Dr. Theodor Lammich, Referendar des Landes Baden-Württemberg über sein Speyer-Semester

In diesem Interview erzählt Rechtsreferendar Dr. Theodor Lammich von seiner Verwaltungsstation an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Was waren seine Beweggründe für das sog. Speyer-Semester und worauf sollte man bei der Bewerbung besonders achten? Welche Möglichkeiten gibt es, sich das eigene Semesterprogramm individuell zusammenzusetzen? Diese Fragen und viele mehr werden beantwortet. Auch von seinen Erfahrungen als Hörersprecher und über seine Ambitionen hinsichtlich des Master of Laws Staat und Verwaltung in Europa berichtet er.

Zur Person

Dr. Theodor Lammich ist Rechtsreferendar am Landgericht Freiburg und absolviert gegenwärtig [Stand: Oktober 2022] die Anwaltsstation II bei Jones Day in München. Zuvor war er zur Verwaltungsstation an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, bei der Generalabteilung der Staatsanwaltschaft Freiburg und in der Arzthaftungskammer des Landgerichts Freiburg. Dem Referendariat gingen das Studium und die Promotion an der Universität Freiburg voraus. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und war mitunter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht.

Das Interview

Klingenberg: Lieber Theodor, vielen Dank zunächst, dass du dich zu diesem Interview bereit erklärt hast. Du warst Rechtsreferendar in der Verwaltungsstation, die du an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer absolviert hast. Deine Erfahrungen im sog. Speyer-Semester sollen das Hauptaugenmerk dieses Interviews erhalten. Zum Einstieg möchte ich jedoch erst einmal grundsätzlich fragen: Bist du soweit zufrieden mit deinem Referendariat? Inwieweit wurden deine Erwartungen erfüllt, inwieweit weicht die Realität von der Vorstellung ab?

Dr. Theodor Lammich: Ich bin bisher sehr zufrieden mit dem Referendariat am Landgericht Freiburg. Dessen Ablauf hat mich vor allem in zwei Aspekten positiv überrascht. Zum einen gibt es eine große und vielseitige Bandbreite an Angeboten, sich auf das Examen vorzubereiten. Darunter fallen neben der Arbeitsgemeinschaft insbesondere die korrigierten Übungsklausuren einschließlich des Probeexamens und das bereitgestellte Online-Lernprogramm ELAN-REF. Zum anderen hatte ich unterschätzt, wie facetten- und erlebnisreich man sich das Referendariat gestalten kann. In der Zivilstation durfte ich eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführen, in der Strafstation einer Hausdurchsuchung beiwohnen. Für die Anwaltsstation ging ich nach München, wo man mich wiederum zu einer BGH-Verhandlung mitnahm. Und für die Wahlstation geht es dann nach Straßburg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Möglichkeiten sind enorm und die größte Hürde besteht oft nur aus einer freundlichen Anfrage beim Ausbilder bzw. einem simplen Antrag bei der Dienststelle.

Klingenberg: Kommen wir nun zu deiner Verwaltungsstation: Was war dein Beweggrund für das Speyer-Semester an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer bzw. wieso hast du dich gegen eine, ich sage mal, klassische Einzelausbildung, wie bei dem Verwaltungsgericht, dem Ordnungsamt, dem Rechtsamt oder der Polizei entschieden?

Dr. Theodor Lammich: Als ich mich als Neu-Referendar mit älteren Kollegen über die Option eines Speyer-Semesters unterhalten habe, gab es regelmäßig eine verhaltene bis skeptische Reaktion vonseiten derer, die nicht dort waren und eine euphorische Begeisterung derer, die dort waren. Diese Polarisierung macht neugierig. Hinzu kommt der schöne Gedanke, vor dem sich anbahnenden Berufseinstieg noch einmal für ein paar Monate ein intensives Studentenleben führen zu dürfen. Und schließlich gab es auch nüchterne, examensbezogene Gründe. Durch bestimmte Übungen lernt man konkret auf die Assessorklausur hin. Das kann eine Behörde so nicht leisten. Zudem endet das Speyer-Semester für die Baden-Württemberger früher als die reguläre Verwaltungsstation, sodass die auf Vorbereitung bedachte letzte Station länger geht. Schlussendlich fand ich es auch attraktiv, dass man sich das Speyer-Semester bei Bedarf für einen späteren LL.M. anrechnen lassen könnte.

Klingenberg: Wann hast du dich für das Speyer-Semester beworben und wie lief die Bewerbungsphase ab? Kannst du unserer Leserschaft hier vielleicht ein paar nützliche Informationen geben, worauf sie bei der Bewerbung auf jeden Fall achten sollten?

Dr. Theodor Lammich: Im Allgemeinen ist der Verwaltungsaufwand für ein Speyer-Semester sehr überschaubar. Ich habe mich etwa ein Jahr zuvor „vormerken“ lassen. Hierfür gibt es auf der Seite der Universität eine eigene Funktion. Die eigentliche Bewerbung habe ich vier Monate zuvor eingereicht. Wichtig ist es, dem Landgericht als Stammdienststelle zuvor Bescheid zu geben, da dieses letztlich über die Zuweisung entscheidet. Bei der Bewerbung würde ich raten, zugleich das Angebot eines universitären Wohnheimplatzes anzunehmen. Das Leben auf dem Campus, wie man es sonst vielleicht nur von britischen oder amerikanischen Universitäten kennt, hat seinen ganz eigenen Charme.

Klingenberg: Wie läuft das Studium an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer konkret ab?

Dr. Theodor Lammich: Für die Rechtsreferendare gibt es eine vorgegebene Anzahl an Pflichtwochenstunden, die es abzuleisten gilt. Angeboten werden Seminare, Arbeitsgemeinschaften und Vorlesungen. Jeder Referendar muss mindestens ein Seminar und eine Arbeitsgemeinschaft besuchen. Beides wird mit einer Prüfungsleistung beendet und die sich ergebende Durchschnittsnote ist dann auch die Stationsnote. Die Veranstaltungen, für die man sich vorab online bewirbt, füllen ein weites Spektrum an verwaltungsbezogenen Themen, beispielsweise E-Governance, Beamtentum in der Kunst oder verwaltungsrechtliche Moot-Courts. Damit auch das konkrete Landesrecht nicht zu kurz kommt, gibt es die Landesübungen mit Lehrbeauftragten aus den jeweiligen Ländern. Die Dozenten haben in ihren Gebieten oft Rang und Namen, sind etwa Bundesrichter, bekannte Lehrbuchautoren oder erfahrene Verwaltungspraktiker. Ich war fast durchwegs zufrieden mit ihnen.

Unwahr ist die Behauptung, die Referendare würden in der Zeit weniger als andere lernen. Ganz im Gegenteil: Durch die Anwesenheitspflicht, die hohe Qualität der Lehrveranstaltungen und die Zielgerichtetheit vieler Vorlesungen auf das Assessorexamen haben die „Speyeraner“ einen großen lerntechnischen Vorteil.

Aber auch das Außeruniversitäre hat seinen Reiz. Es gibt als Sportangebote etwa ein Tennisturnier mit dem örtlichen Tennisclub, ein Schwimmbad, Badeseen, Fitnessstudios, ein paar Golfplätze in der Nähe, Tanzkurse oder eine Flunkyballmeisterschaft. Vieles wird dabei finanziell von der Hörerschaft, so heißt die Interessenvertretung der Studenten (sog. Hörer), bezuschusst oder ganz getragen. Und wer feiern gehen möchte, kann nahezu täglich in die legendäre Bierbar einkehren oder zu den wöchentlichen, von Vertretern des jeweiligen Landes organisierten Länderpartys kommen. In meinem Semester luden beispielsweise die Berliner in das mit Schwarzlicht, Glitzer und Techno getränkte „Berlinhain“ ein, die Bajuvaren brachten uns ein Oktoberfestzelt, die Nordlichter machten eine Bootsparty auf dem Rhein und die neuen Bundesländer schickten uns ins tropische „Biervanna“, wo wir unter anderem mit „Margots Erdbeerbowle“ und „Vita-Kola“ versorgt wurden.

Klingenberg: Du hattest erwähnt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie man sich das eigene Semesterprogramm individuell zusammensetzen kann. Welche Möglichkeiten gibt es konkret, für welches Studienprogramm hast du dich entschieden und bist du mit dieser Entscheidung zufrieden?

Dr. Theodor Lammich: Es gibt, wie bereits erwähnt, die Auswahl zwischen Seminaren, Arbeitsgemeinschaften und normalen Vorlesungen, die alle einen Verwaltungs-, nicht zwingend aber einen verwaltungsrechtlichen Bezug haben. Ich hatte Glück und habe zwei sehr begehrte Plätze im Seminar bei Professor Karl-Peter Sommermann zu aktuellen Problemen im Staats- und Verwaltungsrecht sowie in der Corona-Moot-Court-AG bekommen. Dazu habe ich – neben Wehrrecht – die Vorlesungen gewählt, die mich konkret auf das Assessorexamen vorbereiten. Das Seminar nahm ich auf Empfehlung von Freunden hin, die Arbeitsgemeinschaft, weil mir Moot-Courts Spaß machen, Wehrrecht wegen meines Reservistendienstes und die Vorlesungen zum Zwecke der Examensvorbereitung. Ich war im Nachhinein mit jeder meiner Entscheidungen zufrieden, habe aber auch über andere Veranstaltungen selten Schlechtes gehört. So war die Veranstaltung zum Weinrecht, doziert von einer ehemaligen Weinhoheit, wohl auch neben der didaktisch motivierten Weinverkostung ein interessanter Einblick in unbekannte Rechtsgebiete.

Klingenberg: Mit dem Speyer-Semester lässt sich auf lange Sicht der akademische Grad „Master of Laws Staat und Verwaltung in Europa“ erwerben. Wofür ist dieser akademische Grad sinnvoll, vor allem wenn man bereits einen Doktortitel innehat? Und wie lässt sich der LL.M. (Staat und Verwaltung in Europa) konkret erwerben? Hast du dahingehend Ambitionen?

Dr. Theodor Lammich: Neben dem Mag. rer. pub., also dem verwaltungswissenschaftlichen Magister, kann das verwaltungswissenschaftliche Ergänzungsstudium, wie das Speyer-Semester eigentlich heißt, auch dem Masterstudiengang „Staat und Verwaltung in Europa“ angerechnet werden. Diesen würde man dann an das Referendariat anschließen. Der akademische Grad ist – wie bei allen seiner Art – primär sinnvoll, wenn man sich für die Thematik interessiert, dessen Beherrschung der Grad verspricht. Betrachtet man die wachsende gesamteuropäische Verantwortung, so ist es sicherlich zukunftsorientiert, sich mit ihrer Verwaltung zu beschäftigen. Ob aber gerade diese akademischen Grade stark karrierefördernd sind, mag man anzweifeln. In Behördenlaufbahnen, die Verwaltungsfreunden naheliegen, sind zusätzliche akademische Grade meist weniger bedeutsam als in den Kanzleien. Und diese erhoffen sich bei einem LL.M. oft einen aus dem Ausland. Nichtsdestotrotz bleibt jeder zusätzliche Grad, auch neben einem bestehenden Doktortitel, ein Nachweis für besondere Kompetenz, Verhandlungsmasse bei Gehaltsfragen und kann in Speyer – bei geschickter Belegung der Veranstaltungen im Ergänzungsstudium – durch die Anrechnung stark verkürzt werden. Ich kenne keinen einfacheren, effizienteren und günstigeren Weg zu einem LL.M., möchte meinen aber dennoch im englischsprachigen Ausland machen.

Klingenberg: Du bist auch sog. Hörersprecher. Es handelt sich hierbei um ein Ehrenamt an der Uni Speyer, ähnlich dem der AG-Sprecherin bzw. des AG-Sprechers. Welche Aufgaben übernimmst du aber konkret als Hörersprecher und wie viel Zeit nimmt dies in Anspruch?

Dr. Theodor Lammich: Der Hörersprecher steht der Hörerschaft vor. Die Hörerschaft ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts die von den Hörern getragene und vollständig aus eigenen Mitteln finanzierte Selbstverwaltung der Studenten. Der von den Hörern gewählte Sprecher fungiert mit seinem Stellvertreter als Hauptschnittstelle zwischen Rektorat, Universitätsverwaltung und Hörerschaft und vertritt die Interessen der Hörer im Innen- und Außenverhältnis. Man ist in erster Linie Vermittler, Repräsentant und verantwortlich für alles, was nicht in die Zuständigkeit eines Referats fällt. Die Referate sind quasi die funktionalen Abteilungen der Hörerschaft. Es gibt zum Beispiel das Finanz-Referat, das Event-Referat, das Kultur-Referat oder das Alumni-Referat mit jeweils zwei Referenten. Klassische Aufgaben des Sprechers sind das Halten von Reden, das Verfassen des Newsletters, die Durchführung der Vollversammlungen oder auch die Organisation der Semester-Pullover. Die Zeit, die das Amt in Anspruch nimmt, ist auch in der Examensvorbereitung verkraftbar. Man hat nicht nur ein eigenes Büro, einen Stellvertreter und erhebliche finanzielle Mittel, sondern eben auch die Referate – insbesondere die Finanzer, das Event- und das Kulturreferat –, die enorm viel Verwaltungs- und damit auch Zeitaufwand übernehmen. Aufreibender ist eher die ständige, von Teilen emotional begleitete Vermittlung zwischen Partikularinteressen und Mehrheitsbedürfnissen, für deren Ergebnis man dann stellvertretend den Kopf hinhalten muss. Wer gerne gestaltet und ein Teamplayer ist, sollte auf alle Fälle in ein Referat. Wer dazu noch ein besonders dickes Fell hat und bestenfalls Freude und Erfahrung in der Vereinsführung, sollte sich um das Amt des Hörersprechers bewerben.

Klingenberg: Magst du mit unserer Leserschaft eine besonders interessante oder vielleicht auch lustige Anekdote aus deiner Zeit an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer teilen, sei es als Hörer oder als Hörersprecher?

Dr. Theodor Lammich: Es scheint mir eine gute und begründete Tradition zu sein, konkrete Geschichten aus Speyer nicht allzu öffentlich breitzutreten. Sowas erzählt man in geschlossenem Rahmen bei einem Dubbeglas Pfälzer Weinschorle.

Klingenberg: Vielen Dank für all die hilfreichen und interessanten Einblicke. Ich kann mir zwar bereits vorstellen, wie die Antwort lauten wird, dennoch: Würdest du das Speyer-Semester als Verwaltungsstation weiterempfehlen?

Dr. Theodor Lammich: Ja.

Klingenberg: Möchtest du unserer Leserschaft das Interview abschließend noch etwas anderes mit auf ihren Weg geben?

Dr. Theodor Lammich: Viele, die das hier lesen, werden am Anfang des Referendariats stehen. Ihnen wünsche ich viel Spaß, Erfolg und die Muße, den Vorbereitungsdienst als Entdeckungsreise wahrzunehmen. Sollte es euch nach Speyer verschlagen, dann scheut euch nicht davor, euch zu engagieren. Ob nun als Referent, Sprecher oder einfacher Hörer. Es gibt durch die etlichen vielseitig talentierten Kommilitonen und die finanziellen Mittel enorme Möglichkeiten, die man nutzen kann und sollte. Denn letztlich ist Speyer das, was man draus macht.

Vielen Dank für das Interview.

Der Interviewpartner wurde hinsichtlich der Verwendung sog. geschlechtergerechter Sprache freigestellt.