischen Selbstbewusstseinskiller im Arbeitsalltag wie der eigene Perfektionsanspruch und damit es allen recht machen zu wollen. Selbstzweifel wie bspw. zu viel über Misserfolge und Fehler zu grübeln, sind gut bekannt. Weitere Selbstvertrauensbremsen sind der Glaube, dass die eigene Leistung nicht der Rede wert ist oder die Angewohnheit, Fehler und unschöne Kommentare persönlich zu nehmen.

Studien zeigen, dass Frauen ihre Leistungen und Fähigkeiten eher unterschätzen – nämlich um mindestens 20 Prozent. Männer hingegen überschätzen sich häufig um 30 Prozent.

Beispielsweise bewerben sich Männer häufig schon, wenn sie 50 bis 60 Prozent der Voraussetzungen erfüllen, Frauen meist erst dann, wenn sie das Gefühl haben, die ausgeschriebene Stelle zu fast 100 Prozent ausfüllen zu können.

Männer stoßen viermal so oft wie Frauen Gehaltsverhandlungen an. Wenn Frauen dennoch verhandeln, fordern sie bis zu 30 % weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen.

Laut Studien sprechen Frauen bis zu 75 Prozent weniger, wenn sie in der Minderheit sind. Das führt dazu, dass Männer in Meetings nicht nur tatsächlich mehr Redezeit haben, sondern ihnen diese in der noch in vielen Bereichen sehr männlich geprägten Kanzleiwelt auch zugestanden wird.

Juristinnen haben häufig weniger Selbstvertrauen als Juristen

Die eben aufgeführten Zahlen zeigen das Problem, aber eben auch den Kreislauf. Es ist ja nicht so, dass insbesondere Juristinnen nicht die Fähigkeit haben, selbstsicher aufzutreten, selbstbewusst über die eigene Expertise oder berufliche Erfolge zu sprechen und damit auch im Beruf erfolgreich zu sein. Es liegt vielmehr daran, dass Frauen weniger Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, persönlichen Stärken, beruflichen Kompetenzen und praktischen Erfahrungen haben. Die Folge ist, dass sie auch weniger zuversichtlich agieren, seltener erfolgsorientierte Aufgaben übernehmen oder herausfordernde Chancen ergreifen.

Selbstbewusst aufzutreten und zu kommunizieren ist die Hauptsache

Die Erfahrung zeigt es immer wieder: Es ist nicht unbedingt die kompetenteste Person, die weiterkommt, bei einem spannenden Projekt mitarbeitet oder wichtige Mandant:innen betreut, sondern die mit einem großen Selbstbewusstsein.

Ein selbstbewusster Auftritt passiert nicht über Nacht. Sie können diesen jedoch anhand der 3-Schritt-Methode für Selbstvertrauen im Arbeitsalltag trainieren:

Schritt 1: Haben Sie Vertrauen in sich und Ihre Fähigkeiten

Ihr Selbstvertrauen zeigt sich darin, wie Sie bestimmte Lebenssachverhalte annehmen oder mit bestimmten Situationen bzw. Umständen im Arbeitsumfeld umgehen.

Glauben Sie, dass Sie gut sind, indem was Sie tun?  Dann sind Sie es in der Regel auch.

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Selbstbewusstsein sowie Selbstvertrauen so gut wie nichts mit der Außenwelt und damit mit den Menschen in Ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld zu tun haben, sondern vor allen Dingen mit Ihnen selbst.

Das ist ein wichtiger Aspekt, der häufig ausgeblendet wird. Wir vergessen, dass wir zuerst das eigene „Kopfkino“ verändern müssen, wenn wir zukünftig selbstbewusster agieren wollen.

Schritt 2: Sie vermitteln und zeigen diesen Glauben nach außen

Nicht umsonst heißt es, dass man Selbstvertrauen schon von weitem „riechen“ kann. Sicher sind auch Ihnen schon Menschen begegnet, denen Sie ansehen konnten, ob sie voller Selbstvertrauen oder eher unsicher auftraten und kommunizierten.

Probieren Sie es daher für sich aus: Agieren Sie selbstbewusst im Arbeitsumfeld und kommunizieren Sie voller Selbstvertrauen.

Schritt 3: Selbstvertrauen führt zu mehr Selbstvertrauen

Sie sehen in sich die Expertin bzw. den Experten. Folglich zeigen Sie Ihre Expertise gegenüber anderen. Sie sprechen in internen Meetings über Ihre fachlichen Themen. Im Personalgespräch weisen Sie Ihre Vorgesetzten auf ein erfolgreich abgeschlossenes Mandat hin. Auf einer Kanzleiveranstaltung übernehmen Sie einen Vortrag und stellen die Auswirkungen neuer rechtlicher Regelungen oder gerichtlicher Entscheidungen auf bestimmte Herausforderungen der Mandantschaft vor. Sie besuchen branchenbezogene Netzwerkveranstaltungen und stellen sich dort unbekannten Personen vor.

Mehr Selbstbewusstsein bekommen Sie nicht von allein. Es entsteht dadurch, dass Sie Herausforderungen meistern. Erst durch kontinuierliches Training laufen Sie zur Höchstform auf.

Raus aus der Komfortzone, rein ins Selbstvertrauen

Gehen Sie in Aktion, denn nichts baut Ihr Selbstbewusstsein so schnell auf wie die Entscheidung, selbst aktiv zu werden und damit ein Risiko oder auch die Gefahr eines Fehlschlags einzugehen.

Anders formuliert: Schnell scheitern, laufend nachbessern, immer wieder testen, erneut optimieren und sich dann auf das konzentrieren, was funktioniert. Denn es ist ein Kreislauf: Selbstvertrauen führt zu mehr Selbstvertrauen.

Für Anwält:innen ist dies nicht ganz einfach. Schließlich wollen wir keine Fehler machen, sondern wenn möglich ein nahezu perfektes Ergebnis abliefern. Dies wird jedoch nur mit entsprechender Erfahrung gelingen und auch nur, wenn wir ein Scheitern als einen Schritt nach vorn verstehen und aus den Fehlern lernen. Folglich ist eine – mitunter auch nur strategisch – falsche Entscheidung besser als keine.

Machen Sie Ihre Gedanken zu Ihren Verbündeten. Ihr „Kopfkino“ hat eine enorme Macht. Wenn Sie über bestimmte Themen grübeln oder Herausforderungen „zerdenken“, mindert dies Ihr Selbstvertrauen. Denn was Sie denken, wirkt sich direkt darauf aus, wie Sie sich fühlen. Selbst wenn tatsächlich gar nichts passiert, sondern sich alles in Ihrem Kopf abspielt.

Nutzen Sie also Ihr „Kopfkino“ zu Ihrem Vorteil, indem Sie immer mehr einen aktiven und damit bewussten Umgang mit Ihren Gedanken pflegen.

Starten Sie mit dem ersten Schritt

Es ist okay, mit kleinen Dingen zu beginnen, wie bspw. mit dem Personal Branding und Networking im vertrauten Umfeld und damit in der Kanzlei. Vernetzen Sie sich auf LinkedIn zunächst mit Personen, die Sie bereits kennen, oder halten Sie Ihren ersten Vortrag vor Ihren Kolleg:innen.

Kleine Schritte bereiten Sie nämlich darauf vor, größere Risiken einzugehen, wie bspw. die eigene Meinung gegenüber Autoritätspersonen wie Vorgesetzten oder Mandant:innen klar zu vertreten oder auch ein Mandat, ein Projekt oder einen Job zu übernehmen, der Ihnen zunächst eine Nummer zu groß erscheint.

Nur wenn Sie sich immer wieder trauen, wird sich mit der Zeit das Gefühl einstellen, dass Sie alles erreichen können, was Sie sich vornehmen. Sie werden schnell feststellen, dass sich das gut anfühlt. :)

Über die Autorin:

Dr. Anja Schäfer ist Anwältin, Expertin für Networking & Female Leadership in Kanzleien. Als Karrierementorin unterstützt sie exklusiv Jurist:innen in puncto Netzwerkaufbau, Selbstmarketing und Sichtbarkeit als Expert:in sowie zur strategischen Ausrichtung bei beruflicher Neu- oder Umorientierung. Sie veranstaltet regelmäßig Networking-Events, spricht über die genannten Themen im „Juristinnen machen Karriere!“ – Podcast und hat ihre besten Tipps im Karriere-Erfolgsfahrplan für Jurist:innen als PDF zum Download zusammengefasst. 

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JurCase informiert:

Rechtsanwältin Dr. Anja Schäfer hat für JurCase Jobs bereits eine Vielzahl interessanter und informativer Beiträge zu den Themen Networking und Personal Branding verfasst. Diese und eine Übersicht ihrer Events findest du hier.