Vom Referendariat in den Berufsalltag

Das Referendariat soll die Referendare auf die praktische Arbeit und den Berufseinstieg vorbereiten, so zumindest ist die Zielsetzung des juristischen Vorbereitungsdienstes. Doch die Realität sieht für viele Referendare anders aus. Tatsächlich steht das Zweite Staatsexamen für viele über Allem, das Ergebnis könnte schließlich darüber entscheiden, ob die Wunschkanzlei oder das anvisierte Richteramt offenstehen oder man sich umorientieren muss. Und nicht selten ist der Berufseinstieg daher für junge Volljuristen eine echte Zäsur im Leben, ein irgendwo doch sehr neues und aufregendes Abenteuer, dessen Startpunkt man sich gut überlegen sollte. Doch wie genau bestimmt man eigentlich, ob ein Startpunkt für einen selbst geeignet ist, man sich angenommen und wohl fühlen könnte und mit den tatsächlichen Aufgaben nicht nur umgehen kann, sondern sie sich für den beruflichen Alltag auch wünscht?

Berufswahl dank der richtigen Anwaltsstation?

Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die meisten Volljuristen rein tatsächlich in die Anwaltschaft gehen werden, lässt sich diese Frage nur über eine Station wirklich beantworten: Die neunmonatige und damit längste Station, die Anwaltsstation. Genau die Station, die dem schriftlichen Teil des Zweiten Staatsexamens unmittelbar vorangeht und damit denkbar ungünstig gelegen ist, andererseits aus meiner Sicht aber auch die größten Chancen für einen guten Berufseinstieg bietet. Auch wenn mir die vorherigen Stationen ebenfalls zugesagt hatten und ich mir auch beispielsweise eine Tätigkeit in der Verwaltung vorstellen konnte, war die Anwaltsstation der Wendepunkt für mich. Die Kanzlei, in der ich meine Anwaltsstation absolviert habe, hat maßgeblich einen Beitrag dazu geleistet.

Meine Anwaltsstation absolvierte ich in der Kanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar in Gießen. Nach Überwindung der regelmäßig auftauchenden anfänglichen Schwierigkeiten, sich zunächst mit den neuen Aufgaben und der Arbeitsweise vertraut zu machen, bemerkte ich sehr schnell, dass mir das Arbeiten bei HFBP sehr zusagte. Das lag nicht nur an den verschiedensten Aufgabenstellungen, von der Recherche zu rechtlichen Fragestellungen über das Erstellen diverser Schreiben und Schriftsätze bis hin zu Mandantenkontakt, sondern auch an der Arbeitsatmosphäre in der Kanzlei. Da die neun Monate dann recht schnell rum waren, entschied ich mich meine Zeit bei HFBP zu verlängern und absolvierte auch noch meine Wahlstation dort. Mitte der Wahlstation und damit mit genügend Einblick in den Arbeitsalltag bei HFBP, hatte ich für mich bereits entschieden, meinen Berufseinstieg in genau dieser Kanzlei und mit genau diesen Menschen erleben zu wollen.

Die Anfänge als Volljuristin bei HFBP

Persönlich war mir schon immer wichtig, dass ich mich an meinem zukünftigen Arbeitsplatz wohl fühle, gerne zur Arbeit komme und die Arbeit mich sowohl fordert als auch fördert. Da spreche ich sicherlich nicht nur Berufseinsteigern aus der Seele. Mit HFBP hatte ich für mich das perfekte Match gefunden. Ende Januar war es dann endlich so weit, ich habe mit der mündlichen Prüfung die letzte Hürde genommen und betrat am 15.02.2022 als Volljuristin die mir altbekannte Kanzlei und bezog mein Büro. Während ich diese Zeilen schreibe, wandert mein Blick auf den neben mir stehenden Tischkalender. Mir fällt auf, dass bereits die vierte Woche angebrochen ist, in der ich hier arbeite. Im gleichen Moment wird mir bewusst, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Ich empfinde das als ein sehr gutes Zeichen.

In den ersten Wochen bearbeitete ich überwiegend arbeitsrechtliche Mandate, dies auch vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsrecht einer meiner schwerpunktmäßigen Tätigkeit in der Kanzlei darstellt. In der juristischen Ausbildung bildet das Arbeitsrecht nicht den zentralen Kern, daher wird dieses Rechtsgebiet – da es dennoch examensrelevant ist – nur in seinen Grundzügen besprochen. Doch genau mit soliden Grundkenntnissen konnte ich in einer Vielzahl der arbeitsrechtlichen Mandate auch schon als Einsteigerin bereits Arbeit abnehmen und selbst Input in juristische Fragestellungen liefern oder diese vollständig lösen. Wer allerdings davon ausgeht, mit dem Ende der juristischen Ausbildung habe man auch ausgelernt, der wird sich schnell eines Besseren belehrt sehen. Der Berufseinstieg ist die vielleicht intensivste Lernzeit im Leben eines Juristen. Trotz meiner in diesem Gebiet ordentlichen und praxistauglichen Kenntnisse, wurde mir daher eine erfahrenere Kollegin zur Seite gestellt, mit der ich mich jederzeit austauschen konnte, von der ich dazu lernen konnte und dies natürlich auch weiterhin tue. Bekanntlich ist Juristenarbeit vor allem Detailarbeit, diese Detailtreue und die sich dadurch öffnenden Risiken, aber auch Möglichkeiten sind in der Praxis nochmals deutlich relevanter als in der Theorie, denn ein Fehler hat hier sehr reale Folgen, ein Blick für das Wesentliche bietet aber auch entsprechend reale Chancen.

Neben dem Arbeitsrecht bin ich zudem noch in der Beratung und Betreuung von Existenzgründern tätig. Hier durfte ich zum Berufseinstieg bereits in einige Aspekte der Tätigkeit Einblick nehmen. Genau hier öffnet sich für mich eine vollkommen neue Welt, fernab jedes Ausbildungsinhalts. Und genau diese Erfahrung werden auch viele andere Berufsanfänger machen, weswegen ich auf diesen Punkt detaillierter eingehen möchte.

Das Mandantenbegehren

Juristen sind heutzutage nicht mehr lediglich Problemlöser, wenn bei der Mandantschaft bereits etwas schief gegangen ist, vielmehr sind sie vielfach Berater und sollten genau diese Position auch besonders ernst nehmen. Es gilt, Probleme zu antizipieren und effiziente, teils sogar wirklich kreative Lösungen zu finden, um dem im Referendariat vielfach genannten „Mandantenbegehren“ vollauf entsprechen zu können. Dieses Mandantenbegehren sieht allerdings anders aus als in der Ausbildung. Es ist nicht simpel und kurz zu erklären, sondern hat viele Ebenen. Es geht um persönliche Umstände, Wünsche, Zielvorstellungen, Ideale. Diese gilt es idealerweise umzusetzen. Hier ist man als Jurist gefragt über den Tellerrand hinauszuschauen und zu versuchen eine praktikable Umsetzung zu finden. Allerdings muss dem Mandanten, sofern sein Begehren in Teilen nicht realisierbar ist, manchmal auch mitgeteilt werden, dass dieser Aspekt gerade nicht umsetzbar ist. Optimalerweise ist aber bereits eine Alternative gefunden, die dem Mandanten vorgestellt werden kann. Spannend ist gerade in diesem Gebiet, dass hier eine größtmögliche Sorgfalt hinsichtlich der Risikoaufklärung zu erfolgen hat. Das vor dem Hintergrund, dass eine Existenzgründung unter anderem mit finanziellen Risiken verbunden ist, die für den Mandanten in der Regel eine sehr erhebliche Bedeutung haben. Denn nicht wenige Existenzgründer finanzieren sich die benötigte Summe durch Bankdarlehen oder investieren ihr erspartes Geld in ihr Vorhaben.

Doch was genau mache ich in der Beratung und Betreuung von Existenzgründern? Welche Aufgaben sind da zu erledigen? Die Beantwortung dieser Fragen und weitere spannende Details gibt es in dem nächsten Teil dieses Beitrags.

– Rechtsanwältin Yadel Ulusoy, HFBP Gießen