Die RVG-Reform – Hat sich das Warten gelohnt?

Das Kostenänderungsgesetz ist am 01. Januar 2021 in Kraft getreten. Welche Änderungen bringt das neue, lang ersehnte Kostenrechtsänderungsgesetz mit sich und welche Neuerungen bei der Abrechnung der Anwaltsvergütung müssen nun beachtet werden? Alles zur RVG-Reform hier in diesem Beitrag.

Gründe der RVG-Reform

Bereits seit 2018 setzen sich die Bundesrechtsanwaltskammer sowie der Deutsche Anwaltsverein für die Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren ein. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die letzte Gebührenanpassung fand zuletzt im August 2013 durch das Kostenrechtmodernisierungsgesetz statt. Schon im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung war eine Anpassung daher längst überfällig.

Nicht nur die alltäglichen Kosten für den Betrieb einer Kanzlei und die Lebenshaltungskosten sind seit 2013 erheblich gestiegen und entsprechen längst nicht mehr denen aus 2013. Auch infolge der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Einbußen der Anwaltschaft – sei es aufgrund geringerer Mandate oder infolge ausstehender Honorarforderungen – war eine Reform dringend vonnöten.

Dabei ist es eigentlich doch unverständlich, wieso im Gegensatz zu vielen anderen Berufsgruppen, die regelmäßig Anpassungen unter Beachtung der wirtschaftlichen Entwicklung erfahren, die Anwaltschaft seit 2013 – mithin sieben Jahre – keine dahingehende Anpassung erfahren hat.

Die RVG-Reform und die damit verbundene Anpassungen der anwaltlichen Vergütung an die wirtschaftliche Entwicklung war nun zwingend, um den Zugang zum Recht durch die Anwaltschaft weiterhin gewährleisten zu können.

Welche Änderungen bringt die RVG-Reform mit sich?

Die RVG-Reform bringt zum einen eine lineare Gebührenanpassung und zum anderen strukturelle Veränderungen mit sich. Darüber hinaus werden strittige Fragen geklärt. Die wesentlichen Änderungen stellen sich wie folgt dar:

Zu begrüßen ist, dass die Beträge in den Wertgebühren der §§ 13 und 49 RVG einheitlich um 10 % gestiegen sind.

Darüber hinaus wurde die Kappungsgrenze aus § 49 RVG (Wertgebühren aus der Staatskasse) von 30.000,00 EUR auf 50.000,00 EUR angehoben. Dabei ist anzumerken, dass die letzte Anhebung dieser Kappungsgrenze bereits im Jahr 2002 erfolgte. Von der Anhebung dieser Kappungsgrenze profitieren vor allem Mandanten mit Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe.

Die Betragsrahmengebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten sind um 20 %, in Straf- und Bußgeldsachen linear um 10 % gestiegen. Auch die Beträge der Beratungshilfe sind linear um 10 % gestiegen. Dagegen wurde die Beratungshilfegebühr, die gegenüber einem Mandanten abgerechnet werden kann, nicht angehoben.

Zudem ist die Änderung der Gegenstandswerte zu begrüßen. Gemäß § 45 FamGKG (Bestimmte Kindschaftssachen) betrug der Verfahrenswert in einer Kindschaftssache bisher 3.000,00 EUR und wurde nun auf 4.000,00 EUR angehoben.

Eine weitere Änderung hat der § 41 GKG (Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse) erfahren. In dem neuen Absatz 5 ist nun ausdrücklich geregelt, dass bei Ansprüchen auf Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung maßgebend ist. Der BGH hatte zuvor mit Beschluss vom 14.06.2016, Az. VIII ZR 43/15 vertreten, dass im Falle der Klage auf Feststellung einer Minderung der Streitwert gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Mietminderung zu berechnen ist.

Zudem wurde § 15 a RVG (Anrechnung einer Gebühr) um einen neuen Absatz bereichert. Für den Fall, dass mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen sind, ist der anzureichende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnung einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen. Diese Erweiterung des § 15 a RVG stellt die Anrechnung mehrerer Gebühren aus Teilwerten auf eine Gebühr aus dem Gesamtwert klar. Der Anrechnungsbetrag wurde mithin gedeckelt, so dass nicht mehr als eine Gebühr nach dem höchsten Anrechnungssatz aus dem Gesamtwert anzurechnen war. Dasselbe gilt auch für die Anrechnung von Verfahrensgebühren bei selbstständigen Beweisverfahren.

Auch § 14 RVG (Rahmengebühren) hat eine Anpassung erfahren. Unter Beachtung der Vorbefassungsproblematik der Anwälte und den diesbezüglichen Gebührenbestimmungen wurde ein neuer Absatz 2 in § 14 RVG ergänzt. Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen. Der neue Absatz 2 stellt mithin klar, dass bei einer Vorbefassung lediglich eine Anrechnung vorgenommen wird und sich eine Vorbefassung nicht auch noch gebührenmindernd auswirkt.

Weiterhin erfreulich ist, dass die Vorbemerkung 1 VV RVG ergänzt wurde und damit klargestellt ist, dass auch im Falle einer Beratung gemäß § 34 Abs.1 RVG (Beratung, Gutachten und Mediation) bereits eine Einigungs- und Erledigungsgebühr anfallen kann.

Hinsichtlich der Auslagen führt das Kostenrechtsänderungsgesetz ebenfalls eine Änderung herbei. Der in Nr. 7003 VV RVG festgelegte Kilometersatz von 0,30 EUR hat sich auf 0,42 EUR erhöht, zudem wurde in Nr. 7005 VV RVG das Abwesenheitsgeld erhöht.

In Bezug auf die durch das Kostenänderungsgesetz herbeigeführten strukturellen Änderung ist insbesondere auch auf die fiktive Terminsgebühr hinzuweisen. Obgleich kein gerichtlicher Termin stattfindet, kann die Terminsgebühr unter bestimmten Voraussetzungen dennoch geltend gemacht werden. Nach der neuen Regelung in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr beispielsweise auch in dem Fall, dass in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, welches jedoch ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, ein Vertrag im Sinne der Nummer 1000 beschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist. Es reicht mithin bereits ein privatschriftlicher Vergleich aus, um die fiktive Terminsgebühr auszulösen. Diese Klarstellung vermag den Hintergrund zu haben, für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte den ein oder anderen Termin bei Gericht zu meiden und damit die Gerichtsbarkeit zu entlasten.

Weitere Änderungen ergeben sich auch hinsichtlich der Streitverkündung. In § 19 RVG (Rechtszug; Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen) wurde ein neuer Absatz ergänzt. Mit dem neuen Absatz 1b) wird klargestellt, dass zu dem Rechtszug oder dem Verfahren auch die Verkündung des Streits gehört und demnach keine weitere Angelegenheit im Sinne des § 18 RVG auslöst. Mithin wird zwar keine neue Gebührenangelegenheit eröffnet, so dass durch die Streitverkündigung keine gesonderten Gebühren in dem Sinne begründet werden. Allerdings führt die Streitverkündung zu einer Erhöhung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit.

Übergangsregelung

Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stellt sich nun die Frage, welche Regelung für Übergangsfälle anzuwenden sind.

Entscheidend ist hierbei die Vorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG. Die Übergangsregelung wurde ebenfalls reformiert und regelt ausführlich die Behandlung von in den Vorjahren bereits begonnenen Mandanten, die noch über den 01.01.2021 hinaus fortdauerten. Im Grundsatz gilt gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, dass der Zeitpunkt der unbedingten Auftragserteilung des Mandats entscheidend ist. Das heißt, dass für bereits im Jahr 2020 erteilte Aufträge die alte Gebührenregelung gilt, selbst dann, wenn das Mandat weit in das Jahr 2021 hineinreicht.

Dabei ist es unerheblich, ob das Mandat lediglich ein bis zwei Monate in das neue Jahr hineinreicht oder ob sich das Mandat bis Dezember 2021 oder in die Jahre darauf erstreckt. Entsprechend § 60 Abs.1 Satz 2 RVG gilt dieser Grundsatz auch für Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse sowie für den Fall, dass eine Beiordnung oder Bestellung des Anwalts vor dem 01.01.2021 wirksam geworden ist. Der Zeitpunkt der Auftragserteilung ist auch für das Rechtsmittelverfahren maßgeblich. Mithin kommt es bezüglich jeder Instanz auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an.

Bei der Beiordnung oder Bestellung ist allerdings der Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem der Rechtsanwalt das erste Mal tätig geworden ist. Wurde der Anwalt im Jahr 2021 erstmals tätig, gilt das neue Gebührenrecht.

Fazit

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das neue Kostenänderungsgesetz einige Vorteile und strukturelle Verbesserungen sowie eine lineare Anpassung vorsieht, die für die Anwaltschaft längst notwendig gewesen sind.

Neben der linearen Anpassung und der strukturellen Änderungen sowie einigen weiteren mageren Änderungen bleibt die RVG-Reform jedoch weit hinter den lang ersehnten Forderungen des Deutschen Anwaltsvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer zurück und erreicht bei weitem nicht die wirtschaftliche Entwicklung, die es galt seit 2013 anzupassen. Vielmehr setzt die RVG-Reform das Mindestmaß an erforderlichen Anpassungen um. Dieser Schluss ging auch aus einer gemeinsamen Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltsvereins hervor. Insbesondere sei es nicht gelungen die gestiegenen Kosten für den Kanzleibetrieb auszugleichen.

Alsbaldige neue Regelungen sind weiterhin erforderlich. Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltsverein fordern die bisher nicht aufgegriffenen Forderungen zeitnah umzusetzen. Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit es zum Schutze und zur Unterstützung der Rechtsanwaltschaft gelingt weitere Änderungen in den nächsten Jahren zu erwirken.

Damit die Vergütung den wirtschaftlichen Verhältnissen in Zukunft einfacher angeglichen werden kann, wäre es jedenfalls wünschenswert, dahingehende Anpassungen der Rechtsanwaltsvergütung regelmäßiger vorzunehmen.

– Rechtsanwältin Larissa-Monique Ernsting, HFBP Gießen

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