Erfahrungsbericht von Sinan

Wer nach seiner akademischen Laufbahn als Volljurist in der freien Wirtschaft tätig sein will, dem bietet der Arbeitsmarkt weit mehr Möglichkeiten an als „nur“ die Tätigkeit als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin in einer Kanzlei. Viele entscheiden sich für den Weg des Unternehmensjuristen (auch „inhouse- Jurist“). Die Stellenausschreibungen belegen den regen Bedarf großer Unternehmen an guten Juristen für die Rechtsabteilungen. In diesem Beitrag soll die Arbeit als Unternehmensjurist kurz dargestellt werden, damit ihr ein besseres Bild davon bekommt.

Einstellungsvoraussetzungen

Die Einstellungsvoraussetzungen der Unternehmen variieren stark je nach Größe und angebotenem Gehalt der Unternehmen. Grundsätzlich gilt, dass man mit zwei juristischen Staatsexamina schon mal gute Startbedingungen mitbringt. Immer mehr Unternehmen setzen jedoch auch auf Kandidaten, die den Bachelor of Law (LLB) erlangt haben und neben juristischem Grundwissen auch betriebswirtschaftliches Denken mitbringen. Der noch relativ frische akademische Grad des LLB ermöglicht sogar fast dieselben Gehaltsziele wie die, die einem Volljuristen angeboten werden. In manchen Unternehmen kann man sich jedoch auch mit nur einem ersten juristischem Examen (oder auch „erste juristische Prüfung“) bewerben. Hier sollte man sich einfach an der Stellenbeschreibung orientieren.

Daneben gilt die Faustformel: Je größer und internationaler das Unternehmen, desto höher sind die Notenerwartungen. Wer in die Rechtsabteilung eines führenden Dax-Unternehmens einsteigen will, muss auch hier überdurchschnittliche Examina vorweisen können (i. d. R. vollbefriedigend oder zumindest ein gutes befriedigend). Ausgleichen kann man diese jedoch auch meist mit anderen, besonderen Qualifikationen. Beispielsweise sollte man verhandlungssicher englisch sprechen, da dies meistens ebenfalls vorausgesetzt wird. Die Erfahrung aus dem eigenen Bekanntenkreis zeigt jedoch auch: die Nachfrage an Nachwuchsjuristen ist höher, als der Markt derzeit an Absolventen hergibt. Daher gilt unbedingt: Versucht euer Glück! Auch wenn ihr auf den ersten Blick nicht alle Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllt.

Die Arbeit in einem Unternehmen

Auch der Unternehmensjurist befasst sich mit rechtlichen Fragestellungen, die in einem Unternehmen auftauchen. Gerade große Personalabteilungen haben Bedarf an Juristen, die sich mit dem Arbeitsrecht beschäftigen. Hier prüft man z.B. ob betriebsbedingte Kündigungen rechtmäßig wären und erarbeitet im Team ein wirtschaftlich tragbares Lösungskonzept. Im Unterschied zur Arbeit in einer Rechtsanwaltskanzlei ist man fest mit dem Unternehmen verwurzelt und muss immer auch die betriebswirtschaftlichen Aspekte auf dem Schirm haben. Entscheidungen werden in der Regel mit anderen Abteilungen abgestimmt, sodass Teamfähigkeit hier ein absolutes Muss ist.

Im Unterschied zu einem Rechtsanwalt ist er nur seinem Unternehmen im Innenverhältnis verpflichtet und dem Unternehmen gegenüber weisungsgebunden. Neben dem eigentlichen Unternehmensjuristen existiert noch der sogenannte Syndikusanwalt, der im Unterschied auch bei Gericht auftreten kann. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber im Jahr 2016 geschaffen (§ 46 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung). Zudem beschränkt sich die Arbeit der Syndikusanwälte nur auf die Rechtsdienstleistung gegenüber ihrem Arbeitgeber. Sie dürfen keine Dritten beraten. Auch ist es ihnen nicht erlaubt, ihren Arbeitgeber in Straf- oder Bußgeldverfahren zu vertreten. Ganz aktuell wäre zum Beispiel eine Vertretung der Geschäftsführer von großen Automobilunternehmen wegen der Vorwürfe des „Diesel- Abgas- Skandals“ für Syndikusanwälte nicht möglich.

Häufig wird auch der Begriff des Justiziars verwendet. Diesen kann man auch als Oberbegriff bezeichnen, für jede Tätigkeit die juristische Arbeit in einem Unternehmen umfasst.

Ferner scheint es immer größeren Bedarf an Datenschutzrechtlern zu geben. Das erscheint auch logisch. Mit Inkrafttreten der DSGVO (europäische Datenschutzgrundverordnung) sind vielerlei neue Fragestellungen aufgetaucht, die nahezu jedes Unternehmen von klein bis groß betreffen. Hier entwickelt der Unternehmensjurist Lösungsansätze, um alle datenschutzrechtlichen Aspekte abzudecken. So unterhält heutzutage eigentlich jedes Unternehmen auch eine Homepage, deren Impressum und Datenschutzerklärung es auszuarbeiten gilt. Auch muss jedes große Unternehmen einen Datenschutzbeauftragen benennen, der Sorge dafür zu tragen hat, ob der Datenschutz aktuell gehalten und auch überwacht wird.

Daneben kann jedoch auch fast jedes andere Rechtsgebiet eine Rolle spielen. Neben dem Zivilrecht, kann auch das öffentliche Recht (hier beispielhaft genannt das Umwelt- und Energierecht) eine große Rolle in bestimmten Sektoren spielen. So kenne ich etwa Kollegen, die in Energieversorgungsunternehmen arbeiten und sich ausschließlich mit erneuerbaren Energien und deren rechtlichen Konzeptionen befassen, Wer Spaß an zukunftsorientierten Projekten hat, kann auch hier sein Potential voll in einem Unternehmen ausschöpfen.

Daneben sollte ein Unternehmensjurist auch verhandlungssicher sein und ein entsprechendes Auftreten mitbringen. Häufig unterstützen Juristen Geschäftsführer bei Verhandlungen mit Geschäftspartnern und loten entsprechende Angebote aus. Daneben setzen sie die entsprechenden Verträge auf und prüfen diese. Ganz klassisch ist hier etwa auch die Ausarbeitung von allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Fazit

Ob als Rechtsanwalt oder als Volljurist in einem Unternehmen – die Kernarbeit, nämlich die Ausarbeitung praktikabler juristischer Lösungen, bleibt dieselbe. Den Unternehmensjuristen unterscheidet allein, dass er keine Rechtsanwaltszulassung besitzt und das Unternehmen intern juristisch berät, ohne bei Gericht aufzutreten. Er ist fest in einem Unternehmen verwurzelt und entsprechend nur gegenüber dem Unternehmen weisungsgebunden. Dabei übernimmt er weitgehend selbstständig Verantwortung für seinen Bereich, arbeitet jedoch gleichzeitig in einem großen Team. Wirtschaftliches und lösungsorientiertes Denken, das immer das Unternehmen als Ganzes vor Augen hat, macht seine Arbeit aus. Wer Spaß daran hat, neben dem juristischen Arbeiten auch betriebswirtschaftliches Know How einzusetzen, für den eignet sich die Arbeit in einem Unternehmen besonders.