Marc Prehler über sein Auslandsstudium in San Francisco und seine Stationen bei ERGO und Kapellmann

In diesem Interview, welches im Juli 2021 stattgefunden hat, berichtet Referendar Marc Prehler von seiner juristischen Ausbildung: seiner Examensvorbereitung, seinen Stationen bei ERGO und in der Kanzlei Kapellmann sowie seinem Auslandsstudium in San Francisco.

Zur Person

Marc Prehler ist Rechtsreferendar am Landgericht Mönchengladbach.

Zuvor hat er nach seinem Ersten Juristischen Staatsexamen den Titel Master of Laws (LL.M.) in internationalen Transaktionen und Rechtsvergleichung von der University of San Francisco School of Law erhalten. Schon während des Studiums hat Marc Prehler seinen Schwerpunkt auf das Strafrecht (Wirtschaftsstrafrecht) und unternehmerisches Denken ausgerichtet. Sein Interesse gilt der Präventivberatung von Unternehmen (Compliance) und dem Strafrecht.

 

Das Interview

Klingenberg: Herr Prehler, vielen Dank zunächst, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben. Es soll um Ihre juristische Ausbildung gehen. Sie haben Ihre Ausbildung fast beendet, Sie stehen kurz vor der Mündlichen Prüfung. Wie fühlt es sich an, die schriftlichen Prüfungen hinter sich zu haben und endlich alle Stationen absolviert zu haben?

Marc Prehler: Solche Momente fühlen sich immer etwas surreal an. Ich denke dann gerne an meine Anfänge zurück. Und wie viel sich seitdem verändert hat. Zum Zeitpunkt meines Studienbeginns hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass sich der Weg so entwickeln würde. Das ist ein Gefühl voller Dankbarkeit. Denn wenn man ehrlich ist: Da war auch sehr oft Glück dabei. Und Hilfe von Menschen, die ich nicht vergessen möchte. Noch ist es aber nicht vorbei. Hoffen wir das Beste.

Klingenberg: Wenn Sie auf Ihre juristische Ausbildung zurückblicken, was würden Sie sagen, was hat Ihnen bei der juristischen Ausbildung besonders gut gefallen und wo hätten Sie sich im Nachhinein als Rechtsreferendar vielleicht etwas mehr gewünscht?

Marc Prehler: Was mir gefallen hat, waren die verschiedenen Stationen. Man bekommt danach nicht mehr die Möglichkeit, sich die Arbeit von Staatsanwälten oder Richtern anzusehen. Diese Monate haben jeweils extrem bei der Berufswahl geholfen, ähnlich wie die Anwalts- und Wahlstation. Was ich mir gewünscht hätte: etwas mehr Intensität in der Ausbildung – zum Beispiel ausführlichere Unterlagen von der Justiz.

Klingenberg: Vor dem Antritt in den juristischen Vorbereitungsdienst waren Sie zunächst für ein LL.M.-Auslandsstudium an der University of San Francisco: School of Law. Wieso haben Sie sich für diese Universität entschieden und würden Sie sich erneut so entscheiden?

Marc Prehler: Ehrlich gesagt würde ich das nicht als eine Entscheidung bezeichnen. Dafür hätte ich mehrere Optionen haben müssen. Ich hatte mich erst sehr spät, etwa vier Monate vor dem Beginn, für den LL.M. entschieden. Als ich den Sprachtest in Dortmund gemacht habe, wusste ich nicht einmal die schriftlichen Noten des Ersten Examens. Zum Zeitpunkt der mündlichen Prüfung im Juni 2018 waren die Bewerbungsfristen in den USA für den Start im August 2018 abgelaufen. Alle Universitäten, die ich anschrieb, sagten ab. Bei der University of San Francisco bin ich aber auf eine sehr nette LL.M. Direktorin getroffen, die alles versucht hat, um mir das Studium ab August zu ermöglichen. Visum, Wohnheimplatz etc., alles hat sie in kurzer Zeit organisiert. Auch ein Stipendium i. H. v. 24.000 Dollar hat sie durchgesetzt. Dafür werde ich ihr auch immer dankbar sein. Letztendlich war ich so glücklich, dass ich danach keine andere Universität mehr in Betracht gezogen habe. San Francisco ist eine tolle Stadt und am Ende sollte man sein Glück auch nicht zu sehr ausreizen.

Die andere Frage würde ich wie der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, Max Eberl, beantworten. Der hat mal erwähnt, dass er seine Entscheidungen nicht rückblickend bewertet, sondern nur, ob er in der konkreten Situation wieder so entscheiden würde. Das würde ich hier auch.

Klingenberg: Was meinen Sie, was sind die größten Vorteile von Auslandserfahrungen für einen deutschen Juristen?

Marc Prehler: Der größte Vorteil ist definitiv die Erweiterung des eigenen Horizonts. Wir leben alle in einer Blase. Im Ausland erkennt man aber, wie sich Menschen aus anderen Kulturen verhalten, welche Sicht der Dinge sie haben. Solche Erfahrungen formen die Persönlichkeit enorm. Ich habe das Auslandsjahr dazu genutzt, extrem viel zu probieren, und damit auch sehr viel über mich herausgefunden.

Sprachkompetenz ist sicher aus juristischer Sicht ein echter Vorteil. Das gilt insbesondere dann, wenn man sich im Beruf internationale Sachverhalte vorstellen kann. Ob das auch für das Recht als solches gilt, weiß ich nicht. Mir persönlich ist das US-amerikanische „case law“ seitdem nur noch einmal begegnet.

Klingenberg: Kommen wir nun zum juristischen Vorbereitungsdienst. Inwieweit wurden Ihre Erwartungen erfüllt, inwieweit weicht die Realität von der Vorstellung ab?

Marc Prehler: Wie bereits erwähnt, fand ich die verschiedenen Stationen für die Berufswahl sehr hilfreich. Ich hätte mir aber von der Ausbildung in den Arbeitsgemeinschaften mehr erhofft. Dort war es sehr abhängig vom Ausbilder, wie enthusiastisch er die AG gehalten hat und ob die Unterlagen zum Lernen hilfreich waren. Gerade Letzteres war selten der Fall. Darüber hinaus sollte mehr Wert auf individuelle Klausurenkorrektur gelegt werden, wenn man sie schon anbietet. Im Studium hätte ich mir eine stärkere Bindung zu den Professoren gewünscht. In San Francisco haben die Professoren dem gesamten Kurs Empfehlungsschreiben für Bewerbungen angeboten und allgemeine Sprechstunden zur Vorlesung abgehalten. Das fand ich sehr erfrischend.

Klingenberg: Im Vorfeld haben Sie mir mitgeteilt, dass Sie während Ihrer Anwaltsstation bei ERGO der erste Referendar überhaupt waren, der dort Internal Investigations gemacht hat. Wie kam es dazu? Und was waren Ihre Aufgaben dort?

Marc Prehler: Ich wollte mir den Bereich der Compliance ansehen und teilte das im Bewerbungsgespräch auch mit. Die ERGO hatte zuvor keinen Referendar in der Abteilung der Compliance eingesetzt. Ich bin aber sehr dankbar, dass man mit mir dieses Experiment eingegangen ist. In der Compliance-Abteilung ist man dann ebenfalls sehr auf meine Wünsche eingegangen. Compliance ist kein echtes Rechtsgebiet, sondern es geht dort um die Einhaltung von Recht und Gesetz. Damit ist die Compliance auf alle Rechtsgebiete übertragbar. Entsprechend durfte ich dort meine präferierten Rechtsgebiete angeben. In der Abteilung Compliance habe ich erst an Themen der Geldwäsche und an amerikanischen Sachverhalten gearbeitet. Dort hatte ich erfahren, dass die ERGO in der Compliance ein Team für strafrechtliche interne Ermittlungen mit Anwälten, Praktikern und einem ehemaligen Kriminalkommissar hat. Den Abteilungsleiter schrieb ich an, ob er mit mir arbeiten möchte, und nach einem Gespräch über seine Vorstellungen der Zusammenarbeit, verbrachte ich dort meine restliche Ausbildungsstation.

In dieser Abteilung kommen Sachverhalte und Dokumente an, die zuerst hinsichtlich eines strafrechtlichen Anfangsverdachts bewertet werden. Wenn ein solcher besteht, werden oft Befragungen mit den betroffenen Personen durchgeführt. Anhand der gewonnenen Ergebnisse wird ein Abschlussbericht erstellt und über die Konsequenzen entschieden. Ich wurde dort als gleichwertiges Teammitglied eingesetzt. Bewertung, Befragungen, abschließende Kontrolle der Berichte, alles davon habe ich aktiv gestaltet und auch die Befragungen mit Kollegen geführt. Dabei hat mir natürlich eine Anwältin über die Schulter gesehen.

Am Ende haben beide Seiten davon enorm profitiert. Seitdem sucht die ERGO meines Wissens nach Referendaren für diese Abteilung.

Klingenberg: War das dann auch die Station, die Ihnen am meisten Spaß gemacht hat?

Marc Prehler: Ja. Die beste Station war die bei der ERGO. Nicht nur, weil ich Spaß an den internen Ermittlungen hatte. Sondern auch, weil das ein richtig tolles Team ist, mit dem man auch abseits der Arbeit tiefgreifende und interessante Gespräche führen kann. Ich bin bis heute noch mit den damaligen Kollegen im guten Kontakt.

Die Ermittlungen haben auch deswegen so viel Spaß gemacht, weil es ohne Teamwork nicht ging und ich die Abläufe im Unternehmen besser verstehen konnte. Viele juristische Fragen konnte man nur beantworten, wenn man verstanden hat, wie Versicherungen bei der ERGO elektronisch policiert werden. Davon hatte ich aber zu Beginn gar keine Ahnung. Für solche Fragen hatten wir Experten im Team, mit denen ich viele Stunden rein nichtjuristische Fragen besprechen durfte. In so einem Job darf man nicht unkommunikativ sein. Man muss bereit sein, sich seiner Unwissenheit zu stellen und zu fragen, bis man es wirklich verstanden hat. Und eben bereit sein, Nichtjuristisches zu lernen.

Klingenberg: Eine Frage, die viele Referendare beschäftigt, ist, ob sie während der Anwaltsstation „tauchen“ sollten, um sich intensiver auf die Examensvorbereitung konzentrieren zu können. Damit kürzen sich die Referendare allerdings deren praktische Erfahrungen rund um die anwaltliche Tätigkeit. Nun hat ein Referendar vielleicht aufgrund einer intensiveren Examensvorbereitung eine bessere Examensnote, vielleicht sogar ein Prädikatsexamen, dafür aber weniger Praxis. Ist dies nicht eine erhebliche Schwäche des juristischen Vorbereitungsdienstes? Einige Stimmen sprechen sogar von Wettbewerbsverzerrung. Wie beurteilen Sie das?

Marc Prehler: Ist das wirklich eine Schwäche des Vorbereitungsdienstes an sich? Klar, die Ausbildung als solche ist nicht mehr zeitgemäß. Allerdings wählt man, in meinem Fall in NRW, die Anwalts- und Wahlstation selbst aus. Und da muss man sich die Fragen stellen: Was erhoffe ich mir davon? Praxis oder Zeit für die Vorbereitung? Dementsprechend sucht man sich die Station aus. Ich würde da auch zu mehr Egoismus raten. Meine persönliche Einstellung dazu war: Wer dankt es dir, dass du in deiner Station so fleißig warst? Wenn du dort nicht bleiben willst, dann wohl keiner. Damit meine ich nicht, dass man seine Stationen nicht mit Fleiß und Leidenschaft angehen soll. Aber man sollte sich nicht vom wichtigen Teil der Ausbildung, dem Examen und der damit verbundenen Vorbereitung, abbringen lassen. Denn am Ende sind die Noten für die Bewerbungen nach dem Vorbereitungsdienst zu wichtig. Für die nötige Praxis bleibt aus meiner Sicht danach noch viel Zeit. Das ist kein Grund, sich dem System als Opfer auszuliefern und von Wettbewerbsverzerrung zu sprechen. Wir lernen in der juristischen Ausbildung, Probleme zu lösen. Deswegen würde ich nicht mit dem Finger auf das System zeigen, sondern Lösungen finden, um die für mich und meine Ziele optimalen Bedingungen zu schaffen.

Klingenberg: Bleiben wir kurz beim Thema Zweites Staatsexamen. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Marc Prehler: Da ich meine Noten noch nicht kenne, kann ich noch nicht von Erfolg reden. Das würde ich aber auch nicht, wenn es ein Prädikat wäre. Es gibt da in meinen Augen nicht das eine Rezept, das für alle passt. Ich finde es besser, wenn jeder sich selbst reflektiert und hinterfragt, was zu ihm oder ihr passt. Deswegen habe ich meine Strategie nach dem Ersten Examen geändert. Damals schrieb ich kaum Klausuren und las nur Skripte. Für das Zweite Examen habe ich mich mit wissenschaftlichen Hintergründen des Lernens beschäftigt. Deswegen schrieb ich mehr Klausuren und setzte auf digitale Karteikarten. Die App „Anki“ war sehr hilfreich. Bei „Anki“ wird die Karteikarte angezeigt, und man gibt an, wie gut man sie beantworten konnte. Je nach Antwort errechnet das System, wann es dir die Karte wieder zeigt. Damit finden Wiederholungen viel öfter und gezielter statt. Die Vorbereitung für diese Methode war allerdings sehr aufwändig. Ich habe alle Kaiserskripte gescannt und daraus Karteikarten gebastelt. Das funktioniert mit dem Programm auch ganz gut, weil man als Fragen oder Antworten auch Screenshots verwenden kann und nicht alles abtippen muss. Bei Interesse kann ich das Video von Niklas Steenfatt zu seiner Lerntechnik mit „Anki“ auf Youtube empfehlen. Auch habe ich jeden meiner Ausbilder um Tipps gebeten und mit diesen meinen eigenen Stil entwickelt. Dazu zählt auch der Besuch der berühmten Kaiser-Seminare, aus denen ich mir Kurzskripte erstellt habe. Da hat der amerikanische Hintergrund auch etwas geholfen. In Kalifornien zumindest gab es keine Skripte wie hier z. B. Kaiser oder Alpmann. Dort schreibt man sich anhand der Vorlesung und Lehrbücher sein persönliches Skript selbst.

Hinsichtlich des Zeitaufwandes habe ich wahrscheinlich nicht mehr oder weniger gelernt als allgemein üblich. Wichtig war es mir aber, an sechs Tagen pro Woche zwei Stunden für das Fitnessstudio freizuhaben. Mir persönlich hat es für die geistige Frische immer geholfen, körperlich aktiv zu sein. Als die Fitnessstudios während des Lockdowns geschlossen waren, habe ich zu Hause mit Widerstandsbändern trainiert.

Klingenberg: Ihre letzte Station, die Wahlstation, haben Sie bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte absolviert. Was waren Ihre Beweggründe, Ihren juristischen Vorbereitungsdienst bei Kapellmann zu beenden?

Marc Prehler: Ich hatte die Station sehr früh vereinbart, ca. 1 Jahr vor Beginn. Damals war ich in der Station bei der Staatsanwaltschaft und meine Ausbilderin war der Ansicht, dass mir das Strafrecht liegt. Ursprünglich war das Strafrecht auch der Grund, überhaupt Jura zu studieren. Deswegen wollte ich mir das Wirtschaftsstrafrecht und die verbundene Compliance in einer Kanzlei ansehen. In meiner AG arbeitete eine Kollegin schon sehr lange für Kapellmann, und die Kanzlei war für die Übernahme der Referendare bekannt. Leider hat der Partner, für den ich dort arbeiten sollte, Kapellmann zu Beginn des Jahres verlassen, und das Dezernat durchläuft aktuell eine Phase der Umstrukturierung und des Wiederaufbaus. Deshalb kontaktierte man mich, um mir für diesen Bereich abzusagen und es mir freizustellen, eine andere Stelle anzunehmen. Es liegt mir aber fern, bei Problemen sofort abzuspringen. Also vereinbarte ich, im Kartellrecht zu beginnen und mich diesem Rechtsgebiet unbefangen zu widmen. So hatte ich trotzdem die Möglichkeit, die Kanzlei und ihre Philosophie kennenzulernen.  Als ich dann bei Kapellmann anfing, stieß zufällig ein neuer assoziierter Partner im Wirtschaftsstrafrecht dazu. So konnte ich zumindest diesen Bereich in ein paar Fällen kennenlernen. Dafür muss ich Kapellmann auch loben. Das Team Kartellrecht hat mir von Anfang an und immer die Möglichkeit gegeben, in beiden Bereichen zu arbeiten, ohne dass das jemals ein Problem war. Ich habe dort im Wirtschaftsstrafrecht z. B. an Stellungnahmen gegenüber Staatsanwaltschaften und Behörden gearbeitet. Im Kartellrecht ging es z. B. um die Themen Fusionskontrolle und Nachhaltigkeitsinitiativen. Ich habe von den Partnern im Kartellrecht auch viele Tipps außerhalb des Rechtsgebiets bekommen, wie man sich zu einem Top-Juristen entwickeln kann. Diese werde ich auch in Zukunft umsetzen.

Klingenberg: Wie geht nun für Sie weiter?

Marc Prehler: Ich warte jetzt erst einmal auf meine schriftlichen Ergebnisse und werde dann sehen, wo ich damit landen könnte. Dafür hängt von dieser Phase, wie schon erwähnt, zu viel ab, als dass ich bereits schon jetzt konkrete Pläne machen könnte. Gerne würde ich im Wirtschaftsstrafrecht und der Compliance bleiben. Wie die Dinge sich entwickeln und wo ich am Ende sein werde, weiß ich aber noch nicht. Das lasse ich alles auf mich zukommen.

Klingenberg: Möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern abschließend noch etwas auf den Weg geben?

Marc Prehler: Durchhalten! Jede und jeder hat im Referendariat mal Zweifel, der Druck ist belastend. Wir haben das alle durchgemacht. Und irgendwie auch geschafft. Deswegen wirst du das auch schaffen. Geh in dich und versuche herauszufinden, was dich glücklich macht. Wenn du das weißt, bleib mit vollem Ehrgeiz dahinter. Dann bin ich fest davon überzeugt, dass man den richtigen Weg finden wird.

Vielen Dank für das Interview.