Welcher Jurist kennt sie nicht: die Sagen um die „Großkanzlei“. So unbekannt mir das Ganze im Studium auch noch war, wagte ich den Schritt und bewarb mich in einer solchen als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Von meinen Erfahrungen will ich euch in diesem Beitrag berichten.
Im Studium war für mich das Arbeiten in der Großkanzlei sagenumwoben. Irgendwie hörte man ständig Geschichten, die manchmal eher den Touch von Legenden hatten, aber man wagte nie zu träumen, selber dorthin zu kommen. Gut, zugegeben, diese Darstellung ist überholt. Auch während meines Studiums hatten Kommilitonen schon die feste Überzeugung, niemals in einer Großkanzlei arbeiten zu wollen. Ob diese Einstellung auf Erfahrungen oder auf bloßem Prinzip beruhte, weiß ich allerdings auch nicht.
Das „Davor“
Ich hatte viele Jahre gar keine Ahnung von Kanzleien. Ich kannte ein paar Namen, weil wir im Juridicum Werbung für einige hängen hatten, aber ansonsten hatte ich mich damit nie weiter beschäftigt. Kurz vor meinem Examenstermin packte mich dann aber doch die Zukunftsangst: ich hatte eigentlich keine Ahnung, wie es weiter gehen sollte. Großkanzlei schrieb ich allerdings für mich ab, da ich nicht damit rechnete, die magische 9-Punkte-Grenze, wie sie in allen Unis noch verkauft wird, zu knacken.
Praktischerweise gab es bei mir an der Uni eine Karrieremesse, bei der Mitarbeiter gesucht wurden, also bot ich mich dafür an und erhoffte mir mehr Einblicke. Solche Messen sind wirklich eine gute Sache und ich würde sie jedem Studenten empfehlen. Als ich dann also auf dieser Messe war, lernte ich viele große und kleine Kanzleien kennen, ließ bei einigen meine Kontaktdaten und hatte durch diverse Gespräche auch einen Eindruck gewonnen. Am Ende bin ich sogar bei einer dieser Kanzleien gelandet und das sogar wegen der Messe.
Und es war …eine Großkanzlei
Ich habe es also gewagt und habe knapp ein Jahr später als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einer Großkanzlei angefangen. Das lag vor allem daran, dass diese sich – wie es der Zufall wollte – kurz nach meiner mündlichen Prüfung bei mir meldete und ich mir so die Qual der Wahl ersparte (natürlich war das Ganze kein Zufall, die HR-Abteilungen wissen, was sie tun).
Vor meinem ersten Vorstellungsgespräch in der echten Welt, dazu noch in der glamourösen Welt der Großkanzleien, war ich sagenhaft nervös. Das wurde nicht besser, als ich das Gebäude betrat und den Concierge erst einmal danach fragen musste, wie die Fahrstühle funktionieren. War völlig unbegründet – die beiden Anwälte, die ich kennenlernte, erstickten jede Nervosität bereits in den ersten 2 Minuten im Keim. Sie stellten keine gemeinen Personalerfragen, die immer ein wenig wie Fangfragen anmuten. Sie unterhielten sich einfach mit mir und es war super nett; also sagte ich zu.
Meine Erfahrungen
Wie ist sie also wirklich, die glamouröse Großkanzlei-Welt? Manchmal ist sie tatsächlich glamourös. Meistens ist es aber ein ganz normaler Job. Ich arbeitete drei Monate lang 5 Tage die Woche als wissenschaftliche Mitarbeiterin und war in dieser Zeit auch gut beschäftigt. Da mein Partner zu diesem Zeitpunkt keine Referendare hatte, durfte ich alle Arbeiten erledigen, die so anfielen. Ich durfte auch mit zu Gericht, die ersten Schriftsätze schreiben und Events besuchen. Im Referendariat erwiesen sich diese Erfahrungen tatsächlich auch als sehr nützlich.
In meiner Kanzlei gibt es alle paar Monate einen Referendarabend, bei dem sich alle „Trainees“ treffen und irgendwo schick essen gehen. Außerdem gibt es jedes Jahr ein Sommerfest, eine Weihnachtsfeier und Altweiber (Düsseldorf, helau!). Gerade diese Feste verleihen der Arbeit tatsächlich einen gewissen Glamour, weil sie immer in einem sehr schicken Ambiente und in grandiosen Locations stattfinden. Daneben finden auch immer wieder Events statt, zu denen man ebenfalls eingeladen wird.
Bei uns gibt es außerdem noch einige weitere Benefits: das Mittagessen wird subventioniert, wir haben einen Kicker, es gibt Mitgliedschaften für Sport-Clubs und sogar Sportkurse, die im Haus angeboten werden. So oder so ähnlich sieht es eigentlich in den meisten größeren Kanzleien aus.
Ich denke, die Arbeit als solche ist wohl überall sehr ähnlich. Je größer der Apparat, desto mehr sitzt man natürlich im Back Office. Ob man das gut oder schlecht findet, ist Typsache. Ich freue mich tatsächlich eher darauf, zu Beginn meiner potenziellen Anwaltskarriere noch nicht wahnsinnig viel Verantwortung zu tragen und erst einmal zugucken und lernen zu können. Möchte man aber direkt voll durchstarten und schon vor Gericht auftreten, ist Großkanzlei vielleicht nicht der richtige Weg.
Aber gerade im Referendariat kann ich es nur empfehlen: man bekommt meistens schon recht anspruchsvolle Aufgaben, verdient nebenbei eine ganz nette Zusatzvergütung und oft gibt es noch Repetitoriumsangebote wie Klausurenkurse oder Wochenendseminare.
Für mich erwies sich dann der Start in der Großkanzlei auch als sehr dankbar: als ich Referendarin wurde, konnte ich nebenbei einen Tag die Woche weiter als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeiten. Das ist in den meisten Städten auch fast ein notwendiges Übel, da man von der Unterhaltsbeihilfe allein fast nicht leben kann. Durch meine nunmehr bereits lange Mitarbeit wurde mir außerdem ermöglicht, meine Wahlstation im Ausland zu verbringen – nebst Übernahme der meisten Kosten.
Fazit
Das Bild, das mir in der Uni noch von Großkanzleien vermittelt wurde, erwies sich also zum größten Teil als falsch. Ich kenne mittlerweile sehr viele Referendarskollegen, die auch ohne 9 Punkte in einer solchen gelandet sind. Die magische Punktegrenze mag manchmal noch existieren, mittlerweile wissen die meisten Kanzleien aber, dass sie nicht mehr haltbar ist. Die Anwälte sind keine magischen Wesen, sondern ganz normale Menschen, vor denen man keine Angst haben muss. Für mich war es genau das Richtige für die Zeit zwischen Erstem und Zweitem Staatsexamen. Aber das sollte natürlich jeder für sich selbst entscheiden.
Juliane