Herausforderungen der juristischen Ausbildung, Examensvorbereitung, Mentorenprogramm und mehr!

Rechtsanwalt Dr. André Natalello stellte sich im Mai 2021 den Fragen unseres Redaktionsleiters Sebastian M. Klingenberg. Unter anderem spricht er im folgenden Interview über seine juristische Ausbildung – was war gut und was weniger? – und seine Examensvorbereitung. Auch das Mentorenprogramm bei Hobohm & Kollegen wird thematisiert.

Zur Person & zum Unternehmen

Herr Rechtsanwalt Dr. André Natalello ist geschäftsführender Partner der Kanzlei Hobohm & Kollegen. Studiert hat er in Mainz und Würzburg und sein Referendariat hat er in Wiesbaden verbracht. Studien- und promotionsbegleitend arbeitete Herr Dr. Natalello in der Rechtsabteilung der Commerzbank und der Commerz Real an den Standorten Frankfurt, Düsseldorf, Wiesbaden und London. In der Kanzlei Hobohm & Kollegen betreut er hauptsächlich wirtschaftsrechtliche Mandate. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Litigation und Arbeitsrecht.

Die bereits im Jahr 1959 gegründete Kanzlei Hobohm & Kollegen gehört zu einer der führenden Kanzleien in Rheinhessen. Hauptstandort der Kanzlei ist historisch betrachtet Alzey. So betreute die Kanzlei über Jahrzehnte hinweg die damaligen Massa Märkte (heute Real) und den deutsch-schweizer Unternehmer Karl-Heinz Kipp, die ebenfalls ihren Ursprung in Alzey haben.  Heute verfügt die Kanzlei über weitere Standorte in Frankfurt, Mainz, Kirchheimbolanden und Osthofen.

„Als Mainzer liegt mir unser Mainzer Standort, der über einen schönen Blick auf den Rhein verfügt, natürlich besonders am Herzen.“

Das Interview

Klingenberg: Herr Dr. Natalello, vielen Dank zunächst, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben. Es soll um die juristische Ausbildung gehen. Sie haben also, wie auch ich selbst, an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz studiert. Wenn Sie zurückdenken, was hat die JGU Mainz mit Blick auf die juristische Ausbildung besonders gut gemacht und wo hätten Sie sich als Jurastudent vielleicht etwas mehr gewünscht?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Die Universitätszeit in Mainz möchte ich nicht missen; ich habe dort enge Freundschaften aufbauen können. Mainz ist auch eine hervorragende Studentenstadt.

Die universitäre Betreuung könnte aber aus meiner Sicht deutlich intensiver sein. Die Vorlesungen waren, zumindest in meiner Zeit, doch fernab vom examensrelevanten Stoff. Auch die tatsächliche Herangehensweise zur Erlernung von juristischem Handwerkszeug wurde im Ergebnis nur über die Tutorien vermittelt. Hier würde ich mir zumindest eine stärker examensrelevante Ausrichtung – beginnend ab den Anfangssemestern – wünschen.

Die Gestaltung der Zwischenprüfung in Mainz finde ich sehr gelungen. Diese zeichnet sich nämlich, im Vergleich zu anderen Universitäten, durch eine starke Ausrichtung auf Klausuren aus. Da bekanntlich im Examen keine Hausarbeiten, sondern Klausuren gefordert werden, finde ich diese Ausrichtung sehr zielführend.

Misslungen ist aus meiner Sicht die universitäre Schwerpunktprüfung. Da mehrere Klausuren abverlangt werden, die im universitären Vergleich schlecht ausfallen, ist eine intensive Vorbereitungszeit notwendig. Dies führt dazu, dass viele Studenten die Schwerpunktprüfungen nach dem staatlichen Examen oder davor schreiben. Dies kostet unnötig Zeit und zieht das Studium in die Länge.

Wünschenswert wäre es aus meiner Sicht auch, wenn das Studium dahingehend reformiert werden würde, dass ebenfalls „Social Skills“ in die Bewertung mit einfließen würden. Leider haben wir es in der Praxis immer wieder mit Richtern und Anwälten zu tun, die fachlich gut sind, denen es aber erheblich an sozialen Kompetenzen fehlt. Dies wirkt sich insbesondere dann aus, wenn ein Richter darüber befinden soll, ob ein Zeuge die Wahrheit sagt oder ein Anwalt dem Mandanten ein Problem begreiflich und rhetorisch überzeugend erklären soll. Dies ist aber sicherlich kein Problem, welches nur die Mainzer Universität betrifft.

Klingenberg: Die JGU Mainz startete im August 2020 den ersten Gutenberg Ideeathlon. Dazu kamen rund 100 Studierende aus allen Fachrichtungen, Lehrende und Fachleute aus der Verwaltung zusammen, um Konzepte für ein hybrides Semester in Zeiten der Pandemie zu entwickeln. Was halten Sie von diesem Ansatz und welche Vor- und Nachteile sehen Sie bei digital studieren für Jurastudierende?

Rechtsanwalt Dr. A. Natalello: In meiner Familie hat gerade ein Cousin angefangen Jura zu studieren. Aufgrund der Corona-Pandemie kann er überhaupt nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen. Das Uni-Leben leidet stark hierunter. Aus meiner Sicht ist die Zukunft aber tatsächlich ein hybrides Konzept. Das Online-Konzepte erfolgreich zum Lernerfolg mit beitragen können, zeigt zum Beispiel die Plattform „Lecturio“.  Hier kann man beispielsweise das Online Repetitorium in Jura beim Joggen hören. Warum auch nicht!

Klingenberg: Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die JGU Mainz eine ganze Reihe an Kursen zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen anbietet, und zwar sowohl juristisch geprägt, während des Sommer- bzw. Wintersemesters, aber auch generell im Rahmen der sog. Frühjahrs- und Herbstuniversität. Haben Sie solche Kurse wahrgenommen und wo sehen Sie den Mehrwert? Welche Schlüsselqualifikationen sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig für die anwaltliche Tätigkeit?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Ich selbst habe an dem Schlüsselqualifikationsprogramm der Uni Mainz teilgenommen. Thematisch hatte ich dabei einen Kurs besucht, der sich mit der Auslegung englischer Texte nach deutschem Recht beschäftigt. Das von Prof. Ruthig ins Leben gerufene Konzept dient dazu, die anfänglich bereits beschriebene fehlende Ausbildung im Bereich “Social Skills“ zu schließen. Dies gelingt aus meiner Sicht sehr gut, da die Kurse teilweise auch von Vertretern der Praxis gehalten werden. Schön wäre es, wenn man für Studenten, die im fortgeschrittenen Studium natürlich vernünftigerweise schon sehr mit der Examensvorbereitung beschäftigt sind, Anreize zur Teilnahme schaffen würde. Dies wäre beispielsweise dadurch möglich, dass man solche Kurse für die universitäre Schwerpunktprüfung berücksichtigt.

Klingenberg: Kommen wir nun zum juristischen Vorbereitungsdienst. Was hat Ihnen mit Blick auf die juristische Ausbildung hier besonders gut gefallen und wo hätten Sie sich als Rechtsreferendar vielleicht etwas mehr gewünscht?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Das Referendariat war – aus meiner Sicht – in Hessen, insbesondere in Wiesbaden, sehr gelungen. Das Landgericht Wiesbaden hat zwei Mitarbeiter, die sich tatsächlich sehr herzlich und intensiv um ihre Referendare kümmern. Auch einige Richter bringen sich am Landgericht Wiesbaden sehr intensiv in die Betreuung ein. So hat in meiner Zeit eine Vorsitzende Richterin Referendaren ergänzend angeboten Übungsklausuren bei ihr zu schreiben, welche diese dann in ihrer Freizeit korrigiert und durchgesprochen hat. Insgesamt hat mir das Referendariat, wäre da nicht der Druck des Zweiten Examens, sehr viel Freude bereitet.

JurCase informiert:

Wer mehr über besagte Vorsitzende Richterin erfahren, und insoweit einen Einblick in die Ausbildung einer AG-Leiterin und Einzelausbilderin haben möchte, sollte sich unbedingt einmal unser entsprechendes Insider-Interview anschauen.

Klingenberg: Heute sind Sie Rechtsanwalt. Ich gehe deshalb davon aus, dass Ihnen die Anwaltsstation besonders viel Spaß gemacht hat. Viele Referendare nutzen diese Station jedoch – zumindest teilweise – zum sog. Tauchen, um sich intensiver auf die Examensvorbereitung konzentrieren zu können. Damit kürzen sich die Referendare allerdings deren praktische Erfahrungen rund um die anwaltliche Tätigkeit. Nun hat ein Referendar vielleicht aufgrund einer intensiveren Examensvorbereitung eine bessere Examensnote, vielleicht sogar ein Prädikatsexamen, dafür aber weniger Praxis. Ist dies nicht eine erhebliche Schwäche des juristischen Vorbereitungsdienstes? Wie beurteilen Sie das?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Dies ist in der Tat ein Problem. Im Ergebnis muss man Referendaren jedoch tatsächlich im Hinblick auf die Note des Zweiten Examens raten, sich in der Referendarzeit „Zeitinseln“ zu schaffen, in denen sie sich ungestört aufs Zweite Examen vorbereiten können. Dies ist im Ergebnis gar nicht einfach, da man durch diverse Pflichtveranstaltungen zeitlich immer wieder herausgerissen wird. Es wäre aus meiner Sicht wünschenswert, wenn Referendare 3 Monate vor den Klausuren insgesamt freigestellt wären. Im Ergebnis führen die unterschiedlich ausgeprägten Tauchphasen nämlich zu Wettbewerbsverzerrungen.

Klingenberg: Bleiben wir kurz beim Thema ‘Prädikatsexamen’: Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Bei mir sind beide Examina sehr zufriedenstellend gelaufen. Was ich von vielen Kollegen, die ebenfalls Prädikatsexamina haben, vermisse ist das Eingeständnis, dass das Resultat auch viel mit Segen zu tun hat. Im Hinblick auf den weiten Beurteilungsspielraum von Klausuren, können gute Klausuren auch mal weniger gut benotet werden. Egal, wie intensiv man vorbereitet ist, in irgendwelchen Bereichen weist jeder von uns Lücken auf. Man kann daher nur daran arbeiten, dass man die Wahrscheinlichkeit einer schlechten Benotung reduziert.

Mein Geheimrezept war in dem Zusammenhang:

  • Mehr Systematik lernen als Einzelprobleme
  • Klausuren schreiben
  • Beten!

Ich habe mich persönlich im Zivilrecht, und hier habe ich hervorragende Ergebnisse erzielt, mit den Büchern der Reihe Grundwissen: Der Theorieband zu den „wichtigsten Fällen“  von Hemmer aufs Examen vorbereitet. Diese Bücher vermitteln eine hervorragende Systematik, auch wenn diese eigentlich für Studienanfänger ausgerichtet sind. Dieses Wissen habe ich dann mit Einzelproblemen intensiviert. Zudem habe ich Klausuren geübt. Auch hieran sollte man nicht sparen, da man durch geschickte Darstellungsformen manche inhaltliche Lücke in der Klausurlösung geschickt „übergehen“ kann.

Schließlich ist das Examen sehr stressig und der Druck kann zu Problemen führen. Mir half – nicht nur in dem Zusammenhang – stets das Gebet.

Klingenberg: Sie sind nun geschäftsführender Partner bei Hobohm & Kollegen. Sie nehmen auch Referendare zur Ausbildung. Wie gestalten Sie Ihrerseits die juristische Ausbildung?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Wir haben in unserer Kanzlei sehr flache Hierarchien, sodass alle Referendare direkt von den Partnern betreut werden. Einer der Partner übernimmt zudem die Mentorenrolle während der Station. Im Rahmen der Ausbildung lassen wir die Referendare beim täglichen Geschäft mitarbeiten. Hierzu gehören Mandantengespräche, Schriftsatzentwürfe und Terminwahrnehmungen. Unser junges Team zeichnet sich zudem durch eine ausgelassene Arbeitsatmosphäre aus. Hierzu gehören selbstverständlich gemeinsame Mittagessen, Kaffeepausen und gemeinsame Drinks.

Klingenberg: Wo liegen die typischen Probleme bzw. größten Herausforderungen für die jungen Volljuristen?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Unabhängig von der Note gibt es Juristen, die sich schnell und hervorragend im Anwaltsberuf wiederfinden; anderen fällt dies sehr schwer.

Einen guten Anwalt zeichnet dabei neben gutem juristischem Verstand, gute Verhandlungsführung, gute social Skills und am Ende gutes wirtschaftliches Gespür aus. Derartiges Wissen wird im Studium jedoch nicht vermittelt, sodass sich ein Berufseinstieg manchmal als „holprig“ erweist. Es hilft, wenn man bereits im Studium durch Praktika und Nebenjobs Praxiserfahrung sammelt.

Klingenberg: Hobohm & Kollegen bietet Berufseinsteigern also ein Mentorenprogramm. Was genau ist darunter zu verstehen?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Ich selbst war während meines Studiums Mentee in einem Mentorenprogramm. Ich hatte das Glück, dass diese Mentoren ihre Aufgabe sehr ernst genommen haben und es den Mentoren nicht um die Interessen des jeweiligen Arbeitgebers ging, sondern darum mich als Mentee persönlich voran zu bringen. Gerade während des Studiums hat man immer wieder Fragen: Soll ich ein Auslandsemester machen? Wann soll ich das tun? Wie bereite ich mich zielführend aufs Examen vor? Es hilft, wenn man sich in dem Zusammenhang mit jemanden austauschen kann, der diesen Weg bereits gegangen ist. Nicht jeder hat das Glück aus einer Juristen-Familie zu kommen. Das Mentorenprogramm ist mir daher ein persönliches Anliegen und ich versuche hierbei ebenfalls, wie mein Mentor, nur die Interessen des Mentees in den Vordergrund zu rücken.
Als Mentee bewerben kann man sich unabhängig vom Ausbildungsstand unter: bewerbung@hobohm-kollegen.de.

Klingenberg: Möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern abschließend noch etwas auf den Weg geben?

Rechtsanwalt Dr. André Natalello: Seid zuversichtlich!

Vielen Dank für das Interview!