Wissenschaftliche Mitarbeit in einer Kanzlei für Strafrecht
Im Juli 2021 war Referendarin Laureen Busche im Interview mit JurCase und berichtete von ihrer wissenschaftlichen Mitarbeit in einer Kanzlei für Strafrecht. Wie lief die Bewerbung ab? Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Welche Aufgaben übernimmt sie? Außerdem nannte sie viele Vorteile einer solchen Tätigkeit vor und während des juristischen Vorbereitungsdienstes.
Laureen Busche hat an der Universität Hamburg studiert. Ihren juristischen Vorbereitungsdienst absolviert sie seit dem 01.06.2021 in Niedersachsen. Neben ihrem Studium hat Laureen Busche fünf Jahre in Hamburg Hockey in der ersten Bundesliga gespielt.
„Der intensive Mannschaftssport war ein toller Ausgleich zum Studium und brachte den netten Nebeneffekt mit sich, zu lernen, wie man mit Drucksituationen umzugehen hat und trotz des Drucks leistungsorientiert arbeiten kann. Ich denke das ist eine Fähigkeit, die mir auch nach dem Examen bei meiner Tätigkeit in der Kanzlei sehr zugute gekommen ist und mir den Einstieg erleichtert hat.“
Aktuell ist Laureen Busche als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Nagel Schlösser Rechtsanwälte tätig. Die Kanzlei hat ihren Sitz in Hannover und Berlin und übernimmt ausschließlich strafrechtliche und arbeitsrechtliche Mandate. Die Tätigkeit beschränkt sich jedoch nicht auf diese beiden Städte, sondern erstreckt sich bundesweit und sogar international. Außerdem werden zusätzlich Mediationsverfahren in der freien Wirtschaft durchgeführt.
Das Interview
Klingenberg: Frau Busche, Du bist nun seit über fünf Monaten bei Nagel Schlösser Rechtsanwälte als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Was hat Dich dazu bewogen, einer solchen Tätigkeit zwecks Überbrückung der Zeit zwischen Jurastudium und Rechtsreferendariat nachzugehen? Wieso nicht lieber ausgiebig einem Hobby nachgehen und die Seele vor dem nächsten Stress etwas baumeln lassen?
Laureen Busche: Aufgrund der aktuellen Corona-Situation ist es natürlich nicht ganz so einfach, Hobbies ausgiebig nachzugehen oder Freizeitaktivitäten unbeschwert auszuüben. Ursprünglich hatte ich immer geplant, nach dem Ersten Staatsexamen für ein Auslandsjahr nach Australien zu gehen. Da hat Corona mir leider einen Strich durch die Rechnung gemacht – wie wahrscheinlich auch vielen anderen Absolventinnen und Absolventen. Deswegen habe ich kurzfristig umgeplant und mich dazu entschieden, erst einmal in die Arbeitswelt hineinzuschnuppern, bevor es mit dem Referendariat weiter geht. Nach dem Ersten Examen kribbelt es einfach in den Fingern etwas mehr praktische Erfahrung zu sammeln und sich auszuprobieren. Ich habe an der Universität Hamburg den Schwerpunkt Kriminalität und Kriminalitätskontrolle – Jugendstrafrecht und Jugendkriminologie belegt und dadurch mein Interesse am Strafrecht entdeckt. Meine Wahl fiel dementsprechend sehr schnell auf die Arbeit in einer Kanzlei für Strafrecht.
Klingenberg: Wie lief Deine Bewerbung dafür ab?
Laureen Busche: Zunächst habe ich in der Kanzlei angerufen und mich danach erkundigt, ob sie überhaupt auf der Suche nach einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin sind – die Jobsuche in Corona-Zeiten ist ja auch ein Thema für sich. Nach einem kurzen Telefonat durfte ich dann meine Bewerbungsunterlagen einreichen und wurde zu einem Vorstellungsgespräch mit Herrn Prof. Dr. Nagel eingeladen. Als Einstellungsvoraussetzungen schwebten ihm gute Examina und ein sicheres Auftreten vor. Wir vereinbarten nach unserem Gespräch eine kurze Probezeit, in der ich mich an einigen Aufgaben versuchen durfte. Herr Prof. Dr. Nagel erzählte mir, dass er selbst auch nach seinem Ersten Examen angefangen hat in einer Kanzlei zu arbeiten. Dort wurde ihm direkt zu Beginn viel Verantwortung übertragen. Dies hatte ihm einen sehr großen Lerneffekt beschert, so dass er meine Arbeit in der Kanzlei ähnlich gestalten wollte. Ich bekam also direkt eigene Fälle, die ich eigenverantwortlich bearbeitete und am Ende bei Herrn Prof. Dr. Nagel abgab. Dieser schaute sich meine Bearbeitungen an und gab mir dann Feedback. Die Aufgaben in meiner Probezeit konnte ich alle meistern, so dass ich übernommen wurde.
Klingenberg: Das klingt nach einem interessanten Konzept. Welche Aufgabe wurde Dir denn für den probeweisen Einstieg übertragen?
Laureen Busche: Eine meiner ersten Aufgaben war das Verfassen eines Entwurfs einer Menschenrechtsbeschwerde, die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht wurde. Das hat natürlich meine ersten Tage in der Kanzlei ordentlich ausgefüllt – kurz gesagt: Es ging direkt voll zur Sache! So eine Menschenrechtsbeschwerde ist kein Klassiker im Ersten Staatsexamen – dementsprechend musste ich mich erst einmal in diese neue Materie einarbeiten und ich kann sagen: Es war sehr spannend und hat total Spaß gemacht, sich in so neue Bereiche vorzuwagen. Durch die Menschenrechtsbeschwerde hatte ich auch direkt Kontakt zu einigen Kollegen, die mir da mit Rat und Tat zur Seite standen und mir den Einstieg dort sehr einfach machten.
Klingenberg: Eine Menschenrechtsbeschwerde ist eine beachtliche Leistung, spielt sie denn sowohl in der universitären Ausbildung als auch während dem juristischen Vorbereitungsdienst im Grunde gar keine Rolle, wenn man sich nicht für einen entsprechenden Einzelausbilder während der Anwaltsstation entscheidet. Magst Du uns deshalb insoweit ein paar Einblicke geben?
Laureen Busche: Erst einmal muss vorweg wahrscheinlich gesagt werden, dass so eine Menschenrechtsbeschwerde ein riesiger formeller Aufwand ist. Das bedeutet – und das war mir vorher gar nicht klar – man muss sehr viele Kleinigkeiten im Hinblick auf die Form der Menschenrechtsbeschwerde beachten. Es gibt vorgefertigte Formulare, in denen beispielweise genau vorgegeben ist, wie viel Platz die Sachverhaltsdarstellung einnehmen darf, wie viele Seiten die Begründung lang sein darf und welche zusätzlichen Angaben gemacht werden müssen. Aufgrund dieses begrenzten Platzes für die Punkte, die man vortragen möchte, nimmt dies natürlich auch einen Einfluss auf die inhaltliche Darstellung. In diese formellen Vorgaben musste ich mich zunächst einlesen. Ich wollte auf keinen Fall einen formellen Fehler machen und unbedingt verhindern, dass die Menschenrechtsbeschwerde wegen formeller Unzulässigkeit abgewiesen wird. In materieller Hinsicht brachte das Verfassen der Menschenrechtsbeschwerde auch einige Neuheiten für mich mit sich. Inhaltlich sind für die Begründung der Beschwerde nämlich nicht die nationalen Vorschriften maßgebend, sondern es ist die Verletzung eines in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verbürgten Rechts erforderlich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist insoweit die letzte Instanz. Zuvor muss also der nationale Instanzenzug komplett durchlaufen worden sein. Das war natürlich auch ein zusätzlicher Druck, zu wissen, dass die letzten Jahre der komplette Instanzenzug durchlaufen wurde und ich nun nach all den Jahren in der letzten Instanz ein Ergebnis erreichen sollte.
Ich musste also prüfen, ob eine Verletzung eines Rechts der EMRK in Betracht kommt. Im Studium hatte ich zwar eine Seminararbeit zu einem in der EMRK verankerten Recht verfasst, so dass ich ein wenig Vorwissen besaß. Trotzdem musste ich mich ganz konkret in die Problematik des Falles einlesen. Die Hauptschwierigkeit für mich lag neben den formellen Anforderungen dann allerdings darin, mich von der universitären Schreibweise – dem Gutachtenstil – zu lösen. Eine solche Menschenrechtsbeschwerde in der Praxis folgt einem ganz anderen Schreibstil. Sich diesem Schreibstil anzupassen, das war für mich wirklich eine kleine Hürde. Nach der Abgabe meines Entwurfs bei Herrn Prof. Dr. Nagel bekam ich allerdings ein positives Feedback und ich denke das hat mir – direkt zu Beginn meiner Tätigkeit in der Kanzlei – einen Schwung mitgegeben. Ich konnte danach direkt viel selbstbewusster an die nächsten Fälle herangehen.
Klingenberg: Was sind denn mittlerweile Deine Aufgaben dort und wie sieht Dein Arbeitstag genau aus?
Laureen Busche: Bevor ich mit dem Referendariat begonnen habe, arbeitete ich vier Tage die Woche voll in der Kanzlei. An dem fünften Tag der Woche habe ich Klausuren bei einem juristischen Repetitorium korrigiert und Beiträge für JurCase geschrieben. Mit dem Beginn des Referendariats hat sich dies natürlich geändert. Während des Referendariats darf eine Nebentätigkeit nämlich nur zeitlich begrenzt ausgeübt werden.
In der Kanzlei bin ich in der Abteilung für Wirtschaftsstrafrecht gelandet, so dass nahezu alle meine Fälle aus diesem Gebiet stammen. Obwohl ich im Strafrecht tätig bin, stellen sich in den Fällen des Öfteren auch Fragen aus anderen Rechtsgebieten. Gerade bei Ordnungswidrigkeiten spielt meistens das öffentliche Recht eine Rolle und im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts verstecken sich auch ab und zu zivilrechtliche Fragestellungen, so dass die Einkleidung des Falles strafrechtlich ist, die Kernpunkte des Falles aber auch zivilrechtlicher Natur sein können. Diese Abwechslung ist toll. Im Hinblick auf das Referendariat ist es natürlich auch praktisch, dass die anderen beiden Rechtsgebiete immer mal wieder auftauchen – so wiederholt man die Fächer ganz nebenbei.
Meine Aufgaben in der Kanzlei sind immer unterschiedlich. Kein Fall ist wie der andere, es wird nie langweilig! Ich bekomme immer meine eigenen Fälle, arbeite mich in diese ein und erarbeite dann eine Strategie oder verfasse einen Entwurf für einen Schriftsatz. Ab und zu bekomme ich auch sehr komplexe Akten, bei denen ich zunächst einen Aktenauszug erstellen muss, um einen Überblick zu bekommen.
Coronabedingt und da ich als Diplom-Juristin natürlich noch nicht alle Aufgaben so erledigen darf, wie eine Anwältin, ist der Mandantenkontakt eher der Ausnahmefall. Dementsprechend bearbeite ich meine Fälle hauptsächlich aus den Akten heraus. Ich durfte allerdings Herrn Prof. Dr. Nagel schon bei mehreren Strafprozessen begleiten und konnte so auch ab und zu mit Mandanten in Kontakt treten – und auch mal „meinen Senf dazu geben“.
Klingenberg: Wie sieht denn Dein Arbeitsplatz aus? Hast Du ein eigenes Büro?
Laureen Busche: Tatsächlich habe ich ein eigenes Büro mit einer tollen Aussicht, da meine Abteilung in der Kanzlei im 4. Stock ist.
Klingenberg: Die Kanzlei Nagel Schlösser Rechtsanwälte hat auch eine Mediatorin. Hast Du einer Mediation einmal beigesessen, und wenn ja, wie war das Erlebnis für Dich?
Laureen Busche: Zur Mediation habe ich in der Kanzlei gar keinen Bezug. Ich beschäftige mich nur mit dem Strafrecht bzw. dem Wirtschaftsstrafrecht. Allerdings habe ich im Studium die Schlüsselqualifikation Mediation belegt – meine damaligen Erfahrungen habe ich auch in einem JurCase-Beitrag geteilt.
Klingenberg: Hast Du vor, auch weiterhin, also während des juristischen Vorbereitungsdienstes, als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Nagel Schlösser Rechtsanwälte zu bleiben?
Laureen Busche: Ja, ich werde weiterhin als wissenschaftliche Mitarbeiterin während des Referendariats in der Kanzlei arbeiten. Ich habe hier einen tollen Einstieg in die juristische Arbeitswelt gefunden, mir macht die Tätigkeit dort großen Spaß und gerade nach den letzten sechs Monaten habe ich nun das Gefühl, richtig angekommen zu sein. Jetzt dort aufzuhören, kommt da gar nicht in Frage!
Klingenberg: Nimmt Nagel Schlösser Rechtsanwälte auch Rechtsreferendare zur Ausbildung an, und falls ja, planst Du auch Deine Anwaltsstation dort zu absolvieren?
Laureen Busche: Ja, Referendarinnen und Referendare werden hier immer gerne gesehen. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, meine Anwaltsstation hier zu absolvieren. Ich finde das Wirtschaftsstrafecht total spannend und weiß natürlich schon, was mich in der Kanzlei erwartet. Gerade dadurch, dass man hier die Möglichkeit geboten bekommt, mit viel Verantwortung zu arbeiten, lernt man immer mehr dazu und entwickelt sich und das ist es doch, worum es im Referendariat geht! Ob ich die Anwaltsstation aufteile, also die 9 Monate auf zwei verschiedene Anwaltskanzleien verteile, um den Anwaltsberuf auch noch in einem anderen Rechtsgebiet kennenzulernen, das weiß ich noch nicht.
Klingenberg: Möchtest Du unseren Leserinnen und Lesern das Interview abschließend noch etwas auf deren Weg geben?
Laureen Busche: Ich denke es ist nach dem Ersten Staatsexamen eine Überlegung wert, ob man sich direkt in das Referendariat stürzt oder zuvor lieber in die juristische Arbeitswelt hineinschnuppert und etwas Praxiserfahrung sammelt. Ich habe in der Zeit in der Kanzlei total viel gelernt, habe durch die Arbeit an eigenen Fällen und die übertragene Verantwortung viel an Selbstbewusstsein dazu gewonnen und beginne mein Referendariat jetzt wahrscheinlich mit einer viel selbstsichereren Einstellung. Außerdem habe ich mit dem Strafrecht und besonders dem Wirtschaftsstrafrecht ein Gebiet gefunden, in dem ich mir eine spätere Tätigkeit gut vorstellen könnte und ich habe anhand von einigen Fällen auch erkannt, für welche Gebiete ich mich beispielweise weniger interessiere. Solche Erkenntnisse vor dem Referendariat sind für mich natürlich super, denn ich kann meine Stationen im Referendariat nun viel gezielter anhand meiner Interessen ausrichten und das Referendariat richtig nutzen, um alle Sparten auszutesten, die mir aktuell für meinen späteren beruflichen Werdegang vorschweben. Deswegen bin ich der Meinung, dass es sehr sinnvoll sein kann, die Zeit zwischen dem Ersten Examen und dem Referendariat mit einer juristischen Tätigkeit zu verbringen und die eigenen Interessen und Fähigkeiten dadurch noch genauer kennenzulernen.
Vielen Dank für das Interview!