I. Einleitung

Ein großzügiges Gebäude, ein imposantes Büro, ein wuchtiger Schreibtisch aus massivem Holz vor einer Regalwand mit Kommentaren, Lehrbüchern und gebundenen Zeitschriften sowie ein seriös gekleideter Anwalt im gesetzten Alter mit grauen Schläfen oder wahlweise eine Anwältin im Business-Outfit – so oder zumindest so ähnlich sah lange Zeit das Bild eines Vertreters des Rechtsanwaltsberufs aus. Und sicherlich gibt es das nach wie vor, allerdings existieren heutzutage daneben auch noch diverse andere „Erscheinungsformen“. Und nur, weil ein Anwalt oder eine Anwältin der vorgenannten Vorstellung nicht entspricht, bedeutet das nicht, dass er oder sie keine gute Arbeit leistet. 

Im Gegenteil: Es gibt zahlreiche Beispiele von hoch-spezialisierten Kolleginnen und Kollegen, die in ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten tätig sind und gerade deshalb so erfolgreich sind, weil sie aufgrund ihrer Tätigkeit bzw. ihres Auftretens eben nicht dem „klassischen“ Anwaltsbild entsprechen. Das reicht vom zum Kanzleifahrzeug umfunktionierten alten Polizei-Gruppenkraftwagen der Kanzlei Hoenig in Berlin (www.kanzlei-hoenig.de) über die „Autobahnkanzlei“ von Rechtsanwalt Peter Möller (www.autobahnkanzlei.de) bis hin zur auf Musikrecht spezialisierten Kanzlei Kleymann, Karpenstein & Partner mbB Rechtsanwälte (www.metal-anwalt.de) sowie Rechtsanwalt Marko Dörre, der sich selbst als „Pornoanwalt“ bezeichnet (www.pornoanwalt.de). Ganz zu schweigen von Exoten, wie der Kanzlei für Luftrecht des Kollegen Frank Dörner (www.air-law.de) oder den auf Luft- und Weltraumrecht spezialisierten Rechtsanwälten Baumann, Heinrich, Ortner (www.bho-legal.com). Und natürlich versucht die Juristerei auch mit dem technischen Fortschrift mitzuhalten, so dass es in den Bereichen Start-ups, Legal Tech, Blockchain, 3D-Druck, Augmented Reality, Kryptowährungen oder auch künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile einige Experten gibt, die hier sämtlich aufzuzählen den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Um den Kreis zum eingangs skizzierten Anwaltsbild zu schließen: Die Vorstellungen darüber, wie Anwälte und Anwältinnen bzw. ihre Kanzleien oder auch ihre Arbeitsweise auszusehen haben, mögen sich mitunter stark unterscheiden. 

Das eine muss das andere auch nicht unbedingt ausschließen. Will sagen: Ein Spezialist im Bereich „KI“ kann im Maßanzug daherkommen, auch wenn man ihm vielleicht eher einen „Schlabberlook“ mit zerrissenen Jeans, Sneakers und Hoodie zutrauen würde. Oder anders formuliert: Nur weil ein Kollege oder eine Kollegin nicht Anzug und Krawatte bzw. Rock und Bluse als seine/ihre bevorzugte Arbeitskleidung wählt, muss er oder sie nicht deshalb schlechte Arbeit abliefern. Der Rechtsanwaltsberuf hat sich verändert, die Mandanten und ihre Erwartungen ebenso. Ob das daran liegt, dass wir nun einmal im 21. Jahrhundert leben und insb. die technologische Entwicklung rasend schnell voranschreitet, oder an TV-Serien, wie „Liebling Kreuzberg“, „Danni Lowinski“ oder „Suits“ – der Rechtsanwaltstypus von vor 20 oder 30 Jahren war schlichtweg ein anderer als heutzutage. Damit soll weder das eine noch das andere in irgendeiner Art und Weise bewertet werden. Es ist lediglich festzustellen, dass auch die Rechtsberatungsbranche nicht in einer „Luftblase“ schwebt, sondern sich genauso ändert wie andere Branchen und Berufsgruppen auch. Das zu ignorieren, hilft garantiert nicht weiter. Folglich tut man auch als Angehöriger einer vergleichsweise konservativen Berufsgruppe gut daran, sich an neue Arbeitsweisen, Werbekanäle und Mandantenerwartungen zu gewöhnen und sich darauf einzustellen. Das bedeutet natürlich nicht, dass jetzt jeder Anwalt bzw. jede Anwältin gleich alles über den Haufen werfen muss. Aber es schadet auch nichts, ab und zu mal ein wenig über den gewohnten Tellerrand hinauszublicken. Denn es gilt das alte Sprichwort: „Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen“.

 

II. Klassisches Anwaltsbild ade?

Ein Anwalt ist vormittags bei Gericht und nachmittags in Besprechungen – das bekommt man zumindest regelmäßig zu hören, wenn man versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Neben dieser branchenüblichen Arbeitsweise gibt es inzwischen aber natürlich auch noch einige andere Variationen. So treten bspw. Anwältinnen und Anwälte, die hauptsächlich beratend tätig sind, nur sehr selten vor Gericht auf. Eine andere Möglichkeit ist die temporäre bzw. projektbezogene Mitarbeit in Unternehmen, also die Bereitstellung von Serviceleistungen einer „externen Rechtsabteilung“. In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass die Tätigkeit als sog. „Of-Counsel“ immer beliebter zu werden scheint. Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Of_counsel, 30.7.2019) definiert diese Funktion wie folgt:

Of counsel (engl. in beratender Funktion), oft kurz Counsel, ist die Bezeichnung für einen Berufsträger in einer Rechtsanwaltskanzlei oder einem ähnlichen Unternehmen, der außerhalb der unternehmensinternen Organisation nur zu bestimmten speziellen Aufgaben als Experte hinzugezogen wird. Eine als of counsel tätige Person ist zumeist eine erfahrene, namhafte und auf ein bestimmtes Rechts- oder Fachgebiet spezialisierte Persönlichkeit und betreibt die Tätigkeit nicht selten neben ihrem Hauptberuf. In einer großen Anwaltskanzlei wird der Begriff für Rechtsanwälte eingesetzt, die außerhalb der Hierarchie von Partnern/Sozien und angestellten Anwälten („Associates“) bei bestimmten Mandaten herangezogen werden – oft handelt es sich um Politiker oder Hochschullehrer, insbesondere solche im Ruhestand.

Dies kann also für beide Seiten vorteilhaft sein, sowohl für die Kanzlei als auch für den Counsel. „Aus der Not eine Tugend zu machen“ kann gerade bei Einzelanwälten so aussehen, dass sie eine „mobile Kanzlei“ anbieten, ihren Mandaten also Zeit und Aufwand ersparen, indem sie bspw. zur Mandantschaft fahren und die Besprechung vor Ort stattfinden kann.

Die Kooperation von Rechtsanwälten kann ebenfalls in unterschiedlichster Art und Weise gestaltet werden, auch in dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren Einiges getan. Ohne an dieser Stelle auf das weite Feld der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten eingehen zu wollen, kann doch festgestellt werden, dass Sozietäten heutzutage anders aussehen als noch vor einigen Jahren. Das hat mit einem anderen Verständnis anwaltlicher Arbeitsweise und auch mit veränderten (berufs-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu tun. So sind etwa bereits seit Anfang 2008 sog. Sternsozietäten erlaubt. Eine solche liegt vor, wenn Sozien einer weiteren Sozietät bzw. Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern angehören (vgl. § 59a Abs. 1 BRAO). Allerdings besteht nach wie vor eine Kanzleipflicht. Nach Maßgabe von § 5 BORA ist ein Anwalt dazu verpflichtet, die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorzuhalten. Die überwiegende Rechtsprechung geht noch immer davon aus, dass zu den Mindestanforderungen einer Kanzlei i.S.v. § 5 BORA folgende Kriterien gehören:

  • ein Büroraum,
  • ein Kanzleischild,
  • ein betrieblicher Telefonanschluss sowie
  • ein Briefkasten für Zustellungen.

Wie der BGH in seinem Beschl. v. 2.12.2004 (AnwZ (B) 72/02) festgestellt hat, muss ein Anwalt „zu angemessenen Zeiten dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen“. Es ist also gerade einmal gut 15 Jahre her, dass die Zulassung eines Rechtsanwalts, der gegen die Kanzleipflicht verstieß, durch den BGH widerrufen wurde. Zwar hatte die Verfassungsbeschwerde gegen diese Maßnahme letztlich Erfolg (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.2.2005 – 1 BVR 276/05), aber die Kanzleipflicht mit den o.g. Merkmalen besteht dem Grunde nach noch immer. Das Gesetz sieht in §§ 29 Abs. 1 S. 1, 29a Abs. 2 BRAO die Möglichkeit zur Befreiung von der Kanzleipflicht vor, dies ist aber natürlich angewisse Voraussetzungen geknüpft. Dabei geht es jedoch primär um bestimmte Härtefälle, wie etwa Krankheit, Elternzeit, Auslandsfortbildung bzw. -tätigkeit o.Ä. Allerdings stehen die Möglichkeiten moderner Rechtsberatung bzw. Mandatsbearbeitung den normierten Zielen nicht entgegen, zumal auch die Mandanten verstärkt z.B. auf digitale Kommunikation bestehen – ein Rechtsanwalt ohne E-Mail-Zugang oder Smartphone gilt wohl als „Dinosaurier“. Trotz aller berufs- oder datenschutzrechtlichen Bedenken wollen nicht wenige Mandanten „ihren“ Anwalt via E-Mail, WhatsApp, Facetime oder Skype erreichen. Diese Entwicklung geht natürlich nicht spurlos an der Anwaltschaft vorbei. Die 6. Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat am 6.5.2019 eine Änderung von § 2 BORA beschlossen. Der neue Einschub in Abs. 2 soll wie folgt lauten (vgl. AnwBl. 6/2019, S. 330):

Zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist die Nutzung eines elektronischen oder sonstigen Kommunikationsweges, der mit Risiken für die Vertraulichkeit dieser Kommunikation verbunden ist, jedenfalls dann erlaubt, wenn der Mandant ihr zustimmt. Von einer Zustimmung ist auszugehen, wenn der Mandant diesen Kommunikationsweg vorschlägt oder beginnt und ihn, nachdem der Rechtsanwalt zumindest pauschal und ohne technische Details auf die Risiken hingewiesen hat, fortsetzt.

Diese Änderung von § 2 BORA wird frühestens zum 1.11.2019 in Kraft treten. Und doch ist sie so wichtig, denn sie entspricht schon jetzt der täglichen Anwaltspraxis. War es vor einigen Jahren noch „in Stein gemeißelt“, dass Mandanten zur Besprechung in die Kanzlei kommen oder das Anliegen bisweilen auch telefonisch vortragen konnten, so ist die Erwartungshaltung inzwischen eine andere. Die Erreichbarkeit des Anwalts per E-Mail ist ein absolutes Muss – und das nicht nur bei technik-affinen 23-Jährigen. Gerade unternehmerisch tätige Mandanten sind heilfroh, wenn sie nicht für jede kurze Frage anrufen oder gar die Fahrt zur Kanzlei antreten müssen. Anwälte müssen ihren Mandanten aber zumindest anbieten, dass die Kommunikation per E-Mail verschlüsselt erfolgen kann – auch wenn die Praxiserfahrung zeigt, dass nur ganz wenige Mandanten davon Gebrauch machen können oder wollen. Irgendwo scheint es in diesem Bereich noch immer gewisse „Blockaden“ zu geben, obwohl die technische Realisierung der Verschlüsselung von Mail-Inhalten kein „Hexenwerk“ mehr ist; die Verschlüsselung der Übertragungswege von E-Mails wird jedenfalls bei der überwiegenden Anzahl der E-Mail-Provider schon seit geraumer Zeit gewährleistet. Um Mail-Inhalte zu verschlüsseln, kann etwa das sog. S/MIME-Verfahren genutzt werden, bei dem ein Zertifikat in Form einer kleinen Datei zum Einsatz kommt. Dieses muss bei einem entsprechenden Anbieter beantragt werden, wobei es kostenpflichtige und auch kostenfreie Varianten gibt. Absender und Empfänger tauschen ihre Zertifikatsdateien dann aus, richten die jeweils andere auf ihrem Endgerät ein und verifizieren den Gegenpart dadurch. Anschließend können über das ganz normale E-Mail-Programm, wie Outlook oder Thunderbird, inhaltlich verschlüsselte E-Mails ausgetauscht werden. Eine andere Möglichkeit besteht in der Nutzung der PGP-Verschlüsselung, wobei hier keine Zertifikate, sondern Schlüssel ausgetauscht werden, was letztlich aber ganz ähnlich funktioniert. Bei dieser Methode müssen jedoch in aller Regel Zusatz-Tools eingerichtet werden, weil die handelsüblichen E-Mail-Programme diese Funktionalität – im Gegensatz zu S/MIME – nicht integriert haben. Wer den technischen Aufwand scheut, kann auch auf alternative E-Mail-Anbieter ausweichen, wie etwa Tutanota (www.tutanota.com), die bereits standardmäßig eine Inhalts-Verschlüsselung enthalten. Dazu müssen Anwalt und Mandant sich hier jeweils einen Account zulegen, der oftmals in der Grundversion kostenfrei ist.

Auch in puncto Messenger-Dienst muss nicht zwingend auf den Branchenprimus WhatsApp zurückgegriffen werden. Das mag zwar bequem und weit verbreitet sein, verbietet sich aber aus Gründen des Datenschutzes, da hier von der App ein Zugriff auf alle Kontakte erfolgt und diese auf US-Server des Anbieters (Facebook) hochgeladen werden. Dadurch besteht für Berufsgeheimnisträger die Gefahr, sich wegen Geheimnisverrats nach § 203 StGB strafbar zu machen. Zwar wurde das „Legal Outsourcing“ Anfang November 2017 durch die Einführung von § 43e BRAO etwas erleichtert, die Gesamt-Gemengelage ist jedoch alles andere als abschließend geklärt. Gute Alternativen sind daher sicherere Messenger, wie bspw. Threema (www.threema.ch) oder Signal (www.signal.org). Beide Apps sind kostenfrei, Ende-zu-Ende-verschlüsselt und ohne die datenschutzrechtlichen Bedenken, wie sie insb. gegenüber WhatsApp bestehen.

Und auch wenn man sich als Anwalt von der modernen Technik nicht „einfangen“ lässt und sich zumindest gegen eine ständige, „Rund-um-die-Uhr“-Erreichbarkeit wehrt, bringt die elektronische Kommunikation dennoch für Anwälte und Anwältinnen viele Vorteile mit sich. Denn: Einem Telefonat muss man sich sofort widmen, eine E-Mail kann man dann beantworten, wenn es zeitlich passt. Selbstverständlich eignen sich nicht alle Dinge für die Regelung per E-Mail, manchmal ist das persönliche Gespräch einfach unerlässlich. Aber es sei erwähnt, dass eine jahrelange, gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Anwalt und Mandant möglich ist, auch wenn man sich nur vom Telefon oder aus E-Mails kennt. Es führen eben viele (Kommunikations-) Wege nach Rom.

Bei Lichte betrachtet kann aber auch in Zeiten „digitaler Nomaden“ und flexibler, digitaler Arbeitsmöglichkeiten noch nicht von der Kanzleipflicht abgerückt werden. Solange der elektronische Rechtsverkehr hierzulande noch in den Kinderschuhen steckt und die Kommunikation zwischen Anwälten, Behörden, Gerichten und Mandanten im Wesentlichen noch per Brief erfolgt, müssen Anwälte natürlich auch eine zustellungsfähige Anschrift vorweisen und diese u.a. auf ihrem Briefkopf angeben. Die §§ 5, 10 BORA fordern dies nicht zu Unrecht.

III. Digitalisierung im Anwaltsbüro

1. Elektronische Handakte & elektronischer Rechtsverkehr

Im Zeitalter der Digitalisierung gehört die Rechtsanwaltschaft zu einem der letzten Berufsstände, die noch eine so antiquierte Technik wie Faxgeräte einsetzen. Wirft man allerdings einmal einen Blick auf die Pannen, die es bei der Einführung bzw. beim Betrieb des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, des allseits beliebten beA, gab und noch immer gibt, kann man diejenigen Kolleginnen und Kollegen sehr gut verstehen, die an der bewährten Faxtechnik bis zuletzt festhalten wollen.

Gleichwohl ist der Schritt hin zum elektronischen Rechtsverkehr – sofern er dann in Zukunft einmal weitgehend reibungslos funktionieren wird – absolut richtig und notwendig. Das bringt es aber zwangsweise mit sich, dass alle Beteiligten ihre Arbeitsabläufe umstellen. Einige Kollegen haben wohl schon weitgehend das papierlose Büro realisiert, wobei dieser Begriff irreführend ist – „papierarm“ wäre wohl angebrachter. Denn nach wie vor gibt es natürlich Urteile, Vollstreckungsbescheide und andere Titel, die im Original vorliegen müssen und auch für die Dauer ihrer Vollstreckbarkeit aufzubewahren sind. Die Aktenarchive werden daher so schnell nicht verschwinden, sie werden sich aber vermutlich immer langsamer mit neuen Inhalten füllen, bis dann irgendwann auch vollstreckbare Urkunden in digitaler Form möglich sein werden.

Bereits jetzt fordert die passive beA-Empfangsbereitschaft eine gewisse Anpassung der internen Kanzleiabläufe. So verlangt § 31a Abs. 6 BRAO Folgendes:

Der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen.

Wer öfter Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheide beantragt oder Schriftsätze mit umfangreichen Anlagen verschickt, der lernt schnell die Vorzüge digitaler Bearbeitung und Übermittlung per beA zu schätzen – auch wenn dessen Optik, Benutzerführung und Handhabung in den 1990er Jahren steckengeblieben zu sein scheinen. Wenn es funktioniert, sind die Vorteile in puncto Geschwindigkeit, Kosten und Effizienz jedoch unbestreitbar. Das Arbeiten mit einer digitalen Akte beherrscht jede auf dem Markt angebotene Anwaltssoftware, die meisten beherrschen inzwischen auch den Umgang mit dem beA ganz gut. Der Workflow zu Erstellung und Weiterverarbeitung eigener Schriftsätze ist daher kein Problem. Vom digitalen Diktat direkt in die Textverarbeitung über die Bearbeitung durch das Sekretariat bis hin zum Versand via beA – nichts muss heute mehr unbedingt ausgedruckt werden.

Anders sieht es natürlich in Bezug auf die Korrespondenz aus, die täglich von Behörden, Gerichten, Anwälten oder Mandanten im Briefkasten der Kanzlei landet. Die muss nun nicht nur gesichtet, gestempelt, sortiert und an den Sachbearbeiter weitergeleitet, sondern auch in die digitale Form überführt werden. Ein Dokumentenscanner ist in Kanzleien mithin nahezu unumgänglich. Den Mut, die Original-Unterlagen anschließend zu entsorgen, bringen aktuell wohl die wenigsten Anwälte auf. In den meisten Fällen wird zweigleisig gefahren und die bewährte Papier-Handakte parallel zum digitalen Pendant geführt. Das ist zwar nicht so effektiv, dafür aber unter Sicherheitsgesichtspunkten gar nicht so abwegig. Denn so dient die Handakte als „analoge Sicherheitskopie“ bzw. die eingescannten Unterlagen als digitale Kopie der Handakte.

Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er schon bereit ist für die rein digitale Aktenführung, ob er (noch) beide Akten parallel führt oder ob er nach wie vor an der klassischen Papier-Handakte festhalten will.

Spätestens dann, wenn die aktive beA-Nutzungspflicht kommt, wird sich jeder mit einem digitalen Workflow beschäftigen müssen. Und je eher man diesen in der Kanzlei eingeführt und auch eingeübt hat, desto besser. Zudem muss ja auch die notwendige Hardware angeschafft, eingerichtet und deren Handhabung „trainiert“ werden. So gut und simpel heutzutage Scanner, Multifunktionsgeräte, Tablets und Smartphones auch sein mögen, nicht alles klappt auf Anhieb. Aufgrund des breiten Angebots reicht es nicht, irgendein Gerät zu kaufen und darauf zu hoffen, dass es funktioniert, man muss sich mit der Materie schon eingehend befassen. Gerade am wichtigsten Teil der Digital-Workflow-Kette sollte nicht gespart werden – dem Dokumentenscanner. Unabhängig von Hersteller, Marke oder Geräteserie sollte er mit den verschiedenen Arten von Papierdokumenten zurechtkommen, die einem als Anwalt so geschickt werden. Das geht von mal einseitig, mal beidseitig bedruckten Schriftsätzen über zusammen getackerte vollstreckbare Ausfertigungen oder notarielle Urkunden bis hin zum behördentypischen Umweltpapier oder auch kleinformatigen Quittungen. Unterschiedliche Größen und Papierstärken muss das Gerät bewältigen können. Der Scanner sollte also die Flut der täglichen Post bewältigen, beidseitig bedruckte Unterlagen in einem Arbeitsschritt verarbeiten (Duplex-Funktion) und sowohl durchsuchbare PDF-Dateien als auch langzeitarchivierbare Dokumente (z.B. im PDF-A-Format) erzeugen können. Natürlich gibt es auch verschiedene Apps für Smartphone und/oder Tablet, die diese Funktionen bieten und noch einiges mehr (z.B. Speichern der Dokumente in der Cloud). Allerdings gestaltet sich die Arbeit mit diesen Endgeräten als Scanner doch eher holprig, so dass dies eher eine Übergangslösung oder eine Variante für einen Einzelanwalt mit einem überschaubaren Posteingang sein kann.

2. Die perfekte Anwaltssoftware

Zentrales Werkzeug in einer Anwaltskanzlei ist natürlich die Anwaltssoftware. Hier gibt es ein recht großes Angebot, für jede Kanzleigröße und für jeden Geldbeutel. Neben den „Platzhirschen“, wie RA-Micro, Advoware, AnNoText, Advolux oder ReNoStar, gibt es auch noch etwas kleinere bzw. weniger bekannte Angebote, wie Winmacs, winra, Kanzlei-Manager oder Law- Firm. Zu den klassischen, lokal installierten bzw. server-basierten Systemen gesellen sich nun auch die ersten Cloud-Produkte, bspw. Kleos aus dem Hause Wolters Kluwer (www.kleos.wolterskluwer.com/de), Legalvisio (www.legalvisio.de) oder Actaport (www.actaport.de). Einen guten, vergleichenden Überblick über das aktuelle Marktangebot bietet Ilona Cosack für den ffi Verlag unter www.anwaltskanzleisoftware.de. Die Software, die in der Cloud läuft, hat den entscheidenden Vorteil, dass man jederzeit von überall auf der Welt darauf zugreifen und an den Akten arbeiten kann. Einzige Voraussetzung ist ein Endgerät mit Internetzugang. Nachteil ist dabei, dass die Kanzlei- bzw. Mandantendaten dann nicht auf einem Server in den Kanzleiräumlichkeiten gespeichert werden, sondern auf einem externen Gerät bei einem Dienstleister. Im Idealfall hat der Anbieter seine Server in Deutschland oder – auch noch akzeptabel – innerhalb der Europäischen Union stehen, im schlechtesten Fall werden die Daten aber in verschiedenen Staaten über den Erdball verteilt gespeichert. Dass sich hier die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht und die (zumindest potentielle) Zugriffsmöglichkeit fremder Staaten in die Quere kommen, dürfte klar sein. Insbesondere die USA haben seit Inkrafttreten des sog. CLOUD Acts (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act) Ende März 2018 die Möglichkeit geschaffen, dass die US-Regierung auf Daten von Internet-Firmen und IT-Dienstleistern zugreifen kann, auch wenn diese nicht in den USA gespeichert werden.

Ein immer größer werdendes Thema ist Legal Tech, also im weitesten Sinne technologie-gestützte Mandatsbearbeitung. Auch hier gibt es bereits eine ganze Menge mal mehr, mal weniger interessanter Angebote, u.a. (halb-)automatisierte Dokumentenerstellung bzw. -analyse, Recruiting, Spezialanwendungen, Chat-Bots oder intelligente juristische Datenbanken. Auch hierzu existiert online ein ganz guter Überblick unter www.legal-tech.de.

3. Ortsunabhängiges Arbeiten – virtuelles Sekretariat

Die typische „9–17 Uhr“-Arbeitsweise ist schon lange nicht mehr aktuell, in vielen Branchen setzen die Unternehmen auf flexible Arbeitszeitmodelle. Gleitzeit und Home-Office sind inzwischen die Mittel der Wahl, selbstverständlich auch in Anwaltskanzleien. Das funktioniert nicht zuletzt deswegen, weil die Erwartungshaltung der Mandanten eine andere ist als noch vor einigen Jahren. Heutzutage muss ein Anwalt eben nicht mehr in seinem Büro sitzen und einen Mandanten nach dem anderen empfangen. Das gibt es zwar noch, wird aber eben nicht mehr als „gottgegeben“ vorausgesetzt. Häufig sind gerade Unternehmer nicht unglücklich darüber, wenn ihr Anwalt etwas flexibler erreichbar ist und sie nicht für jede Frage zu ihm in die Kanzlei kommen müssen. Am Beispiel der kostenfrei von Microsoft erhältlichen Video-Konferenz-Software Skype zeigt sich deutlich, dass es dank der modernen Technik interessante Alternativen gibt. Diese Software lässt sich, wie andere Video-Chat-Tools auch, mit den Mitteln nutzen, die oftmals ohnehin vorhanden sind. Am PC müssen eine Kamera und ein Headset oder jedenfalls ein Mikrofon und Lautsprecher angeschlossen sein. Halbwegs gut ausgestattete Laptops bringen das alles bereits eingebaut mit, das Gleiche gilt für Tablets und Smartphones. Ohne großen (Kosten-)Aufwand können also Anwalt und Mandant miteinander sprechen, sogar von Angesicht zu Angesicht. Voraussetzung ist lediglich, dass beide die gleiche Software einsetzen, wie eben z.B. Skype oder auch Apple Facetime. Für mehrere Gesprächsteilnehmer gibt es etwas umfangreichere Lösungen, wie z.B. GoToMeeting, bei deren Nutzung jedoch in aller Regel Kosten anfallen. Aber auch hierbei müssen die Teilnehmer der Besprechung nicht irgendwo am Schreibtisch vor einem Computer sitzen, sondern können sich auch z.B. per Smartphone einwählen. Anders formuliert: Eine Video-Konferenz ist selbst dann möglich, wenn alle Teilnehmer in unterschiedlichen Ländern am Strand oder sonst wo sitzen – es muss nur ein ausreichend schneller Onlinezugang vorhanden sein.

Dass aber natürlich auch „mal eben kurz“ beantwortete Fragen am Telefon, per E-Mail, überVideo-Konferenz oder via Messenger nicht unentgeltlich erfolgen, sollte so früh wie möglich mit den Mandanten besprochen werden.

Das mobile Arbeiten mit Laptop, Tablet oder Smartphone ist in den letzten Jahren immer komfortabler geworden. So besteht die Möglichkeit, sich über einen sicheren, weil verschlüsselten Tunnel durch das „normale“ Internet mittels sog. VPN-Verbindung auf dem Kanzlei-Server einzuwählen und Akten auch unterwegs zu bearbeiten; bei „Anwaltssoftware aus der Cloud“ bedarf es sogar nur eines Standard-Browsers. Zusätzlich wird das Angebot an speziellen juristischen Apps immer größer. Die Spannbreite reicht hier von simplen Berechnungstools für RVG-Gebühren (z.B. Deutscher Anwaltverlag: https://anwaltsgebuehren.online/), Blutalkoholgehalt oder Kindesunterhalt über Gesetzestextsammlungen bis hin zu Spezial-Anwendungen, wie Lösungen für Modell-Release-Verträge.

Darüber hinaus haben sich mittlerweile verschiedene Dienstleister etabliert, die den Anwalt bei seiner flexiblen Arbeitsweise unterstützen. Als Hauptzielgruppe sind hier natürlich „Einzelkämpfer“ zu nennen, aber auch kleinere bis mittlere Kanzleien können von einigen Angeboten durchaus profitieren. So gibt es bspw. schon länger virtuelle Sekretariatsdienste (z.B. von der eBuero AG: www.anwaltssekretariat.de), die etwa die telefonische Erreichbarkeit des Anwalts auch dann gewährleisten, wenn dieser bei Gericht, in Besprechungen oder im Urlaub ist. Auch sind solche Dienste u.U. eine gute, temporäre Lösung für Zeiten der Spitzenbelastung, wie sie bei einigen Kollegen bspw. im ersten Halbjahr 2018 zur Hochphase der „DSGVO-Panik“ gegeben war. Neben den Telefondiensten bieten solche Unternehmen regelmäßig auch repräsentative Büroadressen, Büro- bzw. Besprechungsräume oder auch einen Schreibservice an.

Einen Schritt weiter gehen Angebote von freiberuflich tätigen Rechtsanwalts-Fachangestellten, wie z.B. ReFa24 (www.refa24.de). Hier können grds. alle Leistungen in Anspruch genommen werden, die Fachangestellte typischerweise ausüben, also u.a. Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Zwangsvollstreckung, Aktenführung oder Administration der Anwaltssoftware.Der Unterschied zu festangestellten Fachangestellten besteht darin, dass hier eine Dienstleistung angeboten wird, so dass eben u.a. keine Sozialabgaben fällig werden. Außerdem können die Leistungen zwar auch vor Ort in der Kanzlei erbracht werden, dies muss aber nicht zwingend so sein. Denn die meisten Tätigkeiten sind auch möglich, wenn der/die Fachangestellte sich per Fernwartungssoftware (z.B. Teamviewer) auf den Computer des Anwalts aufschaltet, per E-Mail Fragen geklärt oder Gespräche per Video-Chat geführt werden. Es versteht sich von selbst, dass bei einer solchen Vorgehensweise ein gewisses Vertrauensverhältnis unerlässlich ist. Darüber hinaus muss eine Verschwiegenheitsverpflichtungserklärung unterzeichnet werden, die zumindest in Textform vorliegen muss und deren Inhalt sich an den Vorgaben von § 43e Abs. 3 BRAO zu orientieren hat. Dann kann der/die externe Fachangestellte als „berufsmäßig tätiger Gehilfe“ i.S.v. § 203 Abs. 3 StGB gelten, so dass keine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht zu befürchten ist. Zu beachten ist außerdem, dass Anwälte nach Maßgabe von § 43e Abs. 2 S. 1 BRAO dazu verpflichtet sind, den ReFa-Dienstleister sorgfältig auszuwählen.

4. IT-Sicherheit nicht vergessen!

Bei aller Flexibilität, die moderne Arbeitsmittel ermöglichen, darf ein wichtiger Aspekt keinesfalls zu kurz kommen – die Rede ist hier von der IT-Sicherheit. Denn alle Daten, die sich nicht in den ohnehin ebenfalls gut zu sichernden Kanzleiräumlichkeiten befinden, sondern auf externen Endgeräten bzw. Datenträgern oder in einer Cloud, stellen ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar. Daher verlangen – neben dem gesunden Menschenverstand – gleich mehrere Vorschriften eine entsprechende Absicherung. Am deutlichsten formuliert es das Datenschutzrecht, denn schon das alte BDSG sprach von geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen, oder kurz: TOMs. Das hat sich auch mit dem Inkrafttreten der DSGVO und der neuen Fassung des BDSG nicht geändert. Das am 26.4.2019 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) erwähnt ebenfalls TOMs, wenn auch nicht in Bezug auf personenbezogene Daten, sondern auf Geschäftsgeheimnisse. Allerdings ist die Zielrichtung in beiden Fällen die gleiche: Die im Unternehmen bzw. in der Anwaltskanzlei existierenden Daten müssen u.a. vor dem Verlust, vor ungewollter Veränderung oder vor dem Zugriff durch unbefugte Dritte geschützt werden.

Die DSGVO spricht in diesem Kontext acht konkrete Punkte an:

1. Gewährleistung der Vertraulichkeit (Zutrittskontrolle, Zugangskontrolle, Zugriffskontrolle, Tren

nungsgebot, Auftragskontrolle);

2. Gewährleistung der Integrität von Daten (Eingabekontrolle, Weitergabekontrolle);

3. Gewährleistung der Verfügbarkeit von Daten,

4. Gewährleistung der Belastbarkeit der Daten-Systeme;

5. Wiederherstellung der Verfügbarkeit der Daten,

6. Verfahren zur regelmäßigen .berprüfung, Bewertung und Evaluierung der Wirksamkeit der TOM;

7. Daten-Verschlüsselung;

8. Pseudonymisierung von Daten.

In Bezug auf die Vertraulichkeit (1.) ist etwa an die folgenden Punkte zu denken:

  • Alarmanlage,
  • mechanische Fenstersicherungen,
  • Schließsystem mit Sicherheitsschlössern,
  • Videoüberwachung,
  • Bewegungsmelder,
  • Schlüsselregelung für Beschäftigte,
  • Personenkontrolle am Empfang,
  • Verschließen der Türen bei Abwesenheit,
  • Erstellen von Benutzerprofilen mit unterschiedlichen Berechtigungen,
  • Pflicht zur Passwortnutzung,
  • Einsatz von VPN-Technologie bei Zugriff von außen auf die internen Systeme,
  • Sperren von externen Schnittstellen (USB, CD-Rom usw.),
  • Einsatz von Intrusion-Detection-Systemen,
  • Nutzer-Berechtigungskonzept,
  • Verwenden einer Passwortrichtlinie,
  • Protokollierung von Zugriffen auf Anwendungen,

  • ordnungsgemäße Vernichtung von Datenträgern und Papierakten oder Inanspruchnahme von Dienstleistern zur Aktenvernichtung (z.B. Reißwolf),

  • Aufbewahrung von Datenträgern und Akten in abschließbaren Schränken,

  • logische Mandantentrennung

  • Datensätze mit Zweckattributen/Datenfeldern,

  • Trennung von Produktiv- und Testsystem,

  • sorgfältige Auswahl von Dienstleistern und schriftliche Vereinbarung (Verschwiegenheitsverpflichtung),

  • vertraglich festgelegte Kontrollrechte gegenüber dem Auftragnehmer und

  • vertraglich festgelegte Vertragsstrafen bei Verstößen.

Die Integrität (2.) von Daten erfordert bspw. Maßnahmen wie:

  • Protokollierung der Eingabe, Änderung und Löschung von Daten im System,
  • individuelle Benutzernamen für Nutzer,
  • Weitergabe von Daten in anonymisierter oder pseudonymisierter Form (wenn möglich),
  • Verschlüsselung der E-Mail-Übertragung und -Inhalte (falls möglich),
  • Festlegung von Löschfristen und
  • Nutzung von mobilen Datenträgern mit Verschlüsselungsfunktion.

Um die Verfügbarkeit (3.) von Daten zu gewährleisten, kommt u.a. das Folgende in Betracht:

  •  Server mit unterbrechungsfreier Stromversorgung (USV),
  • Alarmanlage im Serverraum,
  • Klimaanlage im Serverraum,
  • Überwachung von Temperatur und Feuchtigkeit im Serverraum,
  • Schutzsteckdosenleisten für EDV-Geräte,
  • Feuer- bzw. Rauchmeldeanlagen,
  • Feuerlöschgeräte,
  • Datensicherungskonzept und regelmäßiges Testen der Funktionsweise der Datensicherung,
  • Notfallkonzept,
  • Aufbewahrung von Datensicherung an sicherem, ausgelagertem Ort,

  •  Serverräume nicht unterhalb von sanitären Anlagen gelegen,

  • keine Wasserleitungen in Serverräumen bzw. über den Server-Rechnern sowie

  • Serverräume nicht in Hochwasser-gefährdeten Kellerräumen. Der Aspekt der Belastbarkeit (4.) der Systeme erfordert z.B. folgende Maßnahmen:

  • Antiviren-Software,

  • Hardware- und/oder Software-Firewall,

  • sorgfältige Auswahl des externen IT-Dienstleisters sowie

  • Einspielen von Updates/Upgrades für Betriebssystem und Anwendungssoftware. Bei der Wiederherstellung der Verfügbarkeit (5.) geht es etwa um:

  • einen sorgfältig ausgewählten IT-Dienstleister,

  • einen sorgfältig ausgewählten internen System-Administrator und

  • die Vorhaltung von Ersatz-Hardware (Server und Arbeitsplätze).

Um auf dem aktuellen Stand der Technik zu sein und auch zu bleiben, bedarf es eines Systems zur regelmäßigen .berprüfung, Bewertung und Evaluierung der Wirksamkeit der eigenen TOMs (6.). Da hilft schon mal ein entsprechender Eintrag im Kalender weiter, der einen mindestens zwei bis drei Mal pro Jahr daran erinnert, sich und seine Sicherungsmaßnahmen selbst zu überprüfen und ggf. nachzubessern. In größeren Kanzleien ist sicherlich ein eigenes Informations- Sicherheits-Management-System (ISMS) sinnvoll.

Die Verschlüsselung von Daten (7.) ist immer eine gute Idee. Wer Windows 10 in der Pro-Version als Betriebssystem einsetzt, kann die integrierte Bitlocker-Funktion aktivieren. So mancher externe Datenträger (USB-Stick, tragbare Festplatte) verfügt über eine eingebaute Verschlüsselungsfunktion.

Außerdem gibt es gute, z.T. sogar kostenfrei nutzbare Tools (z.B. Veracrypt), mit denen Dateien, Ordner oder ganze Festplatten verschlüsselt werden können. Die eigene Website sollte mit einem sog. SSL-/TLS-Zertifikat ausgestattet sein, so dass die Daten von Besuchern, etwa beim Einsatz eines Kontaktformulars, verschlüsselt übertragen werden.

Der Punkt Pseudonymisierung (8.) von Daten ist dagegen weniger praxisrelevant, da dies im anwaltlichen Alltag mehr hinderlich als nützlich wäre.

Natürlich sind nicht immer alle der genannten Maßnahmen möglich oder sinnvoll, denn als Anwalt kann man eben etwa mit anonymen oder pseudonymen Daten nur wenig anfangen.

Jeder ist aber dazu verpflichtet, den eigenen Schutzbedarf zu ermitteln und ein dem Risiko angemessenes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Anwälte sind ohnehin zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl. § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO, § 2 Abs. 1 S. 1 BORA), daher müssen sie alle Maßnahmen ergreifen, um die Daten bezüglich ihrer Mandanten bzw. Mandate entsprechend zu sichern.

IV. Rechtsberatung – und was sonst noch?

Gerade Einzelanwälte und kleinere Kanzleien haben bisweilen damit zu kämpfen, dass nicht ständig neue Mandate eintrudeln. Sie müssen in aller Regel mit gewissen Schwankungen leben, denn es gibt Zeiten, da kommt überdurchschnittlich viel, und es gibt Zeiten, in denen ist es etwas ruhiger. So manch einer hat um Weihnachten bzw. den Jahreswechsel etwas weniger zu tun, andere wiederum können in der Sommer-/Ferienzeit durchatmen. Und es gibt natürlich auch Kanzleien, da ist durchgängig ausreichend Betrieb, aber im Großen und Ganzen hat wohl jeder Anwalt schon die eine oder andere „Dürreperiode“ durchzustehen gehabt. Da stellt sich die Frage: Was dann? Genießt man die freie Zeit? Etwa auch dann, wenn sie länger dauert als gedacht?

Um eine mandanten-ärmere Phase zu überbrücken, kann man auch als Anwalt Tätigkeiten übernehmen, die vielleicht nicht unbedingt zur „klassischen“ Arbeit eines Organs der Rechtspflege gehören. Hier denken einige wohl direkt an das Halten von Vorträgen oder Seminaren oder an das Verfassen von Fachaufsätzen für Zeitschriften, Blogs oder die eigene Website.

Aber warum nicht mal ein Buch in Angriff nehmen? Findet sich kein Verlag, kann der schreibaffine Anwalt auch in Eigenregie veröffentlichen. Anbieter von entsprechenden Dienstleistungen (z.B. amazon) übernehmen gegen ein gewisses Entgelt Aufgaben, wie Satz, Lektorat, Druck oder auch Vertrieb. Bei der Veröffentlichung eines E-Books ist der zeitliche und finanzielle Aufwand sogar noch etwas geringer als bei einem Printwerk.

Wer sein Wissen an andere weitergeben möchte, muss heutzutage nicht zwingend Räumlichkeiten vorhalten oder anmieten, Werbe-Flyer verschicken, vor Ort Getränke organisieren, Teilnehmerunterlagen drucken usw. Das Zauberwort heißt: Webinar. Wer solch ein Online-Seminar veranstalten möchte, kann sich einen entsprechenden Partner suchen (z.B. einen juristischen

Verlag) oder sich selbst um die Technik, Werbung, Durchführung etc. kümmern. Mit Tools, wie bspw. GoToWebinar (www.gomeeting.com) oder Zoom (www.zoom.us), ist das gar nicht mehr so kompliziert und vergleichsweise preisgünstig. Zudem bieten derartige Tools über die Durchführung des eigentlichen Webinars hinaus oftmals auch noch zusätzliche Hilfe z.B. bei Bewerbung oder Abrechnung der Veranstaltung.

V. Moderne Akquise – Social Media & Co.

Die gute alte Visitenkarte ist zwar noch nicht ganz ausgerottet, sie wird in Zeiten von Social Media aber immer unwichtiger. Digitale Visitenkarten oder eine Vernetzung über LinkedIn oder Xing sind wesentlicher schneller, einfacher und praktischer. Denn die sozialen Medien können nicht nur zum Netzwerken, sondern zugleich auch für Werbezwecke genutzt werden. „Wer schreibt, der bleibt“, dieses alte Sprichwort gilt auch heute noch. Nicht nur die Anwälte, die schwerpunktmäßig in den Bereichen IT- bzw. Online-Recht tätig sind, können und sollten die Möglichkeiten des World Wide Web ausschöpfen. Allerdings muss hierbei bedacht werden, dass ein verwaister Social-Media-Account eher eine Anti-Werbung darstellt. Daher gilt: Wer einmal den Schritt gewagt hat und sich bei Facebook, Twitter, LinkedIn, Instagram & Co. angemeldet hat, ist gut beraten, hier auch regelmäßig Inhalte bereitzustellen. Und das bedeutet eher einmal am Tag als einmal im Monat. Das Gute an den sozialen Medien ist aber, dass es sich nicht immer um einen seitenlangen Aufsatz handeln muss, sondern auch die Weiterleitung oder Kommentierung eines anderen Beitrags möglich ist. Manchmal reicht schon ein Klick auf den „Gefällt mir“- oder den „ReTweet“-Button, um wieder im Spiel zu sein.

Dagegen kann die eigene Website ruhig als „virtuelle Visitenkarte“ gestaltet sein, sie muss also nicht zwingend regelmäßig mit neuen Inhalten gefüttert werden. Allerdings bringt ein ggf. separat betriebener Blog oder YouTube-Kanal deutlich mehr Aufmerksamkeit und damit auch potenziell mehr neue Mandaten.

ROHRLICH, VIRTUELLE KANZLEI, WEBINARE, VIDEO-BERATUNG & CO. – DER ANWALTSBERUF IM UMBRUCH, ZAP 2019, S. 873 ff.

Dieser Beitrag wird auch in der „ZAP Zeitschrift der Anwaltspraxis“ veröffentlicht. Weitere Informationen zur ZAP finden Sie unter zap-verlag.de Der ZAP-Verlag gehört zur Gruppe des Deutschen Anwaltverlags.