Erfahrungsbericht und Tipps zu möglichen (Finanzierungs-)Hilfen für die erfolgreiche Kanzleigründung

Der Weg zum eigenen Kanzleischild ist insbesondere direkt nach dem zweiten Staatsexamen eine große Herausforderung, die mit einer ganzen Reihe neuer Anforderungen und Stolperfallen versehen ist. Der folgende Erfahrungsbericht soll euch ein paar Tipps geben, welche (finanziellen) Hilfestellungen ihr bei der Gründung eurer eigenen Kanzlei in Anspruch nehmen könnt.

Warum eine eigene Kanzlei gründen?

Für allgemeine Tipps dazu, warum die Gründung einer eigenen Kanzlei für euch der richtige Schritt sein kann und worauf ihr hierbei allgemein achten solltet, verweise ich auf meinen separaten Erfahrungsbericht – Die Kanzleigründung Teil 1: How to?  – und beschränke mich in diesem Erfahrungsbericht maßgeblich auf zugängliche Hilfsangebote.

Finanzierungshilfen

Auch wenn der Kern der anwaltlichen Tätigkeit durch die anwaltliche Beratung und Vertretung darstellt wird, unterscheidet sich die Führung einer Kanzlei lediglich marginal von der anderer Unternehmen: Auch hier ist vor allem eine stabile Finanzierung von Nöten.

Neben etwaigem eigenem Startkapital erleichtern euch vor allem die Aufnahme von Darlehen bzw. die Inanspruchnahme staatlicher Zuschüsse die Existenzgründung.

Für die Gewährung solcher Gelder ist jedoch von eurer Seite zunächst ein konkreter Geschäftsplan aufzustellen. Hierbei sind zumindest rudimentäre betriebswirtschaftliche Kenntnisse im Rahmen der Buchhaltung sowie des Steuerrechts enorm hilfreich. Ihr müsst nämlich nicht nur eure Ziele sowie eure Kanzleistrategie darlegen, sondern auch detaillierte Aussagen über die wirtschaftliche Tragfähigkeit eurer Kanzlei in der Gründungsphase machen. Je nach Wahl eures Kanzleisitzes sind sowohl einmalige Anschaffungen als auch laufende Kosten in Anlehnung an die zu erwartenden Gewinne zu kalkulieren. Solltet ihr zu Beginn beispielsweise auf die stundenweise Anmietung eines Büros zurückgreifen, sind diese Mietkosten als laufende Kosten neben Telekommunikations-, Marketing-, Kontoführungs- und etwaiger Personalkosten zu berücksichtigen. Daneben sind die Anschaffung einer Büroausstattung, Weiterbildungskosten sowie die etwaige Mitgliedschaft in einer juristischen Datenbank bzw. die Anschaffung von Kanzleisoftware aufzuführen. Zuletzt müsst ihr auch an die Kammer- sowie Versicherungsbeiträge denken.

Unterm Strich ist die Aufstellung eines Geschäftsplans mehr als ernüchternd, weil erfahrungsgemäß zunächst hohe Kosten den zu erwartenden – milde ausgedrückt – überschaubaren Gewinnen in der Gründungsphase gegenüberstehen. Umso wichtiger ist eine klare Positionierung eurer Kanzleistrategie sowie der Fokus auf die Akquise der von euch begehrten Mandanten.

Soweit euch die Erstellung des Finanzierungsplanes noch nicht abgeschreckt hat, könnt ihr als nächsten Schritt nun die Beantragung der von euch gewählten Zuschüsse ins Auge fassen.

Für viele Einsteiger ist der Existenzgründungszuschuss der Agentur für Arbeit attraktiv. Hauptvoraussetzung für dessen Gewährung ist jedoch eine bestehende Arbeitslosigkeit. Daneben muss die Selbständigkeit hauptberuflich ausgeübt werden und es muss zu Beginn der Selbständigkeit noch ein Anspruch auf Gewährung von 150 Tagen Arbeitslosengeld bestehen. Zusätzlich ist der Nachweis über die Teilnahme an einem Existenzgründungsseminar erforderlich. Soweit ihr dies vorweisen könnt, erhaltet ihr im Grundsatz für sechs Monate pro Monat die Höhe eures zuletzt erhaltenen Arbeitslosengeldes + 300 €. Nach Ablauf dieses halben Jahres könnt ihr noch einmal für neun weitere Monate einen Zuschuss in Höhe von 300 € beantragen.

Falls ihr direkt aus einer Anstellung in die Selbständigkeit starten wollt, bietet z. B. die staatliche KFW-Förderbank drei verschiedene Kreditmodelle – ERP-Gründerkredit, ERP-Gründungskapital sowie ERP-Gründerkredit universell – an. Ob eines dieser Modelle zu eurer Kanzleistrategie passt, solltet ihr am besten im Rahmen einer individuellen Beratung herausfinden. Zudem bieten auch die gängigen Banken jeweils nach individueller Beratung Existenzgründerkredite und teilweise auch kostenfreie Seminare hierzu an.

JurCase informiert:
Aktuell können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusätzlich zumindest steuerliche Erleichterungen bei den für sie zuständigen Finanzämtern beantragen, wenn sie vom Corona-Virus wirtschaftlich betroffen sind. Alle wichtigen Informationen hierzu hat die BRAK auf ihrer Homepage dazu zusammengestellt.

Gründungsseminare

Für die Inanspruchnahme des Existenzgründerzuschusses der Arbeitsagentur ist die Teilnahme an einem Gründerseminar Voraussetzung. Auch abseits hiervon ist eine solche Teilnahme jedoch zu empfehlen, um einen Überblick über die Anforderungen der Unternehmensgründung zu erlangen (oder auch aufzufrischen). Insbesondere die IHK sowie die HWK bieten die kostenfreie Teilnahme an Existenzgründungsseminaren an. Diese sind mit einem Umfang von ca. einem Nachmittag zwar nicht allein ausreichend, um sich die notwendigen Kenntnisse der Betriebsführung anzueignen, bilden aber jeweils einen guten Einstieg zur individuellen Weiterbildung. Zudem können hier auch spezifische Fachseminare, zum Beispiel zur Buchführung, besucht werden. Auch die gängigen Banken, so zum Beispiel die Sparkasse, bieten für ihre (zukünftigen) Kunden teilweise die kostenfreie Teilnahme an Existenzgründerseminaren an.

Neben diesen relativ überschaubaren Seminaren bieten Fernuniversitäten umfangreichere, aber kostenpflichtige Lehrgänge zur Existenzgründung an, die insbesondere die betriebswirtschaftliche Thematik intensiver beleuchten.

Sowohl die Rechtsanwaltskammer wie auch der DAV bieten als weitere Hilfestellung die gebührenpflichtige Teilnahme an regelmäßigen Fortbildungskursen an. Hierbei werden beispielsweise auch spezifische Kurse zur Existenzgründung, der Mandantenakquise oder Werbemöglichkeiten angeboten.

Zuletzt findet ihr auch bei Volkshochschulen kostenpflichtige Kurse zur Existenzgründung bzw. spezifischere Kurse zu Grundlagen der Buchhaltung, der Betriebswirtschaft sowie zur Optimierung des individuellen Marketings.

Meine Erfahrung mit dem „Chimären-Modell“

Wer von der Inanspruchnahme von Zuschüssen und Krediten zunächst größtenteils Abstand nehmen, aber trotzdem eine eigene Kanzlei gründen will, dem kann ich das „Chimären-Modell“ empfehlen. Dies kann euch sowohl dabei helfen, das Insolvenzrisiko zu minimieren als auch Hilfestellungen von erfahreneren Kollegen zu erhalten.

Nach dem Bestehen der zweiten Staatsprüfung habe ich eine Teilzeitanstellung in einer kleinen Allgemeinkanzlei angenommen, in der ich bereits vor der ersten Staatsprüfung zu arbeiten begonnen hatte. In Absprache mit meinem Arbeitgeber durfte ich mich darüber hinaus aber auch als Einzelanwältin selbständig machen. Meine Anstellung soll hierbei mit wachsendem eigenem Mandantenstamm immer geringer werden, bis wir eine reine Bürogemeinschaft bilden. Dies hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass meine Lebenserhaltungskosten bereits zu Anfang über die Anstellung getilgt werden und ich nur die laufenden Kosten der Kanzlei decken muss. Zusätzlich erhalte ich im Rahmen der Anstellung auch die Starthilfe in Form von Ratschlägen und Rückfragemöglichkeiten, die man als Berufsanfänger dringend braucht. Den Austausch mit erfahreneren Kollegen solltet ihr generell nicht unterschätzen. Gerade in der Gründungsphase können diese euch sowohl Tipps zur erfolgreichen Kanzleiführung geben oder auch nur Aufmunterung in der harten Anfangszeit bieten. Genauso kann der Austausch mit Kollegen, die sich ebenfalls in der Gründungsphase befinden, euch weiteren Input für die eigene Kanzleigestaltung geben. Das allgemeine juristische Konkurrenzdenken müsst ihr hierbei aber natürlich für kurze Zeit beiseitelassen.

Fazit:

Die erfolgreiche Gründung einer eigenen Kanzlei hängt maßgeblich von der Aufstellung eines stabilen Finanzplans ab. Ob die Selbständigkeit für euch das Richtige ist, lässt sich am Anfang oft nicht absehen. Eure Persönlichkeit, Interessen und eure (zukünftige) Lebensplanung sind wichtige Faktoren, die ihr auch bei der Aufstellung des Geschäftsplans sowie der Beantragung etwaiger Zuschüsse oder Darlehen nicht aus den Augen verlieren solltet. Grade wenn ihr noch wenig Erfahrung im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit sammeln konntet, solltet ihr die möglichen Hilfsangebote weitestgehend ausschöpfen und auch den steten Austausch mit Kollegen suchen. Gegebenenfalls bietet sich ja auch für euch zu Anfang eine Teilanstellung mit einer Teilselbständigkeit an.

Ich hoffe, dieser Erfahrungsbericht gibt euch einige Tipps, die euch den Weg zur eigenen Kanzlei erleichtern. Ich wünsche euch viel Erfolg für eure zukünftige Selbständigkeit! 😉


JurCase informiert:
Hier findest du den Folgebeitrag Die Kanzleigründung Teil 3: Mandantenaqkquise.