Die juristische Ausbildung ist in ihrem Studienverlauf sehr vorgegeben und hat ihre klaren Termine sowohl für das erste als auch für das zweite juristische Staatsexamen. Somit macht man sich wahrscheinlich das erste Mal nach den Examensklausuren des Zweiten Juristischen Staatsexamens intensivere Gedanken, wie es mit dem Berufseinstieg tatsächlich weitergehen soll, lohnt es sich einen LL.M. oder eine Promotion einzuschieben oder was mache ich, wenn es mit dem Zweiten Staatsexamen und den sich daraus eröffnenden Berufsfeldern nicht geklappt hat.
LL.M., Weiterbildungen, Zertifikate
Egal ob man auf die Ergebnisse wartet, das Examen bestanden oder im schlimmsten Fall nicht bestanden hat, kann man sich über sinnvolle Weiterbildungen in Form von LL.M.-Programmen, allgemeinen Weiterbildungen, Zertifikaten oder auch nichtjuristischen Master-Programmen, informieren und erste Schritte in die Wege leiten.
Der juristische Master – LL.M.
Die klassische, juristische Weiterbildung ist ein juristischer Master – der LL.M. Hier gibt es eine Vielzahl von Programmen, die oftmals in Präsenz im In- oder Ausland angeboten werden, aber auch zum Teil als berufsbegleitendes Studium. Dabei sollte man sich als erstes fragen, was ein LL.M. ist, nämlich eine Spezialisierung in einem speziellen Rechtsgebiet, wie u.a. Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Europarecht, Medizin- und Pharmarecht, Legal- Management etc., und welche davon für den zukünftigen Arbeitgeber oder Berufsweg von Vorteil sein kann, wenn man dieses spezialisierte juristische Wissen bereits im Lebenslauf vorweisen kann. Dabei muss man nicht nur aus der Vielzahl der angebotenen Programme, das für einen selbst richtige finden, sondern auch die Zulassungsmodalitäten und Zulassungsfristen beachten. Die meisten LL.M.-Programme beginnen zum Wintersemester und sind auf 3 bis 4 Semester ausgelegt. Somit laufen die Fristen in der Regel bereits zwischen Mai und Juli ab und nicht selten werden neben dem Zeugnis des Ersten Juristischen Staatsexamens, ein Transcript of Records der Einzelleistungen der universitären Ausbildung, Schwerpunktzeugnis sowie Empfehlungs- und / oder Motivationsschreiben vorausgesetzt. Interessant dürfte sein, dass es teilweise Hochschulen und LL.M.-Programme gibt, bei denen man u.a. Studienleistungen sowie Praxiserfahrung für die Anerkennung eines Moduls verwerten kann.
Weiterhin gibt es private Hochschulen, die in ihrem Ansehen in den letzten Jahren deutlich an Akzeptanz gewonnen haben und auch LL.M.-Programme abseits der bekannten und üblichen Rechtsgebiete anbieten.
Im Allgemeinen ist es aktuell interessanter sich für eine Rechtsgebietsnische wie zum Beispiel Medizin- und Pharmarecht, Stiftungsrecht, Blauwasserrecht, Internationales Recht, Kunstrecht etc. zu entscheiden, insofern dies auch mit den beruflichen Interessen vorstellbar ist. Damit wird man durch die Spezialisierung für Arbeitgeber deutlich interessanter, da der Bewerberkreis mit einer solch spezialisierten und teilweise exotisch erscheinenden Weiterbildung, deutlich kleiner ist.
Vorteil eines LL.M. im Ausland ist, dass man hierbei auch gleich eine Fremdsprache und Auslandserfahrung sowie internationales oder ausländisches Recht abdecken würde.
Neben den öffentlichen Hochschulen haben sich in den letzten Jahren private Hochschulen immer mehr etabliert und sich zum Teil einen sehr guten Ruf bei Arbeitgebern bzw. in der Wirtschaft und bei Kanzleien, aufgebaut. Es ist bei weitem nicht mehr der Fall, dass private Hochschulen „belächelt“ werden und ein Studium an einer privaten Hochschule als berufsbegleitendes Fernstudium zweimal „red flags“ bedeutet. Vorteile sind u.a., dass die meisten Studiengänge in Präsenz und als berufsbegleitendes Studium angeboten werden, man sehr flexibel ist wie und wann man lernt und sich auch die Prüfungsorte entsprechend aussuchen kann. Die schwierigste Frage ist aber am Ende nicht für welches Master- oder LL.M.-Programm man sich entscheidet, sondern welche Hochschulen man in Betracht zieht. Namen von Hochschulen, die bei der Google-Recherche als erstes genannt und beworben werde, bringen oft das Risiko mit sich, dass es private Hochschulen sind, bei denen der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund steht und nicht die Qualität der Lehre und des Abschlusses auf dem Arbeitsmarkt. Hier kann man nur aufgrund von Erfahrungen von Absolventen, Feedback von Personalern, Kanzleien oder der Wirtschaft vertrauen und die für sich persönlich richtige Wahl treffen. Vorsichtig sollte man auch beim Thema Kosten sein, da gerade bei bekannten, privaten Hochschulen oftmals Folgekosten auf die Studierenden zukommen.
Nicht-juristische Weiterbildungen
Am Ende muss es aber nicht immer eine juristische Weiterbildung sein, die den Einstieg in die Berufswelt unterstreichen und auch erleichtern kann. So kann man sich auf ca. 35-40% der nicht-juristischen Master-Programme auch mit dem Ersten bzw. Ersten und Zweiten Juristischen Staatsexamen bewerben.
Beispiele wären u.a. Gesundheitsmanagement, Internationale Beziehungen, Internationales Management oder auch Wirtschaftspsychologie etc. Die Basis stellen hier immer die juristischen Kenntnisse da, aber man erweitert sein Wissen der Ausbildung um Themengebiete neben der juristischen Welt.
Teilweise werden dabei für die Zulassung erste Praxiserfahrung oder auch Kenntnisse in wirtschaftswissenschaftlichen Themen verlangt, welche man jedoch vor Studienbeginn oder parallel zum Master-Studium erwerben bzw. nachholen kann.
Am Ende lenkt man damit den Berufseinstieg vielleicht und zunächst etwas weg von den klassischen juristischen Berufen, kann jedoch aufgrund seiner sehr soliden juristischen Ausbildung mit dem ersten und bestenfalls auch zweiten juristischen Staatsexamen immer wieder darauf zurückgreifen und in die juristisch ausgerichtete Berufstätigkeit zurückfinden. Auch spricht dabei nichts gegen die Option sich später beruflich erneut mit einer anderweitigen Weiterbildung umzuorientieren oder sein spezialisiertes Wissen zu erweitern.
Erwerb von Zertifikaten
Will man nur ein paar Wochen Zeit für eine qualifizierte und hilfreiche Weiterbildung zum Beispiel während der Wartezeit auf die Ergebnisse investieren, können u.a. Weiterbildungszertifkate für MS Office, die Themen Arbeitsrecht, Personal oder Datenschutz sehr interessant sein. Diese oftmals Online- oder Wochenend-Weiterbildungen, werden vom TÜV SÜD oder Nord bzw. DEKRA, Kanzleien, privaten Hochschulen, LinkedIn, den Volkshochschulen oder auch dem Arbeitsamt angeboten. Interessant dabei ist, dass man dem zukünftigen Arbeitgeber bereits sein Interesse für diesen Bereich oder auch Engagement signalisiert.
Solche Zertifikate sollten dann im Lebenslauf auch unbedingt hervorgehoben werden.
Stichwort Lebenslauf
Man kann die nun freie Zeit im Allgemeinen – nicht nur nach dem Examen – auch für den Lebenslauf nutzen und dabei auf die juristischen Besonderheiten eingehen:
So sollte man alle Informationen zum Studium und Referendariat entsprechend hervorheben. Dazu gehört neben dem Schwerpunktbereich, wissenschaftlicher Schwerpunktarbeit, Fremdsprachenqualifikation und einschlägigen Schlüsselqualifikationen / Grundlagenfächern auch die einzelnen Stationen des Referendariats samt kurzer Stichworte zum Aufgabenbereich. Die Beschreibung der Tätigkeit ist auch bei der Darstellung der praktischen Erfahrung, die u.a. aus Praktika, studentischer Nebentätigkeit und Berufstätigkeit neben dem Referendariat bestehen kann. Alles kann für zukünftige Arbeitgeber als Berufserfahrung wertvoll sein, so dass es schon Stellenausschreibungen gibt, welche Berufserfahrung, auch in Form von Praktika während des Studiums, akzeptieren bzw. wertschätzen.
Weiterhin werden Softskills, die nicht nur aus MS- Office Kursen/ Zertifikaten etc. bestehen können, sondern ehrenamtliches bzw. außercurriculares Engagement mit umfassen. Hierauf legen Arbeitgeber neuerdings besonders viel Wert, da man sich dadurch von anderen Bewerbern schnell abheben kann und es eine interessante Aussage über die Persönlichkeit ist.
Bei Interessen ist die Meinung zwiegespalten, da man diese weglassen kann oder zumindest nur die Dinge erwähnen sollte, über die man in einem Smalltalk auch berichten kann.
Promotion heute ein Muss?
Immer mehr Absolventen des Ersten Juristischen Staatsexamens schieben vor dem Referendariat eine Promotion ein, wobei man diese sogar berufsbegleitend nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen schreiben kann bzw. die Wartezeit auf die Ergebnisse mit der Themensuche nutzen kann.
Die großen deutschen öffentlich-staatlichen Hochschulen haben hier ihre strengen Vorgaben an die Note des Ersten Juristischen Staatsexamens und teilweise zusätzlichen Anforderungen wie die Seminar-Note des Schwerpunktes etc.
Kleinere öffentlich-staatliche Hochschulen wie zum Beispiel die Universität Hannover, Greifswald, Osnabrück etc. können teilweise von diesen Anforderungen abweichen.
Sollte die Note des Staatsexamens nicht so gut ausgefallen sein, ist dies jedoch kein Hindernis, wenn man den Blick über die Landesgrenzen wagt. So kann man im Ausland, unabhängig von der Note ein Promotionsstudium aufnehmen, welches berufsbegleitend organisiert ist, aus Seminaren und der Dissertation besteht und oftmals nur vom Themenvorschlag / Exposee an den jeweiligen Erst- und Zweitkorrektur abhängt. Der akademische Titel „Dr. iur.“ hat dabei keine Einschränkung gegenüber zum deutschen „Dr. iur.“ und bringt dabei zusätzlich den Vorteil mit, dass man zum Großteil zusätzlich den anglo- amerikanischen PhD erhält.
Schlüssel ist letztlich der Themenvorschlag und das Exposee, um Erst- und Zweitkorrektor zu überzeugen. Dabei bieten sich oftmals rechtsvergleichende Themen aufgrund der Kenntnisse im deutschen Recht an.
Plan B – wenn es am Ende nicht geklappt hat
Für wen es am Ende mit dem zweiten bzw. teilweise sogar dritten Versuch des Zweiten Juristischen Staatsexamens nicht geklappt hat, geht die Welt auf keinen Fall unter.
Der Arbeitsmarkt für Jurist:innen hat sich die letzten Jahre sehr auf den Nachwuchsmangel und auch neuen Anforderungen sowohl in Kanzleien, als auch in der Wirtschaft, angepasst. So hat man definitiv auch mit dem Ersten Juristischen Staatsexamen, einem attraktiven LL.M. / nicht-juristischen Master oder einer Promotion sehr gute Chancen, obwohl man nicht Volljurist:in ist. Deshalb ist es wichtig, sich schon in der Wartezeit auf die Ergebnisse des Zweiten Juristischen Staatsexamens entsprechende Gedanken zu machen und gewisse Schritte bereits in die Wege zu leiten.
Für wen es doch der große Traum war bzw. ist Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin zu werden, gibt es auch in dieser Situation des nicht-bestandenen Zweiten Juristischen Staatsexamens noch Hoffnung.
Die Informationen sind hier sehr versteckt, zum Teil an gewisse Hürden des nationalen Rechts gekoppelt und man müsste Deutschland für einen überschaubaren Zeitraum verlassen, aber das Ergebnis ist das Ziel – nämlich doch noch die Europäische Rechtsanwaltszulassung zu erlangen und damit wieder zurück in das deutsche Rechtsanwaltsregister zu kommen.
Man sollte jedoch beachten, dass es ein hohes Maß an diplomatischer Herangehensweise bedarf, um sich das erste juristische Staatsexamen im europäischen Ausland anerkennen zu lassen und somit in die Rechtsanwaltsausbildung einzusteigen.
Die Rechtsanwaltsausbildung im europäischen Ausland ist dabei von Beginn an in die Tätigkeit von Rechtsanwält:innen, Staatsanwält:innen bzw. Richter:innen unterschieden und vom Aufbau grundlegend anders. So beschäftigt man sich bei der postuniversitären Rechtsanwaltsausbildung deutlich mehr mit der Praxis und den alltäglichen Tätigkeiten von Rechtsanwält:innen als es im deutschen Referendariat der Fall ist. Hier fehlt es den Referendar:innen schließlich oftmals am wichtigen Praxisbezug.
Zeit nutzen
Somit gibt es nach den schriftlichen Klausuren des Zweiten Juristischen Staatsexamens einiges was man tun kann, um die Zeit entweder für die Überarbeitung des Lebenslaufes und erste Bewerbungen zu nutzen, sich bereits konkret Gedanken über eine Weiterbildung zu machen sowie sich über die Zulassungsvoraussetzungen und Fristen zu informieren oder sich im schlimmsten Fall auf einen Plan B einzustellen.
Kontakt bei Fragen, Hilfestellung bei der Planung sowie Wahl der idealen Weiterbildung, Lebenslauf und Bewerbung: