In dieser Beitragsreihe stellen wir dir die geläufigsten Rechtsgebiete vor und geben dir einen Überblick darüber, welche Karrieremöglichkeiten die einzelnen Felder bieten und welche Kenntnisse und Fähigkeiten benötigt werden. In diesem Beitrag geht es um Vergaberecht.

Allgemeines zum Vergaberecht

Das Vergaberecht umfasst sämtliche rechtliche Regelungen, die sich unmittelbar und mittelbar auf die Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche und (in bestimmten Fällen) private Auftraggeber beziehen. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Vergabe von Baumaßnahmen, sondern vor allem auch um den Einkauf von Gütern und anderweitigen Leistungen für die öffentliche Hand. Die Regelungen zum allgemeinen Zivilrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch [BGB] können hierfür also nicht herangezogen werden, da das BGB lediglich die Rechtsbeziehungen der Bürger:innen untereinander regelt. Deshalb wurden vom Gesetzgeber Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vergaberecht geschaffen. Diese Vorschriften sollen dabei insbesondere auch die Grundsätze des Wettbewerbs gewährleisten, mithin der Transparenz und der Gleichbehandlung dienen. Das Vergabeverfahren soll aber nicht nur fair, sondern auch effizient sein; die öffentliche Hand soll dadurch letztlich vom besten Preis-Leistungs-Verhältnis profitieren. Mithin handelt es sich bei dem Vergaberecht zwar um ein Teilrechtsgebiets des Verwaltungswirtschaftsrecht, wird aufgrund seiner Komplexität allerdings als eigenständiges Rechtsgebiet behandelt.

Darüber hinaus spielt insoweit auch das europäische Vergaberecht eine wesentliche Rolle. Dieses hat maßgeblich zur Aufgabe, die Interessen aller in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union [EU] niedergelassenen Unternehmen zu schützen. Es kommt dabei hauptsächlich dann zum Tragen, wenn sich diese Unternehmen für Aufträge in anderen Staaten bewerben. Das europäische Vergaberecht dient damit also dem Schutz davor, dass einheimische Unternehmen bei der Auftragsvergabe bevorzugt werden, wodurch wiederum gleichzeitig sichergestellt werden soll, dass die Entscheidung ausschließlich aufgrund von wirtschaftlichen Überlegungen fällt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass das europäische Vergaberecht nur dann zur Anwendung kommt, wenn der geschätzte Auftragswert die EU-Schwellenwerte für die Vergabe öffentlicher Aufträge überschreitet; anderenfalls ist nur eine nationale Ausschreibung erforderlich.

Das Vergabeverfahren ist freilich ebenso strengstens geregelt. Dabei gilt es zunächst, das richtige Vergabeverfahren zu wählen. Im europäischen Vergaberecht ist zwischen Offenes Verfahren, Nichtoffenes Verfahren, Verhandlungsverfahren und wettbewerblicher Dialog zu unterscheiden. Im deutschen Vergaberecht ist hingegen eine Unterscheidung zwischen der Öffentlichen Vergabe, der Beschränkten Vergabe und der Freihändigen Vergabe zu machen. Dadurch variieren selbstverständlich auch die Anforderungen an die Anträge und an die sonstigen Unterlagen. Etwaige Fehler können dabei schnell zu finanziellen Einbußen auf Seiten der Unternehmen führen, wenn die Fehler einen Zuschlag behindern.

Die gesetzlichen Grundlagen des Vergaberechts finden sich aber auch nach der Vergaberechtsreform vom April 2016, wodurch zahlreiche Richtlinien aus dem EU-Vergaberecht umgesetzt wurden, nicht in einem einheitlichen Vergabegesetz, sondern in einer Vielzahl von bundesrechtlichen und landesrechtlichen Vorschriften sowie in einigen EU-Verordnungen. Im Rahmen der Bundesgesetze sind vor allem zu nennen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen [GWB], die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge [VgV] (welche wichtige EU-Vergaberichtlinien umsetzt), Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen [VOB] sowie die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen [VOL].

Welche Karrieremöglichkeiten habe ich im Vergaberecht?

Die Einsatzgebiete für Jurist:innen mit guten Kenntnissen im Vergaberecht sind mannigfaltig. Ein:e vergaberechtlich versierte:r Volljurist:in kann sich zunächst als (Einzel-)Anwält:in selbstständig machen oder eine Anstellung in einer Boutique, mittelständischen oder Großkanzlei finden. Zum Teil gibt es sogar hierfür spezialisierte Kanzleien. Anwaltliche Karrieremöglichkeiten bestehen auch bundesweit; eine Hochburg besteht hierbei grundsätzlich nicht.Daneben besteht die Möglichkeit in einem einschlägigen Unternehmen als Syndikusanwältin bzw. -anwalt Karriere zu machen.

Entsprechendes gilt für diejenigen, die in einer Behörde oder (kommunal)politisch tätig werden wollen. Dabei muss sich die Karriere nicht auf die Landes- oder Bundesebene beschränken. Denn zum Beispiel bietet sich insoweit auch der sogenannte Juristische Dienst der Europäischen Kommission an, der zum einen die Kommission rechtlich berät und diese, zum anderen, vor dem Europäischen Gerichtshof [EuGH] in Luxemburg vertritt. Ein weiterer sehr beliebter öffentlicher Arbeitgeber ist – aufgrund seiner Vielseitigkeit und der Breite der möglichen Aufgaben – das Auswärtige Amt. Die Einsatzfelder reichen hier vom Rechts- und Konsularwesen über Politik, Wirtschaft und Kultur bis hin zur Presse und Protokoll und umfassen damit auch einige vergaberechtliche Angelegenheiten.

Welche besonderen Kenntnisse sollte ich mitbringen?

Das Vergaberecht spielt in der universitären Ausbildung im Wesentlichen gar keine Rolle. Ähnlich verhält es sich beim juristischen Vorbereitungsdienst, zumindest wenn zumindest Anwaltsstation und Wahlstation nicht bei einer entsprechend versierten Kanzlei absolviert wurden. Deshalb ist es notwendig, sich die entsprechenden Kenntnisse im (europäischen) Vergaberecht selbst anzueignen, etwa durch einen entsprechenden Schwerpunkt an der Universität oder entsprechenden (freiwilligen) Lehrgängen während des juristischen Vorbereitungsdienstes.

Wer als Syndikusanwältin bzw. -anwalt tätig werden möchte, sollte bestenfalls auch vertiefte Kenntnisse in BWL, VWL und Ökonomie vorweisen können.

Wer (zusätzlich) mit Auslandsbezug tätig werden möchte, sollte darüber hinaus zumindest in der englischen Sprache verhandlungssicher sein.

Promotion und / oder ein an der Universität Speyer zu erwerbender Magister der Verwaltungswissenschaften (Mag. rer. publ.) sind hier sehr gerne gesehen.

Kann ich im Rechtsgebiet Vergaberecht Fachanwalt werden?

§14o der Fachanwaltsordnung [FAO] nennt die Voraussetzungen für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwältin bzw. -anwalt für Vergaberecht“. Danach werden zunächst besondere Kenntnisse im europäischen und deutschen Recht der öffentlichen Auftragsvergabe verlangt, und im Rahmen dessen insbesondere die EU-Vergaberichtlinien einschließlich der jeweiligen Rechtsmittelrichtlinien, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen [GWB], die Vergabeverordnung [VgV], Sektorenverordnung [SektVO], Konzessionsvergabeverordnung [KonzVgV] und Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit [VSVgV] sowie in Grundzügen die Vergabegesetze der einzelnen Bundesländer und (soweit vorhanden) des Bundes. Darüber hinaus sind vertiefte Kenntnisse über die Besonderheiten der einzelnen Vergabeverfahren erforderlich, vor allem für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, für Planungswettbewerbe und die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen sowie Bauleistungen, für die Vergabe von Aufträgen im Bereich Verkehr, Trinkwasserversorgung und Energieversorgung (Sektorenaufträge), für die Vergabe von Konzessionen und von Aufträgen im Bereich Verteidigung und Sicherheit. Schließlich sind besondere Kenntnisse über die vergaberechtlichen Aspekte des Beihilferechts sowie in Grundzügen des öffentlichen Preisrechts notwendig. Schließlich bedarf es auch Kenntnisse über die Besonderheiten der einschlägigen Verfahrens- und Prozessführung, insbesondere hinsichtlich des Primärrechtsschutzes durch Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren, in Grundzügen über das vergaberechtliche Verfahren vor dem EuGH sowie über den sonstigen Rechtsschutz vor Zivilgerichten und Verwaltungsgerichten im Zusammenhang mit Vergabeverfahren.